“Ein Jahrzehnt von Kriegen geht jetzt zu Ende”, erklärte Präsident Barack Obama den Amerikanern in seiner zweiten Amtseinführungsrede vor kaum zwei Wochen in Washington.
Am Samstag rückte Vizepräsident Joseph Biden die Dinge auf der alljährlichen Münchener Sicherheitskonferenz zurecht: Der amerikanische Militarismus lässt nach zehn Jahren nicht nach, sondern schickt sich an, in verschiedenen Gegenden der Welt neue Schlachten zu schlagen und das Leben von Millionen Menschen zu bedrohen.
Die Münchener Sicherheitskonferenz findet seit 1962 statt. Sie wird von Regierungschefs, Außenministern, hohen Militärs und Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes besucht und traditionell dafür genutzt, Ansichten über die transatlantischen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und ihren westeuropäischen Verbündeten auszutauschen.
Dieses Jahr war die Konferenz allerdings von einer spürbar veränderten Atmosphäre geprägt. Unverhüllter Imperialismus und Neokolonialismus lagen in der Luft. Sowohl Washington wie auch die Mächte des „alten Europa“ erschienen wie im Rausch angesichts der Aussicht auf den Einsatz militärischer Gewalt zum Ausgleich ihres wirtschaftlichen Niedergangs und zur Eroberung geostrategisch wichtiger Gebiete, Rohstoffe und Märkte.
Der französische Präsident Francois Hollande war verhindert, weil er nach einer Offensive französischer Kampfflugzeuge und Fremdenlegionäre, die die ehemalige französische Kolonie erobert haben, die Siegesparade abnehmen musste. Er machte deutlich, dass er nicht beabsichtige, die französischen Truppen abzuziehen.
In München gab Bidens Rede den martialischen Ton für die Sicherheitskonferenz vor. Er machte Schluss mit dem Gerede über das Ende der weltweiten Serie von Kriegen und stellte klar, dass der amerikanische Imperialismus sich überall auf der Welt auf neue Schlachten vorbereitet.
Zu Beginn seiner ausschweifenden Ausführungen gab er eine bezeichnende Erklärung ab, als er eine Verbindung zwischen den weitgehenden Kürzungsmaßnahmen, die die Regierung Obama und der Kongress planen, und der explosiven Zunahme des Militarismus im Ausland herstellte. Er sprach über „schwierige, aber wichtige Schritte“ die die US-Regierung „nach der tiefsten Wirtschaftskrise seit der großen Depression“ ergreife. Biden erklärte, dass die Flut sozialpolitischer Kürzungen notwendig sei, um Washington in die Lage zu versetzen, „unseren strategischen Verpflichtungen gegenüber dem Rest der Welt“ gerecht werden zu können. Mit anderen Worten: Die gewaltigen Kosten des amerikanischen Militarismus werden direkt der Arbeiterklasse aufgebürdet.
Biden deutete auf den neuen Fokus des amerikanischen und westeuropäischen Imperialismus hin - Nordafrika. Dort, behauptete er, „versuchen Extremisten Bedingungen auszunutzen“, die der Imperialismus selbst geschaffen hat: den Zusammenbruch einer Regierung, Massenarmut und Arbeitslosigkeit und leichten Zugang zu großen Waffenvorräten, die nach dem Krieg der USA und der Nato für den Regimewechsel in Libyen übriggeblieben sind.
Diese unterstellte Bedrohung “westlicher Interessen”, sagte er, “wird eine abgestimmte Reaktion erfordern, und zwar unter Einsatz aller uns zur Verfügung stehenden Mittel, inklusive unseres Militärs“.
Biden erklärte, Washington stehe in Mali an der Seite Frankreichs, und fügte hinzu: „Der Kampf gegen AQIM (Al-Qiada des Islamischen Maghreb, mit der die USA und die Nato im Kampf gegen Gaddafi direkt verbündet waren) mag zwar weit von den Grenzen der USA entfernt stattfinden, aber er ist im tieferen amerikanischen Interesse.“ Eine unverschleierte Übersetzung dieses rhetorischen Glanzstücks würde etwa so lauten: Frankreich mag zuerst zugeschlagen haben, aber Washington und das AFRICOM des Pentagon werden nicht zulassen, dass sie bei dem neuen Wettrennen um Afrika und seine reichen Energie- und Rohstoffvorkommen ins Hintertreffen geraten.
Biden drohte Russland und China unverhohlen und warnte Moskau, dass Washington keine „Einflusssphären“ in den ehemaligen Sowjetrepubliken respektieren werde. Peking solle besser gar nicht erst versuchen, „sich ein militärisches Wettrennen mit den Vereinigten Staaten zu liefern“.
Die Medienberichterstattung über die Konferenz konzentrierte sich zwar überwiegend auf Bidens Bemerkung, die USA seien „zu bilateralen Treffen mit der iranischen Führung bereit“, aber der Vizepräsident erstickte gleich Spekulationen, dass damit eine vernünftigere Haltung Washingtons signalisiert werde. Er sagte der Süddeutschen Zeitung, das Fenster für Diplomatie „bleibt nicht für immer offen“. Die Alternative war unüberhörbar - Krieg.
Biden bauschte das iranische Atomprogramm zu einer „Bedrohung der Sicherheit der Vereinigten Staaten“ auf und warnte, die USA „werden den Iran daran hindern, Atomwaffen zu bekommen“. Er knüpfte an den Vorwand an, unter dem der Irakkrieg vor zehn Jahren vom Zaun gebrochen wurde und erklärte, es liege an Teheran, zu beweisen, dass das Land keine Atomwaffen entwickle.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Im November 1991 berief das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) als Reaktion auf den ersten Golfkrieg eine Internationale Arbeiterkonferenz gegen imperialistische Kriege und Kolonialismus ein. In dem Aufruf zur Konferenz erklärte das IKVI, dass dieser Krieg den „Auftakt zu einem erneuten Ausbruch imperialistischer Barbarei“ markiere und dass „alle großen historischen und politischen Aufgaben, mit denen die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts konfrontiert waren, (…) sich jetzt in ganz unmittelbarer Form (stellen).“
In dem Aufruf hieß es, dass die von George Bush senior auf der Grundlage des Zusammenbruchs der Sowjetunion verkündete “neue Weltordnung” aus „Krieg, kolonialer Versklavung und Massenarmut“ bestehen werde, die nur durch die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms beantwortet werden könne.
In dem Aufruf wurde davor gewarnt, dass der erste Irakkrieg der „Beginn einer Neuaufteilung der Welt durch die Imperialisten“ sei. Und weiter: „Die Kolonien von gestern sollen erneut unterworfen werden. Eroberungen und Annexionen, die laut den Apologeten des Imperialismus einer längst vergangenen Ära angehörten, stehen wieder auf der Tagesordnung.“
Diese Perspektive stand in völligem Gegensatz zu den Behauptungen bürgerlicher Ideologen, die Menschheit habe „mit dem Scheitern des Sozialismus“ „das Ende der Geschichte” erreicht und der Kapitalismus und die Marktwirtschaft hätten sich als Höhepunkt der menschlichen Entwicklung erwiesen. Sie stand auch in direktem Gegensatz zu den demoralisierten kleinbürgerlichen Pseudolinken, die die Abdankung der stalinistischen Bürokratie beklagten, auf die sie sich gestützt hatten, und vom „Midnight in the Century” (Victor Serge) sprachen.
Zwei Jahrzehnte später ist die Prognose des IKVI von großen Ereignissen voll bestätigt worden. Wie vor 1914 und 1939 ist die Vergewaltigung kleiner, wehrloser Länder mit der unlösbaren Krise des Weltkapitalismus und zunehmenden Spannungen und Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten begleitet, die den Weg zu einem Weltkrieg pflastern.
Nur der vereinte Kampf der Weltarbeiterklasse für die Abschaffung des Kapitalismus und seiner veralteten Aufspaltung des Planeten in konkurrierende Nationalstaaten kann einen neuen globalen Zusammenstoß verhindern. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale ist die einzige Bewegung, die für diese Perspektive kämpft.