Der Bürgerkrieg in Syrien destabilisiert zunehmend den Kaukasus. Tschetschenische Islamisten, die gegen den Kreml kämpfen, unterstützen die syrische islamistische Opposition, und Russland fürchtet, dass ein islamistisches Regime in Damaskus das gesamte Kräfteverhältnis in der Region verändern wird. Gleichzeitig drohen ethnische Konflikte von Syrien auch auf die südlichen und nördlichen Gebiete des Kaukasus überzugreifen.
Seit Mitte letzten Jahres ist bekannt, dass sich unter den syrischen Oppositionellen auch tschetschenische Islamisten befinden, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion um nationale Unabhängigkeit von der Russischen Föderation kämpfen. Ihre Zahl beläuft sich auf bis zu 6.000. Im August starb bei einem Luftangriff auf Aleppo Rustam Gelajew, der Sohn eines bekannten tschetschenischen Warlords, der jahrelang gegen die russische Armee gekämpft hatte.
Russland hat seit 1991 zwei Kriege in Tschetschenien gegen islamistische Separatisten geführt. Der zweite Krieg ging offiziell 2009 zu Ende, doch die Lage blieb seitdem angespannt. Im vergangenen Jahr verschärfte sich die Situation deutlich. In Tschetschenien und den angrenzenden Republiken Dagestan und Inguschetien kam es zu zahlreichen Terroranschlägen, und seit Oktober setzt der Kreml erstmals seit Ende des Zweiten Krieges wieder die Armee in der Region ein.
Die russische liberale Zeitung Nezasivimaya Gazeta kommentierte damals, in Tschetschenien herrsche faktisch Bürgerkrieg und der Einmarsch der Armee bedeute den Beginn des dritten Tschetschenienkrieges. Die tiefe soziale und wirtschaftliche Krise – die Arbeitslosigkeit liegt über 50 Prozent und die Infrastruktur ist praktisch zerstört – und die Empörung über die Kriegsverbrechen der russischen Armee verschaffen den Islamisten weiterhin Zulauf. Von den 1 Million Einwohnern der Bergrepublik sind seit Anfang der 1990er Jahre mindestens 125.000 im Krieg umgekommen.
Der Kreml fürchtet nicht ohne Grund, dass eine islamistische Regierung in Syrien islamistische Tendenzen und die Stellung des US-Imperialismus im Kaukasus stärken und finanzielle und militärische Hilfe für islamistische Aufständische bereitstellen könnte.
Die Flüchtlingsströme aus Syrien, wo auch viele kaukasische Völker leben, drohen außerdem die ethnischen Spannungen in der Region zu stärken. Die islamistische Opposition stützt sich vor allem auf Sunniten und verübt regelmäßig Massaker an ethnischen und religiösen Minderheiten, die in Syrien leben. Insgesamt sind im vergangenen Jahr mindestens 700.000 Menschen aus Syrien geflohen.
Zu den verschiedenen kaukasischen Völkern in Syrien gehören 100.000 Tscherkessen, die durch den Bürgerkrieg bedroht werden. Die Tscherkessen waren in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert aus dem Nordkaukasus geflohen, als er von der zaristischen Armee blutig erobert wurde. Vertreter der Tscherkessen bitten die russische Regierung bereits seit Ende 2011 um Hilfe bei der Auswanderung nach Russland. Bis jetzt hat der Kreml jedoch nur 500 Menschen nach Russland einwandern lassen. Die Tscherkessen sind ebenfalls muslimischen Glaubens, und die Moskauer Regierung fürchtet, eine Ansiedelung der Tscherkessen könnte islamistische Tendenzen in Tschetschenien stärken.
Auch für die Diaspora aus dem südkaukasischen Armenien war Syrien neben dem Iran ein wichtiger Zufluchtsort. Die armenische Diaspora in Syrien umfasst rund 80.000 Menschen. Sie geht vor allem auf den Völkermord an den Armeniern durch das Osmanische Reich während des Ersten Weltkriegs zurück. Im vergangenen Jahr sind rund 6.000 armenisch-stämmige Syrier nach Armenien geflohen, viele mehr bemühen sich um eine Aufenthaltserlaubnis.
Die Armenier, die größtenteils christlichen Glaubens sind, galten wie viele ethnische Minderheiten als Assad-treu. Im Bürgerkrieg haben sie zwar offiziell ihre Neutralität erklärt, sind jedoch Berichten zufolge von beiden Seiten unter Beschuss gekommen. Die so genannten Rebellen haben zahlreiche Kirchen, Schulen und Wohnhäuser in armenischen Vierteln angezündet und mehrere Menschen ermordet.
In Armenien, das schwer von der Weltwirtschaftskrise getroffen wurde und eine offizielle Arbeitslosenrate von 40 Prozent ausweist, leben viele Flüchtlinge in Armut und können keine Arbeit finden. In der armenischen Hauptstadt Jerewan sind die Mietpreise wegen der vielen Flüchtlinge bereits in die Höhe geschnellt.
Die Eskalation der imperialistischen Kriege im Nahen Osten verschärft die nationalen Konflikte im Kaukasus. Laut iranischen Medien hat Aserbaidschan bei der Ausrüstung der syrischen Opposition geholfen. Teheran warf Aserbaidschan Ende August letzten Jahres vor, es habe den syrischen Rebellen über die Türkei insgeheim 500,000 US-Dollar zur Verfügung gestellt.
Die Beziehungen zwischen dem Iran und Aserbaidschan haben sich im letzten Jahr zusehends verschlechtert (Siehe: Wachsende Spannungen zwischen dem Iran und Aserbaidschan). Die Regierung in Baku ist stark in die Kriegsvorbereitungen der USA und Israels gegen den Iran involviert. Die amerikanische Zeitung Washington Post bezeichnete Aserbaidschan aus diesem Grund als „Anti-Iran“.
Aserbaidschan unterhält enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Israel, das der zweitgrößte Importeur von aserbaidschanischem Öl und Gas ist. Das Regime in Baku rüstet zudem mit Unterstützung der USA und Israels seit Jahren systematisch militärisch auf.
Laut dem amerikanischen Magazin Foreign Policy hat die Regierung in Baku Israel den Zugang zu mehreren Luftwaffenbasen an der Grenze zum Nord-Iran gestattet, die für einen Luftangriff auf Teheran genutzt werden könnten. Aserbaidschan und Israel hatten 2011 auch einen Waffendeal über 1,6 Mrd. US-Dollar abgeschlossen. Für das Geld sollte Aserbaidschan mit seegestützten Raketensystemen und Drohnen ausgestattet werden.
Die britische Sunday Times schrieb im Dezember, Israel plane den „Präventiv“-Einsatz von bewaffneten Drohnen, die in Aserbaidschan stationiert sind, gegen den Iran. Sowohl Aserbaidschan als auch Israel ließen diese Meldung jedoch offiziell dementieren.
Dennoch ist eindeutig, dass Aserbaidschan für Washington und Tel Aviv ein wichtiger Faktor in einem Krieg gegen den Iran sein würde. Dies liegt nicht nur an der strategisch bedeutenden geographischen Lage Aserbaidschans, das am energiereichen kaukasischen Meer liegt und an den Nord-Iran angrenzt. Ein bedeutender Aspekt ist auch, dass im Norden Irans rund 20 Millionen Menschen mit aserbaidschanischen Wurzeln leben. Aserbaidschan selbst hat nur 8 Millionen Einwohner.
Die territorialen Konflikte zwischen Aserbaidschan und dem Iran sind mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Aserbaidschans vor zwanzig Jahren wieder aufgeflammt. Der US-Imperialismus nutzt diese ethnischen und lokalen Spannungen gezielt für seine geostrategischen Interessen. Als Teil der Kriegsstrategie gegen den Iran wird in Washington auch die Abspaltung des nördlichen Irans diskutiert.
Der republikanische US-Kongressabgeordnete Dan Rohrabacher schickte im Sommer einen Brief an die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton. Er forderte, den Kampf „um die Unabhängigkeit Süd-Aserbaidschans vom Iran und die Möglichkeit einer Vereinigung mit der aserbaidschanischen Republik“ zu unterstützen. Der amerikanische Botschafter in Aserbaidschan beeilte sich daraufhin festzustellen, dass es sich dabei lediglich um die persönliche Meinung von Rohrabacher handle.
Das aserbaidschanische Parlament bespricht seit über einem Jahr die Umbenennung der Republik in „Nord-Aserbaidschan“ – eine eindeutige Provokation gegenüber dem Iran.
Beim Anheizen des syrischen Bürgerkriegs und den Kriegsvorbereitungen gegen den Iran spielen die Imperialisten sehr bewusst mit dem Feuer. Der Syrien-Konflikt und ein Krieg gegen den Iran würden den gesamten Mittleren Osten, den Kaukasus und Zentralasien entflammen. Ziel beider Kriege ist es, die gesamte Region zu destabilisieren und ethnische Konflikte zu schüren, um die Position Chinas und Russlands zu schwächen und den Boden für eine Neuaufteilung der rohstoffreichen Gebiete unter den imperialistischen Mächten zu bereiten.