Die regierende Sozialistische Partei (Parti socialiste – PS) in Frankreich sprach Drohungen aus, die französischen Romalagerplätze gewaltsam abzureißen und kündigte an, die Roma in „Integrationsdörfer“ zwangsumzusiedeln. Damit verstärkt sie die Ängste der Roma vor ihrer Ausweisung.
Der sozialistische Innenminister Manuel Valls führt die Kampagne zur Schließung der Romalager an. Am 31. Juli sagte er auf Europe1: „Die Präfekten haben die Aufgabe, die Romalager zu schließen, wenn ein Gerichtsbeschluss vorliegt. Die Sache ist einfach. Ja, sobald ein Gerichtsurteil vorliegt, werden die Lager geschlossen.“
Neben den Vorbereitungsmaßnahmen zur Ausweisung der Roma werden auch Pläne erwogen, sie in sogenannten “Integrierungsdörfern” anzusiedeln. Dort würden die Roma in allerdürftigsten Fertigbauhäusern untergebracht und unter Beobachtung von Vertretern des Staates und Sicherheitskräften stehen.
Laut Le Monde bestehen bereits fünf solcher Dörfer und drei weitere werden in Lille gebaut, der Heimatstadt von Martine Aubry, der Parteivorsitzenden der Sozialistischen Partei und Bürgermeisterin der Stadt. Unter dem Mantel sozialer Fürsorge für die Roma wird ihre Ghettoisierung vorbereitet. Darin besteht der Zweck solcher “villages d’insertion.”
Valls Kampagne gegen die Roma ist ein deutlicher Ausdruck des reaktionären Charakters der PS-Regierung, welche die Hetzjagd auf die Roma und andere Einwanderer fortsetzt, die von der vorherigen Regierung des konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy begonnen worden ist.
Präsident Nicolas Sarkozy forderte in seiner Rede vom 30. Juli 2010 in Grenoble den Abriss der Romalager in Frankreich, die Strafverfolgung der Familien und den Entzug der französischen Staatsbürgerschaft für die Einwanderer. Nach seiner Rede deportierte Sarkozys Regierung über 10.000 Roma nach Rumänien und Bulgarien. Geschätzte 15.000 Roma leben an den Rändern der Großstädte in ganz Frankeich in improvisierten Barackensiedlungen.
Die Pläne der PS gegen die Roma enthüllen den blanken Zynismus der milden Kritik, die sie an Sarkozys romafeindlicher Politik während des Präsidentschaftswahlkampfs 2012 geübt hatte.
Während des Präsidentschaftswahlkampfs im März erzählte Präsident François Hollande einwandererfreundlichen Organisationen: „Wenn gesundheitsbedrohende Lager geschlossen werden, müssen Alternativlösungen vorgeschlagen werden. Wir können nicht weiterhin akzeptieren, dass Familien von ihren Wohnplätzen entfernt werden, ohne dass Lösungen vorliegen.“
Nachdem sie an die Macht kam, will die Hollanderegierung indessen nichts mehr von ihrer Kritik an Sarkozy wissen und beeilt sich, die Roma ins Visier zu nehmen.
Sie akzeptiert selbst die bescheidene Kritik nicht mehr, welche die Medien seinerzeit an Sarokozys Politik geübt hatten. Vall stellte fest, er wolle „an das Thema mit Abgeklärtheit herantreten. Das ist nicht leicht. Solange diese Debatte in der Öffentlichkeit auf dieselbe Weise geführt wird, wie vor zwei Jahren, ist es unmöglich.“
Valls Bemerkungen haben die volle Unterstützung des gesamten politischen Establishments erfahren. Eric Ciotti, ein Abgeordneter der oppositionellen konservativen UMP (Union für eine Volksbewegung) äußerte über Valls: „Wenn er ihn durchführt [den Abriss der Romalager], dann werde ich ihn unterstützen.“
Ein Sprecher von Premierminister Jean-Marc Ayrault lobte Valls Position: „Das ist eine Haltung, die Festigkeit mit Würde vereint und dabei republikanische Werte respektiert.“
Im Anschluss an Sarkozys Grenoble-Rede übten einige Politiker und Medienkommentatoren Kritik an ihm, indem sie seine rassistischen Angriffe auf die Roma als antidemokratisch bezeichneten. Sarkozys Maßnahmen wurden weithin mit den Verfolgungen ethnischer Minderheiten – darunter der Roma – verglichen, die das mit den Nazis kollaborierende Vichy-Regime während des Zweiten Weltkriegs betrieb. (vgl. „Zurück zu Vichy“)
Jetzt, wo die PS eine ähnliche romafeindliche Politik vorschlägt, regt sich kein Widerstand im politischen Establishment. Kleinbürgerliche Parteien wie die Neue Antikapitalistische Partei (NPA), die Hollandes Wahl betrieben haben, hüllen sich in Schweigen über Valls Romahetze.
In den letzten Jahren goss die französische herrschende Klasse systematisch eine Brühe einwandererfeindlicher Vorurteile aus und trampelte auf demokratischen Grundrechten herum, um die Arbeiterklasse zu spalten. Gleichzeitig setzte sie Kürzungen und zutiefst unpopuläre Kriege im Ausland durch.
Im Jahr 2004 setzte der damalige konservative Präsident Jacques Chirac ein Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen durch, um antimuslimische Stimmungen zu schüren. Sein Nachfolger Sarkozy fuhr mit dieser antimuslimischen und einwandererfeindlichen Politik fort. Auffallend war das von ihm betriebene verfassungsfeindliche Burkaverbot in der Öffentlichkeit. Damit haschte er um Wirkung auf die Wähler der neofaschistischen Nationalen Front (NF), während er gleichzeitig tiefgehende soziale Einschnitte betrieb.
Hollande, der bereits deutlich gemacht hat, dass er von Sarkozys reaktionären Maßnahmen nicht abrücken wird, ist dabei, mit denselben reaktionären Methoden eine vom Rassismus geprägte Atmosphäre in Frankreich zu schüren.
Nachdem die PS erst vor weniger als drei Monaten an die Macht gekommen war, stürzt ihre Popularität bergab. Im Namen der französischen Wettbewerbsfähigkeit schlägt die Hollande-Regierung tiefgreifende Angriffe auf die Arbeiterklasse vor: darunter massive Kürzungen bei Sozialausgaben, eine Reihe von Entlassungen in zahlreichen Industriezweigen sowie Lohnkürzungen und andere Arbeitsmarktreformen.
Die Hollande-Regierung stellt sich hinter die Ankündigung des Autobauers PSA Peugeot Citroën, die Fabrik in Aulnay bei Paris zu schließen und 8.000 Arbeitsstellen in ganz Frankreich zu vernichten.
Weil Arbeitslosigkeit und soziale Ungleichheit sich vertiefen, antizipiert die PS erbitterte Kämpfe der arbeitenden Klasse. Die Hetzjagd auf die Roma ist Teil einer weiterreichenden Kampagne, um die öffentliche Opposition gegen die Unterstützung imperialistischer Kriege und gegen die Sparmaßnahmen der PS zu spalten. Der Widerstand innerhalb der Arbeiterklasse soll durch Anstachelung zu Hass gegen Einwanderer gestoppt werden.