Am 12. Dezember hat die Berliner Landesregierung, bestehend aus SPD und CDU, einen neuen Sparhaushalt verabschiedet. Der Doppelhaushalt für die Jahre 2014/2015 verbietet dem Land Berlin erstmals, neue Kredite aufzunehmen. Berlin erfüllt damit bereits jetzt die seit 2009 im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die es den Ländern ab 2020 untersagt, neue Schulden aufzunehmen. Der rot-schwarze Senat stellt so die Weichen für weitere massive soziale Angriffe in den kommenden Jahren.
Der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) prahlte bei den letzten Beratungen vor der Abstimmung im Senat: „Ja, eine schwarze Null ist das Ziel einer vernünftigen Finanzpolitik. Unser Ziel ist es, Berlin finanziell auf eigene Füße zu stellen.“ Es sei „kein Traum, den Anspruch zu haben, aus der Situation eines Nehmerlandes“ im Länderfinanzausgleich hinauszukommen.
Der neue Haushalt und die Aussagen Wowereits kommen einer weiteren Kriegserklärung an die Berliner Bevölkerung gleich, die seit Jahren mit heftigen Sparmaßnahmen konfrontiert ist.
Wowereits Ankündigung von einem Nehmerland zu einem Geberland zu werden, verdeutlicht das Ausmaß der geplanten Kürzungen. Berlin ist derzeit Hauptempfänger im Länderfinanzausgleich und erhält jedes Jahr Transferzahlungen in Milliardenhöhe. Im Jahr 2012 waren es 3,3 Milliarden Euro, und im ersten Halbjahr 2013 fast zwei Milliarden. Bis 2019 drohen weitere Kürzungen in Milliardenhöhe. Spätestens dann läuft der Länderfinanzausgleich aus.
Ermöglicht wurde der ausgeglichene Haushalt durch die brutale Kürzungspolitik der Vorgängerregierungen. Vor allem der rot-rote Senat aus SPD und Linkspartei hat in seiner zehnjährigen Regierungszeit zwischen 2001 und 2011 eine Kürzungsorgie organisiert, die in Deutschland beispiellos ist. Unter Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und seinem Nachfolger Thilo Nussbaum wurden tausende Stellen im Öffentlichen Dienst abgebaut, Löhne massiv gesenkt, Milliardenkürzungen bei Kultur und Bildung vorgenommen, die Berliner Wasserbetriebe und öffentliche Wohnungsbaugesellschaften privatisiert und der soziale Wohnungsbau eingestellt.
Die Konsequenzen sind Armut und Perspektivlosigkeit für Hunderttausende Berliner. Ganze 17 Prozent Bevölkerung waren im November 2013 auf Hartz-IV angewiesen, soviel wie in keinem anderen Bundesland. Der Armutsbericht für 2013, den die nationale Armutskonferenz und der Paritätische Wohlfahrtsverband am 19. Dezember vorlegten, bestätigt die dramatische Situation. Berlin gehört zu den ärmsten Bundesländern und liegt mit einer Armutsquote von 21,2 Prozent weit über dem bundesweiten Durchschnitt von 15,2 Prozent. Die Armut nimmt rapide zu. 2008 waren in Berlin „nur“ 18,7 Prozent arm.
Der neue Haushalt wird die soziale Katastrophe weiter verschärfen. Er sieht Ausgaben von knapp 23,5 Milliarden Euro jährlich vor. Das bedeutet real einen Kürzungshaushalt, da die Ausgaben deutlich langsamer steigen als die Inflationsrate. Ab 2015 will der Senat einen Überschuss erzielen, der in den Schuldenabbau fließen soll. Die finanzielle Situation Berlins ist katastrophal. Das Land hat 63 Milliarden Euro Schulden und damit fast 22.000 Euro pro Einwohner. Dies entspricht in etwa der Lage Detroits, der insolventen einstigen Autohauptstadt in den USA.
Während in Detroit ein ungewählter Insolvenzverwalter die Interessen der Finanzelite gegen die Bevölkerung vertritt und die Privatisierungen und Kürzungen organisiert, erfüllt diese Aufgabe in Berlin der Senat. Im Herbst letzten Jahres verabschiedete die schwarz-rote Landesregierung eine Neufassung des Risikoabschirmung-Gesetzes von 2002.
Das berüchtigte Gesetz war eine der ersten Amtshandlungen des damaligen rot-roten Senats. Es diente der Rettung der Berliner Bankgesellschaft, die in dubiosen Spekulationsgeschäften vermögenden Immobilienfonds-Anlegern sagenhafte Gewinngarantien versprochen hatte. Linkspartei und SPD verpflichteten sich, Steuergelder in Höhe von 21,6 Milliarden Euro bereitzustellen, um für die Schulden der Bank zu bürgen und den Spekulanten die Rendite zu sichern.
Erst im letzten Jahre verabschiedete der Senat ein neues Gesetz, dass den Immobilienspekulanten weitere Kreditgarantien in Milliardenhöhe verspricht. In der Beschlussfassung vom 26. September 2012 heißt es, das Gesetz ermächtige „die Senatsverwaltung für Finanzen zur Gewährung einer Garantie […] für verbliebene Risiken aus dem Immobiliendienstleistungsgeschäft der Bankgesellschaft Berlin AG sowie zum Ausgleich von Insolvenzrisiken bei der BIH-Gruppe in Höhe von 3,8 Milliarden Euro“.
Die tatsächliche Summe kann dabei noch viele höher liegen. Die Ausweitung des Risikoabschirmungsgesetzes bezieht sich nicht nur auf „Altlasten“, sondern umfasst auch alle seit 2002 abgeschlossenen neuen Kredite. Im Gesetz heißt es explizit, dass die Ermächtigung auch für „Kredite bzw. Kreditzusagen“ gilt, „die seit dem 16. April 2002 Gegenstand einer Prolongation, Novation oder Umfinanzierung waren oder von der BIH Berliner Immobilien Holding GmbH unter Fortbestand der Garantien nach dem Risikoabschirmungsgesetz übernommen wurden“.
Alle offiziellen Erklärungen für Berlins Sparkurs – die alle auf die Behauptung hinaus laufen, die Berliner Bevölkerung müsse den Gürtel enger schnallen, da die Kassen leer seien – sind falsch. Berlin wird systematisch durch eine Politik ausgeblutet, die die Interessen der Banken und Spekulanten höher stellt als die der Bevölkerung. Berlin überweist jährlich rund zwei Milliarden Euro nur für Zinsen an die Banken.
Diese Politik wird von allen Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus unterstützt. Udo Wolf, der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, nutzte die Generalaussprache zum Doppelhaushalt für ein Loblied auf die Sparpolitik des rot-roten Senats. Erst diese habe überhaupt zum ausgeglichenen Haushalt geführt. „Wir haben über zehn Jahre lang unter großen Anstrengungen das getan, was auf Berliner Ebene getan werden kann. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, einen ausgeglichenen Primärhaushalt zu haben. Das war nicht leicht, aber wir haben das hingekriegt. Und es war auch richtig.“
Die Grünen attackierten den Sparhaushalt von rechts. Der Finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jürgen Esser, warf der rot-schwarzen Landesregierung vor, gar nicht wirklich einen Etat ohne neue Schulden vorzulegen. Esser kritisierte den Bürgschaftsrahmen, den die Regierung im Haushalt einräumt, um notfalls einen zusätzlichen Finanzbedarf des Berliner Flughafens zu decken. „Sie haben die Ermächtigung für sechs Milliarden neue Schulden erteilt,“ polterte Esser. Neben dem Weg der Haushaltskonsolidierung gebe es für SPD eine „zweite Welt der schrankenlosen Freiheit“, unbegrenzt „Kreditgeld“ zu drucken. Ein Fraktionsbeschluss der Grünen fordert, dass Berlin die Schuldenbremse nicht nur einhält, sondern auch explizit in die Landesverfassung aufnimmt.
Alle Parteien sind sich bewusst darüber, dass die massiven Angriffe auf die Bevölkerung zunehmend sozialen Widerstand hervorrufen werden und bereiten sich darauf vor. Der einzige Bereich in dem neue Stellen geschaffen und höhere Summen investiert werden, ist der Bereich Innere Sicherheit und Polizei. Laut Innensenator Frank Henkel (CDU) schaffe der Haushalt die Voraussetzung für 584 zusätzliche Sicherheitskräfte und davon allein 350 neue Stellen im Polizeivollzug und Objektschutz.
Die Innenaufrüstung wird von den sogenannten Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus unterstützt. Bei der Aussprache über den Haushalt lobten Vertreter der Linkspartei, der Grünen und der Piraten explizit die Maßnahmen des rot-schwarzen Senats. Alexander Spies, der Fraktionsvorsitzende der Piraten, erklärte, dass er der Regierung gegenüber nicht „unfair sein“ wolle. „Zumindest beim Objektschutz haben Sie im letzten Moment noch mal die Kurve bekommen und sich entschlossen, die notwendigen Stellen im Haushalt einzuplanen.“
Die aggressivste Kampagne zur Aufrüstung der Polizei führt seit langem die Linkspartei. Sie beantragte bereits im September im Innenausschuss, „den Personalabbau im Innenressort zu stoppen“, und forderte vom Senat, „ein Konzept dafür vorzulegen, wie die Aufgaben von Objektschutz und Gefangenenwesen in Zukunft mit ausreichend Personal erledigt werden können“.