Das russische Parlament hat am Dienstag mit 436 zu null Stimmen bei einer Enthaltung zwei rechte Gesetze erlassen, die das öffentliche Ausleben von Homosexualität, die Verteidigung Homosexueller und die „Beleidigung religiöser Empfindungen“ unter Strafe stellen.
Beide Gesetze müssen noch vom Oberhaus des Parlaments verabschiedet und von Präsident Putin unterschrieben werden. Putin hat bereits öffentlich seine Unterstützung für beide Gesetze erklärt.
Die beiden Gesetze stellen einen Angriff auf grundlegende demokratische Rechte dar und sind Teil einer Kampagne des Kremls, der angesichts wachsender sozialer Spannungen und politischer Instabilität immer stärker auf Nationalismus und rechte Kräfte wie die Russisch-Orthodoxe Kirche setzt.
Das neue Anti-Homosexuellen-Gesetz sieht Strafen in Höhe von bis zu 100 Euro für Individuen und 23.000 Euro für Organisationen vor, die „nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagieren“. Die Verteidigung des grundlegenden demokratischen Rechts auf Gleichberechtigung für Homosexuelle wird demnach illegal.
Auch Ausländer werden von dem Gesetz nicht ausgenommen. Zu einer Geldstrafe von 2.300 Euro können eine Inhaftierung von bis zu 15 Tagen und eine Zwangsausweisung kommen. Seit letztem Jahr steht „homosexuelle Propaganda“ bereits in mehreren Regionen, darunter auch in St. Petersburg, unter Strafe.
Bei einer Demonstration gegen das Gesetz vor dem Parlament in Moskau wurden mehr als 20 Menschen festgenommen. Die Demonstranten wurden außerdem von Unterstützern der Russisch-Orthodoxen Kirche tätlich angegriffen, mit Eiern beworfen und mit Urin bespritzt, ohne dass die Polizei eingegriffen hätte.
In ihrer Begründung für das Anti-Schwulen-Gesetz erklärte Jelena Misulina, eine Mitautorin des Gesetzes, vor dem Parlament: „Traditionelle sexuelle Beziehungen sind Beziehungen zwischen einem Mann und einer Frau, was … die Grundlage für die Bewahrung und Entwicklung des multi-ethnischen russischen Volkes ist. Genau diese Beziehungen benötigen besonderen Schutz durch den Staat.“
Auch Präsident Putin hat Homosexuelle mehrfach dafür kritisiert, nicht zum Bevölkerungswachstum in Russland beizutragen.
Mit solchen Argumenten wendet sich der Kreml an rückständige Schichten in der Gesellschaft und versucht, das politische Klima weiter nach rechts zu drücken, um von den Folgen der Wirtschaftskrise und den brutalen sozialen Angriffen auf die Bevölkerung abzulenken.
In den vergangenen Jahren hat der Kreml gezielt reaktionäre Vorurteile und Stimmungen geschürt. Der Anteil der Befürworter des Gesetzes ist Umfragen zufolge im letzten Jahr von 40 Prozent auf 47 Prozent gestiegen. Homosexuelle werden häufig Opfer tätlicher Übergriffe.
Bei einer jüngsten Umfrage gaben 15 Prozent der befragten Lesben und Schwulen an, in den vergangenen zehn Monaten physisch angegriffen worden zu sein. Bei dem Schüren dieser reaktionären Stimmungen baut der Kreml auch auf das Erbe des Stalinismus, der als Teil der politischen Reaktion gegen die Oktoberrevolution über Jahrzehnte „traditionelle Familienwerte“ und nationalen Chauvinismus propagiert hat.
Mit dem zweiten Gesetz, das das Parlament am Dienstag erlassen hat, weicht der Kreml die Grenzen zwischen Kirche und Staat weiter auf. Das Gesetz stellt die „Beleidigung religiöser Gefühle“ unter Strafe. Die Geldstrafen können bei bis zu 7.500 Euro betragen und die „Schändung von religiösen Tempeln“ kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Auch die „öffentliche Herabsetzung“ von Ikonen und religiöser Literatur, wie der Bibel oder dem Koran, wird mit hohen Geldstrafen geahndet.
Damit schließt der Kreml an das Urteil gegen drei Sängerinnen der feministischen Punk-Band Pussy-Riot an, die im letzten Sommer in einem Schauprozess zu mehreren Jahren Lagerhaft verurteilt wurden, nachdem sie in der Moskauer Erlöserkathedrale ein „Punk-Gebet“ gegen Putin gesungen hatten. Der Kreml benutzte den Fall für eine massive nationalistische und religiöse Propagandakampagne, um von der wirtschaftlichen und sozialen Krise abzulenken.
Mit beiden Gesetzen signalisiert der Kreml einen weiteren Rechtsruck und ein näheres Heranrücken an die Russische-Orthodoxe Kirche, einen Hort ultra-nationalistischer und faschistischer Tendenzen.
Die Russisch-Orthodoxe Kirche, deren Oberhäupter sich an der kapitalistischen Restauration schamlos bereichert haben, spielt seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine wichtige Rolle in der Politik. Insbesondere unter Putin sind Kirche und Staat näher zusammengerückt. Angesichts der Massenproteste von städtischen Mittelschichten und des wachsenden sozialen Unmuts im Land hat der Kreml im letzten Jahr die religiöse Kampagne in der Presse und das Schüren nationaler Spannungen noch einmal deutlich verstärkt.
Zurzeit setzt der Kreml brutale Sparmaßnahmen gegen eine weitgehend verarmte Bevölkerung durch. Gut ein Drittel aller Hochschulen sowie zahlreiche medizinische Einrichtungen werden privatisiert oder geschlossen. Auch weitere Rentenkürzungen werden debattiert. Diese Woche kündigte Präsident Putin noch drastischere Kürzungen und Massenentlassungen unter Staatsangestellten an. Diese sozialen Angriffe werden auf den Widerstand der arbeitenden Bevölkerung treffen. Mit den repressiven Gesetzen und der Stärkung des autoritären Staates bereiten sich die herrschenden Eliten auf eine offene Konfrontation mit der Arbeiterklasse vor.
Die imperialistischen Mächte und die liberale Opposition benutzen die autoritären Gesetze, um unter dem scheinheiligen Vorwand der Verteidigung von „Demokratie und Menschenrechten“ Druck auf das Putin-Regime auszuüben.
Der US-Botschafter in Russland, Michael McFaul, verurteilte das Anti-Homosexuellen-Gesetz, das „gegen den Geist einer demokratischen Gesellschaft“ verstoße. Ex-US-Außenministerin Hillary Clinton und Präsident Barack Obama hatten schon zu Beginn der Protestbewegung gegen Putin im Dezember 2011 betont, dass die USA die Verteidigung der Rechte von Homosexuellen als essentiellen Teil des „Kampfes für Menschenrechte“ sähen.
Die deutsche Regierung reagierte besonders scharf auf das Gesetz: Auf die persönliche Anweisung von Bundesaußenminister Guido Westerwelle hin verschärfte das Auswärtige Amt die Reisehinweise für russische Staatsbürger. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, Bundeskanzlerin Angela Merkel erwarte eine Rücknahme des Gesetzes.
Die Kampagne der Imperialisten ist völlig verlogen. In ihren eigenen Ländern gehen sie brutal gegen jede soziale Opposition vor, bauen gigantische Apparate zur Überwachung der Bevölkerung auf und treten demokratische Grundrechte wie das Recht auf Meinungsfreiheit und Privatsphäre mit Füßen.
In Russland unterstützen sie seit Jahren die liberale Opposition und pseudo-linke Kräfte, die beide enge Verbindungen zur extremen Rechten unterhalten. Auch bei der vom Westen gestützten Oppositionsbewegung spielen faschistische Kräfte eine wichtige Rolle. Die imperialistische Kampagne zur Verteidigung von „Demokratie und Menschenrechten“ zielt in Wahrheit darauf ab, den Druck auf das Putin-Regime zu erhöhen, das sich vor allem im Mittleren Osten gegen die Kriegspläne der NATO-Mächte gegen Syrien und den Iran stellt.
Es ist die Aufgabe der Arbeiterklasse, demokratische Rechte als teil des Kampfs für ein sozialistisches Programm gegen das Putin-Regime und den Kapitalismus zu verteidigen.