Der Bundesrat hat am 19. September einer weiteren Verschärfung des Asylrechts zugestimmt. Die Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina werden per Gesetz zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt. Asylanträge von Flüchtlingen aus diesen Ländern gelten dadurch pauschal als „offensichtlich unbegründet“, die Antragsteller können rasch wieder abgeschoben werden.
Die Verschärfung richtet sich insbesondere gegen Roma, die in diesen Ländern rassistischen Übergriffen schutzlos ausgeliefert sind und denen der Zugang zu Arbeit, Wohnraum, Schulbildung und medizinischer Versorgung systematisch verwehrt wird.
Ausschlaggebend für die Verabschiedung des Gesetzes war die Stimme des grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann. Im Gegensatz zum Bundestag, der dem Gesetz bereits vorher zugestimmt hatte, verfügt die Große Koalition in der Länderkammer über keine eigene Mehrheit. Daher musste ein Bundesland, in dem die Grünen oder die Linken mitregieren, dem Gesetz zustimmen.
Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist Teil des so genannten Asylkompromisses, den die Unionsparteien und die SPD 1993 nach einer Serie ausländerfeindlicher Anschläge vereinbart hatten. Damals hatten die Grünen die Grundgesetzänderung noch abgelehnt, die das Recht auf Asyl massiv einschränkt. Es ist bezeichnend, dass sie nun, 21 Jahre danach, die Verantwortung für eine weitere Beschneidung des Asylrechts übernehmen. Ihr Versuch, sich in der Öffentlichkeit als Partei darzustellen, die Migranten und Asylbewerber vor Behördenwillkür schützt, entpuppt sich so als pure Heuchelei.
Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ erlaubt es dem Gesetzgeber festzulegen, dass in bestimmten Herkunftsländern keine politische Verfolgung stattfindet und daher keine Einzelfallprüfung von Fluchtgründen erfolgen muss. Bislang finden sich nur die Mitgliedsstaaten der EU sowie Ghana und der Senegal auf der Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“. Mit der Einbeziehung des westlichen Balkans erfolgt ein Dammbruch.
Kretschmann rechtfertigte seine Zustimmung mit einem Argument von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). „Schon jetzt“, so Kretschmann, würden die Asylanträge „der übergroßen Mehrheit der Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgelehnt“. Die Anerkennungsquote der Menschen aus diesen Ländern liege in den letzten Jahren bei nur 0,3 Prozent. Er unterschlug, dass die Anerkennungsquote durch behördliche Willkür künstlich niedrig gehalten wird, indem Asylanträge häufig rechtswidrig im Schnellverfahren abgelehnt werden. Die Gerichte haben solche Ablehnungsbescheide reihenweise kassiert.
Außerdem erklärte Kretschmann, dass er „die Regelung der sicheren Herkunftsstaaten zwar für falsch halte, sie aber dennoch Verfassungsrang habe“. Mit dieser Begründung hätte er auch den Rassegesetzen des NS-Regimes zustimmen können. Er offenbart damit eine unterwürfige Haltung gegenüber dem Obrigkeitsstaat, die für die Grünen typisch ist.
Außerdem verwies Kretschmann auf die „realen Verbesserungen für die Flüchtlinge“, die die Grünen bei den Verhandlungen vor der Abstimmung erreicht hätten. Doch bei genauerer Betrachtung lösen sich die angeblichen Verbesserungen in Luft auf.
Die Residenzpflicht, die Flüchtlingen verbietet, die ihnen zugewiesen Region ohne Genehmigung zu verlassen, ist nicht, wie behauptet, aufgehoben worden. Erreicht wurde lediglich eine „Entkriminalisierung von Verwandtenbesuchen“, wie die Flüchtlingshilfsorganisation ProAsyl erklärt.
Schon nach bisherigem Recht war es möglich, Flüchtlingen Bewegungsfreiheit zu gewähren, nur machten die meisten Bundesländer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. Und bei der Pflicht zur „Wohnsitznahme“ in der den Flüchtlingen zugewiesenen Kommune wird es bleiben. Einen Wohnsitzwechsel etwa zur Arbeitsaufnahme oder zum Besuch einer Schule oder Ausbildungsstätte wird es auch zukünftig nicht geben. Zudem kann die Residenzpflicht bei Straffälligkeit oder im Falle einer drohenden Abschiebung schnell wieder behördlich angeordnet werden.
Das Sachleistungsprinzip ist ebenfalls nicht aufgehoben worden, wie Kretschmann behauptet. Festgelegt wurde nur, dass künftig ein „Vorrang für Geldleistungen“ gelten soll. Sachleistungen bleiben demnach weiterhin möglich. Außerdem bleibt das Asylbewerberleistungsgesetz bestehen, das Flüchtlinge systematisch diskriminiert und ausgrenzt und ihnen nur einen sehr eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung gewährt.
Im Zuge der Verhandlungen über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern soll besprochen werden, die Bundesländer und Kommunen von den Kosten für die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge zu entlasten. Das ändert aber nichts daran, dass diese von medizinischer Versorgung bis auf Notfallbehandlungen weitgehend ausgeschlossen bleiben. Von „substanziellen Verbesserungen“, die Kretschmann hier herbeiredet, gibt es keine Spur.
Ein verbesserter Zugang zu Arbeitsmarkt stand ohnehin schon im Gesetz. Dass die Grünen nun den Wegfall der Vorrangprüfung für Flüchtlinge, laut der deutsche Bewerber Vorrang haben, nach 15 Monaten feiern, ist reine Augenwischerei. Kaum ein Asylverfahren dauert länger als 15 Monate. Zudem liegt die Aufhebung des Arbeitsverbotes weiter im Ermessen der Ausländerbehörden, und auch das Ausbildungsverbot für Jugendliche bleibt bestehen. Diese Neuregelung wird zudem auf drei Jahre befristet und steht dann wieder zur Disposition.
Die Medien stellten Kretschmanns Haltung als Zerreißprobe für die Grünen dar. So wurde der Bundestagsabgeordnete Volker Beck mit den Worten zitiert, das Menschenrecht auf Asyl sei „für einen Appel und Ei verdealt worden“. Doch das dient lediglich dazu, den Grünen weiter das Deckmäntelchen einer angeblich humanitären Flüchtlingspolitik umzuhängen.
Denn Kretschmanns handelte nicht im Alleingang. Vielmehr hatte der baden-württembergische Ministerpräsident zuvor von der Parteispitze in Berlin grünes Licht erhalten. Am Abend vor der Bundesratsabstimmung hatte der Grünen-Parteirat beschlossen, dass „das Angebot der Bundesregierung zwar unzureichend“ sei, man aber „unabhängig von dieser Position respektiere, wenn grün-mitregierte Länder in ihren Kabinetten zu einer anderen Abwägung kommen sollten“.
Auch nach der Abstimmung erntete Kretschmann Zustimmung aus der Parteiführung und anderen Landesverbänden. Die Berliner Grünen-Vorsitzende Bettina Jarasch und ihr hessischer Kollege Kai Klose begrüßten Kretschmanns Haltung. Beide lobten die angeblichen Verbesserungen für Flüchtlinge.
Sie verschleierten damit, dass die Einstufung der Westbalkanstaaten zu „sicheren Herkunftsstaaten“ für die Menschen dort brutale Folgen hat. Nicht nur Menschenrechtsorganisationen wie ProAsyl und Amnesty International, sondern auch der Europarat haben wiederholt auf die schwierige Lage der Roma in diesen Staaten hingewiesen. Dennoch erklärte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, der Welt, dass „unsere Verhandler Zugeständnisse erreicht haben, über die unsere Partei während der rot-grünen Jahre glücklich gewesen wäre“.
Klarer kann man den Bankrott der Grünen bei der Flüchtlings- und Asylpolitik kaum zum Ausdruck bringen. In den sieben Jahren der rot-grünen Koalition von 1998 bis 2005 hatten die Grünen jeden Anschlag des damaligen Innenministers Otto Schily (SPD) auf das Grundrecht auf Asyl mitgetragen. Sie peitschten Schilys Zuwanderungsgesetz durch den Bundestag, das Abschiebungen erleichterte, Polizeistaatsmaßnahmen gegen Flüchtlinge und Migranten etablierte und politische Zensur für Ausländer durchsetzte.
Mit Unterstützung der Grünen wirkte Schily auch maßgeblich am Ausbau der „Festung Europa“ mit, an deren Mauern jedes Jahr Tausende Flüchtlinge sterben. In dieser Zeit sanken die Asylbewerberzahlen auf immer neue Tiefstände, was von der Regierung damals als Erfolg der restriktiven Flüchtlingspolitik gefeiert wurde.
Erst vor wenigen Wochen hat die von den Grünen dominierte Bezirksvertretung von Berlin-Kreuzberg zudem einen Polizeieinsatz gegen wehrlose Flüchtlinge gerechtfertigt, die gegen ihre drohende Abschiebung protestierten. Ein ausgehandeltes Abkommen auf Bleiberecht wurde ebenfalls von den Grünen hintertrieben.
Die Grünen spielen als Deckmantel einer angeblich humanitären Flüchtlingspolitik eine wichtige Rolle, um die Interessen des Staates gegen die Schwächsten der Gesellschaft durchzusetzen. Dabei haben die einst als pazifistische Ökopartei titulierten Grünen schon lange sämtliche Grundsätze als unnützen Ballast über Bord geworfen, um sich der Staatsräson unterzuordnen. Außenpolitisch betreiben sie die Wiederkehr des Militarismus und unterstützen deutsche Kriegseinsätze, die viele Menschen zur Flucht zu treiben. Sie verteidigen die Europäische Union und deren barbarische Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge.