In den vergangenen Wochen haben Präsident Wladimir Putin und andere führende Regierungsvertreter mehrfach betont, dass die Aufrüstung des Militärs oberste Priorität der Kreml-Politik sei und sich Russland auf kriegerische Auseinandersetzungen vorbereite. Der Kreml führt derzeit ein umfassendes Modernisierungsprogramm der Armee und Flotte durch. In den herrschenden Eliten führt die Militäraufrüstung, die mit verstärkten Angriffen auf die Arbeiterklasse verbunden ist, zu heftigen Konflikten.
In einer Rede am 23. Februar anlässlich des russischen „Tags der Verteidigung des Vaterlandes“ erklärte Putin: „Die Gewährleistung einer verlässlichen Militärkraft Russlands ist die Priorität unserer Staatspolitik. Die gegenwärtige Welt ist leider weit von einer ruhigen, sicheren Entwicklung entfernt. Zu den lange veralteten Konflikten kommen neue, nicht weniger schwierige hinzu. In riesigen Regionen der Welt wächst die Instabilität.“
Bei einer Sitzung des Verteidigungsministeriums Ende Februar betonte Putin noch einmal, dass die Armee innerhalb der nächsten fünf Jahre darauf vorbereitet werden müsse, den „gegenwärtigen Gefahren“ zu begegnen.
Der 70. Jahrestag des Siegs der Roten Armee über die deutsche Wehrmacht in der Schlacht von Stalingrad Anfang Februar wurde für eine massive nationalistische Kampagne genutzt, in der Stalin glorifiziert wurde. Mit der nationalistischen Propaganda reagiert das Regime auf wachsende internationale Konflikte und versucht gleichzeitig, von sozialen Spannungen im Innern abzulenken und den weit verbreiteten Unmut über die Kreml-Politik zu kanalisieren.
In den letzten Jahren sind die russischen Militärausgaben kontinuierlich gestiegen. Das gegenwärtige Rüstungsprogramm ist das größte seiner Art seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Geplant ist, zwischen 2011 und 2020 jährlich 11 Prozent der militärischen Ausrüstung zu erneuern und so bis 2020 den Anteil moderner Waffen in der Armee auf 70 Prozent zu erhöhen.
Die meisten Waffen der russischen Armee stammen noch aus Sowjetzeiten. Insgesamt sind Ausgaben in Höhe von rund 657 Mrd. US-Dollar vorgesehen. 2012 gab der Kreml bereits rund 908 Mrd. Rubel (ca. 31 Mrd. US-Dollar) für Militäraufrüstung aus.
Ein wichtiger Bestandteil der Militäraufrüstung sind der Ausbau und die Modernisierung der russischen Flotte. Für die Modernisierung der Flotte und einen verstärkten Einsatz von atomar bewaffneten U-Booten will der Kreml bis 2020 rund 132 Mrd. US-Dollar ausgeben.
Die russische Flotte soll sowohl im Schwarzen Meer als auch im Mittelmeer stärkere Präsenz zeigen. Mit der Ukraine führt Russland derzeit Verhandlungen über die Neuausstattung der Schwarzmeerflotte, die im Hafen von Sewastopol auf der ukrainischen Krim stationiert ist. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu hat erklärt, dass Russland eine permanente Militärpräsenz im Mittelmeer zeigen müsse, um seine Interessen in der Region zu verteidigen.
Das Waffenprogramm des Kremls ist Teil eines internationalen Aufrüstungswettlaufs. Auch China steigert seine Militärausgaben gewaltig, während die USA weiterhin die mit Abstand höchsten Beträge für militärische Zwecke ausgeben. Die neokolonialen Kriege im Mittleren Osten und Nordafrika haben die Konflikte zwischen den Großmächten verschärft.
Vor allem der von der Nato geschürte Bürgerkrieg in Syrien hat die Spannungen zwischen den USA und Russland erhöht und auch das Verhältnis Moskaus zu Deutschland und Frankreich, die die syrische Opposition unterstützen, verschlechtert.
Russland sieht seine wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen durch den Syrien-Konflikt und die Kriegsvorbereitungen gegen den Iran gefährdet, die den Kaukasus und Zentralasien destabilisieren (Siehe: Bürgerkrieg in Syrien destabilisiert den Kaukasus). Bei einer Eskalation des Krieges in Syrien und einen Krieg der Westmächte und Israels gegen den Iran drohen die kriegerischen Konflikte bis an die Grenzen der Russischen Föderation vorzudringen.
Der russisch-georgische Krieg im Sommer 2008, in dem sich bedeutende Teile der russischen Armee ungenügend vorbereitet erwiesen, diente als Ausgangspunkt für eine Intensivierung der Militärreform.
Seitdem wurde die Wehrpflicht von zwei Jahren auf eines reduziert, eine Veränderung der Kommandostrukturen in Angriff genommen und zahlreiche Generäle und Offiziere entlassen. Dennoch befindet sich die russische Armee in einem desolaten Zustand und die meist schlecht ausgebildeten Soldaten benutzen hoffnungslos veraltete Waffen aus der Sowjetzeit. Die Zahl der Suizide in der Armee ist enorm hoch. Berichte über die brutale Misshandlung von Soldaten durch ihre Vorgesetzten sind an der Tagesordnung. Zudem ist die Essensversorgung so schlecht, dass manche Soldaten hungern oder ranzige Nahrung zu sich nehmen müssen.
Die hohen Militärausgaben und die Militärreform führen seit längerem zu Spannungen im Kreml und unter den herrschenden Eliten. Finanzminister Alexey Kudrin trat im Herbst 2011 zurück, weil er mit dem hohen Budget für das Militär nicht einverstanden war. Der derzeitige Finanzminister Anton Siluanow hat die Militäraufrüstung hingegen zur Priorität seines Ministeriums erhoben.
Im vergangenen November feuerte Putin den Verteidigungsminister Anatolij Serdjukow, der die Militärreform mehrere Jahre lang durchgeführt hatte. Er war dabei auf starken Widerstand von Seiten der Offiziere gestoßen, und auch die Rüstungsindustrie opponierte gegen Serdjukow, weil dieser vorwiegend Waffen aus dem Westen importieren ließ, um die Streitkräfte zu modernisieren. Die gegenwärtige Neuaufrüstung soll hingegen vor allem von der russischen Rüstungsindustrie getragen werden.
Der Vize-Premierminister Dmitri Rogosin erklärte im Februar, das Waffenprogramm solle mit einer Expansion der Rüstungsindustrie und dem Bau neuer Waffenfabriken verbunden werden und so helfen, die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von Öl- und Gasexporten zu überwinden.
Russland, nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant der Welt, hat seine Waffenexporte im letzten Jahr bedeutend gesteigert. Der weitaus wichtigste Importeur russischer Waffen ist Indien, aber der Kreml liefert auch an das Assad-Regime, den Iran, Irak und Afghanistan. Wie der Chef der staatlichen Waffenunternehmens Rosoboronexport, Anatoli Isaikin, im Februar erklärte, liefert Russland Flugabwehrsysteme sowie Militärausstattung nach Syrien. Anders als westliche Medien berichteten, verkaufe Russland jedoch keine Kampfflugzeuge an die syrische Regierung.
Die Aufrüstung des Militärs ist unmittelbar mit sozialen Angriffen auf die Arbeiterklasse und einer Stärkung des repressiven Staatsapparats im Inneren verbunden. Im Haushalt für 2013-2015, der drakonische Kürzungen im Bildungs- und Gesundheitsbereich vorsieht, machen die Militärausgaben rund ein Drittel der gesamten Staatsausgaben aus. Der Anteil der Ausgaben für die Militär- und Staatsaufrüstung steigt dabei von 5,6 auf 6,1 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts.
Präsident Putin erklärte im vergangenen Jahr Stalins Industrialisierungspolitik der 1930er und 40er Jahre zum Vorbild seiner Politik. Durch eine „Re-Industrialisierung“ der Wirtschaft soll die Abhängigkeit von Rohstoffexporten durch eine verstärkte Ausbeutung der Arbeiterklasse vermindert werden. Schon jetzt verdienen viele Arbeiter in Russland weniger als in China.