Die Stadt Frankfurt am Main hat ein vollständiges Verbot gegen die Blockupy-Proteste verhängt, die von Mittwoch bis Samstag dieser Woche geplant sind. Dies stellt einen beispiellosen Angriff auf demokratische Grundrechte dar.
Das Bündnis „Blockupy“, eine Wortschöpfung aus der Occupy-Bewegung und den geplanten Blockaden in Frankfurt, besteht aus zahlreichen Organisationen. Federführend sind die Linkspartei und attac, doch auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Grüne Jugend, die Antifa, Occupy Frankfurt und zahlreiche weitere Bündnisse haben sich angeschlossen.
Blockupy hatte zu zahlreichen Veranstaltungen aufgerufen. Am Mittwochabend sollte ein musikalischer „Rave against the system“ stattfinden, am Donnerstag sollte das Frankfurter Bankenviertel besetzt und am Freitag dann blockiert werden. Dazu waren im Umfeld weitere kleinere Veranstaltungen wie Diskussionsforen geplant. Eine internationale Demonstration am Samstag, zu der die Organisatoren mehrere zehntausend Menschen erwarten, sollte den Höhepunkt der Proteste bilden.
Sämtliche Veranstaltungen hat die Stadt Frankfurt in der vergangenen Woche kategorisch untersagt. Zunächst war die Demonstration am Samstag noch davon ausgenommen, doch dann erklärte Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) auch sie für verboten.
Frank begründete das Verbot damit, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung gestört und gefährdet würden. Dabei erhielt er sogleich Rückendeckung aus der Landesregierung. Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) erklärte, es sei eine „Gewaltorgie linker Straftäter“ zu erwarten. Dabei berief er sich auf eine Demonstration Ende März, bei der von den Tausenden Teilnehmern einige randaliert hatten: „Die Klientel kommt wieder, die am 31. März da war.“
Damit diese „Klientel“ gar nicht erst auftaucht, hat die Stadt Frankfurt bereits über 400 Stadtverbote gegen Personen ausgesprochen, deren Personalien bei der besagten Demonstration aufgenommen worden waren. Ihnen ist es unter Strafandrohung verboten, von Mittwochmorgen bis Sonntagabend die Frankfurter Innenstadt zu betreten. Ob die Betroffenen sich in irgendeiner Weise ungesetzlich verhalten haben, ist dabei unerheblich, weil bisher ungeklärt.
Auch das Occupy-Camp, das sich bis heute vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank befindet, soll nach Anordnung der Stadt am Mittwochmorgen geräumt werden. Bisher wurde es geduldet, doch offenbar nutzt die Stadt den Vorwand möglicher Ausschreitungen, um es unter Polizeieinsatz räumen zu lassen.
Auch die öffentliche Infrastruktur ist von den Beschlüssen der Stadt betroffen. Der S-Bahnhof Taunusanlage sowie der U-Bahnhof Willy-Brandt-Platz sind geschlossen worden. Zwei Straßenbahnlinien werden umgeleitet, drei weitere Bahnhöfe sollen „bei Bedarf“ spontan geschlossen werden können. Begründet wurden auch diese Maßnahmen mit befürchteten Ausschreitungen.
Inzwischen hat das Verwaltungsgericht Frankfurt den Großteil der Verbote bestätigt. Nach seiner Entscheidung vom Montagabend dürfen einzig der „Rave“ am Mittwoch sowie die Demonstration am Samstag stattfinden. Doch auch daran hat das Gericht strengste Auflagen geknüpft. Das Verbot gegen die Demonstration kann umgehend wieder in Kraft gesetzt werden, sollte es am Donnerstag oder Freitag zu irgendwelchen Blockaden oder Besetzungen kommen. Blockupy will nun vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel gegen die Verbote klagen.
Das von der Stadt mit Unterstützung der Landesregierung ausgesprochene Verbot sämtlicher Veranstaltungen stellt einen bisher ungekannten Eingriff in grundlegende demokratische Rechte dar. Es muss im Zusammenhang mit der weltweiten Krise des Kapitalismus und dem zunehmenden Widerstand gegen die Diktatur der Finanzmärkte gesehen werden, gegen die sich überall auf der Welt Widerstand regt.
Auch in Spanien hat die Polizei am vergangenen Samstag zahlreiche Demonstrationen aufgelöst. Dort waren zum Jahrestag der ersten „Empörten“-Proteste in mehreren Städten Zehntausende gegen die Spar- und Finanzpolitik der Regierung auf die Straße gegangen. Die Polizei löste sämtliche Kundgebungen auf, aus Angst, es könnten wieder Zeltstädte entstehen wie vor einem Jahr.
Auch in zahlreichen anderen Ländern haben Millionen von Menschen gegen die Sparprogramme von EU, IWF und ihrer jeweiligen Regierung demonstriert. Die Occupy-Bewegung hat – trotz ihrer politischen Beschränktheit – in vielen Ländern Zuspruch erhalten, weil sie dem Protest gegen die Banken ein Forum geboten und ihn auf die Straße getragen hat.
Deutschland blieb bisher von solchen Protesten weitgehend verschont. Doch auch hier sind Millionen von Menschen von Arbeitslosigkeit, Armut, Hungerlöhnen und Perspektivlosigkeit betroffen. Die Herrschenden fürchten, dass sich der Zorn und die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen in einer Weise Bahn brechen, die weder durch die Gewerkschaften noch durch Polizei und Sicherheitsorgane zu kontrollieren wäre.
Bezeichnend ist die Reaktion von SPD und Grünen auf die Verbote in Frankfurt. Die Grünen bilden gemeinsam mit der CDU eine Koalition im Frankfurter Stadtrat. Sie bekennen sich in Worten zum Demonstrationsrecht, doch das stellt sich bei genauem Hinsehen als pure Heuchelei dar.
Grünen-Fraktionschef Manuel Stock nannte die Entscheidung für die Verbote „unglücklich und bedauerlich“. Die Fraktion fühlte sich offenbar übergangen, da der Verbotsbeschluss den Grünen nicht vorab von der CDU mitgeteilt worden war.
Die beiden Vorstandssprecher der Grünen, Martina Feldmayer und Omid Nouripour, forderten erneute Verhandlungen zwischen Blockupy und der Stadt – in dem Bewusstsein, dass die Stadt sich ohnehin auf keinen Kompromiss einlässt. Geradezu provokant war der einzige Vorschlag der Stadt, man könne die Demonstration gegen die Banken ja auch im Stadtwald abhalten.
Die SPD erklärte in einer Pressemitteilung, das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit stelle „ein unverzichtbares Gut unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ dar. Diese Unverzichtbarkeit schließe für sie auch den Gewaltverzicht seitens der Veranstalter mit ein – eine Äußerung, mit der sich bei Bedarf eben jede Demonstration kriminalisieren und verbieten lässt.
Wie ernst es der SPD nach eigenem Bekunden um die Interessen der demonstrierenden Bevölkerung ist, zeigt sich im weiteren Wortlaut: „Die SPD teilt die Sorge, dass die Krisenbewältigung zu Lasten der Schwächsten in der Gesellschaft geht. Sie lehnt Sozialdumping ab und fordert, dass gerade die starken Schultern einen angemessenen Anteil an der Krisenbewältigung tragen.“
Angesichts der Steuersenkungen für Spitzenverdiener, der Hartz-Gesetze und der Agenda 2010, die SPD und Grüne unter der Regierung Schröder in gemeinsamer Verantwortung durchgesetzt haben, sind diese Zeilen schlichtweg zynisch.
SPD und Grüne bestehen auch jetzt auf der Einhaltung der Schuldenbremse und auf weiteren Sparmaßnahmen in Deutschland und ganz Europa. Diese Angriffe auf breite Bevölkerungsschichten lassen sich nicht mit demokratischen Methoden durchsetzen. Die Abwälzung der Krise auf die Arbeiterklasse und der Abbau demokratischer Rechte sind zwei Seiten derselben Medaille.
Ihre eigenen Privilegien lässt die herrschende Klasse unangetastet. Dies erklärt auch die geradezu hysterische Reaktion auf die von Blockupy geplante zweitägige Besetzung des Frankfurter Bankenviertels. Ein Leser der Frankfurter Rundschau formulierte dies treffend in einem Online-Kommentar: „Wenn Kapitalisten die Menschen ausrauben, nennt man das ,Geschäft‘! Wenn Menschen sich dagegen wehren, nennt man das ,Gewalt‘!“