Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF), die die Vorfeldbeschäftigten am Frankfurter Flughafen vertritt, weitet den Streik aus. Für Mittwoch rief sie die Lotsen der Deutschen Flugsicherung am Tower zu einem mehrstündigen Solidaritätsstreik auf.
Die Fraport-Geschäftsführung reagierte sofort und drohte mit einer Klage. Obwohl die GdF nur zwölf Fluglotsen im Tower und nur für sechs Stunden (von 5.00 bis 11.00 Uhr) zum Solidaritätsstreik aufrief, bezeichnete die Unternehmensleitung dies als rechtswidrig.
Die Ausweitung der Arbeitsniederlegung führe zu massiven Beeinträchtigungen des Flugverkehrs weltweit und sei unverhältnismäßig, sagte ein Sprecher des Flughafenbetreibers. „Die GdF-Führung will hier einen Flächenbrand entfachen, der in keiner Weise gerechtfertigt ist“, erklärte Fraport-Arbeitsdirektor Herbert Mai.
Vorausgegangen waren mehrere Streiktage der 200 Vorfeldlotsen für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Mitte vergangener Woche nahm die Gewerkschaft ein Gesprächsangebot an, nachdem Fraport ein neues Angebot angekündigt hatte. Doch bereits nach wenigen Verhandlungsstunden stellte sich heraus, dass es sich bei dem neuen Angebot um eine reine Provokation handelte.
„Die Fraport AG war nicht einmal bereit, ihr eigenes, vor der anschließenden Schlichtung letztmaliges Angebot an die GdF als Verhandlungsbasis erneut vorzulegen“, erklärte Matthias Maas als Sprecher der GdF. Im neuen Angebot sei der Bereich Vorfeldaufsicht überhaupt nicht mehr vorgekommen, obwohl dort etwa 100 Mitarbeiter eine sehr wichtige, anstrengende und verantwortungsvolle Tätigkeit ausübten.
Vor und nach der Landung sorgen die Vorfeldlotsen, die Vorfeldaufsicht und die Disponenten dafür, dass sich die Flugzeuge sicher am Boden fortbewegen. So übernehmen die Vorfeldlotsen etwa nach der Landung von den Fluglotsen im Tower die Flugzeuge. Von zwei kleineren Türmen aus leiten sie die Jets zu ihren Abstellplätzen. Dabei hilft die Vorfeldaufsicht, die in gelben Autos mit einer „Follow Me“-Anzeige vor den Maschinen herfährt.
Dass es sich bei dem jüngsten Angebot von Fraport um eine gezielte Provokation handelte, machen auch Medienberichte deutlich. Unter der Überschrift „Tarifkampf brutal“ schrieb die Süddeutsche Zeitung zum Wochenanfang, niemand solle glauben, das Unternehmen habe sich am Wochenende ernsthaft mit der Gewerkschaft einigen wollen. „Wer in der entscheidenden Verhandlungsrunde ein Angebot vorlegt, das schlechter ist als ein früheres – der hat keine Verständigung im Sinn, sondern der spekuliert ganz offensichtlich auf Eskalation.“
Ziel dieser Eskalation ist nichts Geringeres, als die Zerschlagung der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Vor anderthalb Jahren hatte das Bundesarbeitsgericht kleineren Gewerkschaften und Berufsverbänden wie dem Ärzteverband Marburger Bund, der Pilotenvereinigung Cockpit, der Lokführergewerkschaft GdL oder der Fluglotsengewerkschaft GdF die Existenzberechtigung zugesichert und einen größeren Aktionsradius eingeräumt.
Seitdem suchen die DGB-Gewerkschaften gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden nach einer Gelegenheit, diese Entscheidung rückgängig zu machen, um den Alleinvertretungsanspruch der DGB-Gewerkschaften und damit deren Kontrolle über die Beschäftigten zu festigen. An Stelle von langwierigen juristischen Verfahren, deren Ergebnis unsicher ist, sollen die kleinen Berufsgewerkschaften kurzerhand zerschlagen werden.
Eine Schlüsselrolle dabei, die Fluglotsengewerkschaft in die Knie zu zwingen, spielt Herbert Mai. Er war jahrzehntelang Gewerkschaftsfunktionär der ÖTV (Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr – eine Vorläuferorganisation von Verdi) und von 1995 bis 2000 deren Vorsitzender. Danach wechselte er die Seite, wurde Vorstandsmitglied der Fraport AG und steckt als so genannter Arbeitsdirektor nun ein Millionengehalt ein, während er nach wie vor bei Verdi ein und aus geht.
Unter seiner Leitung hat sich Fraport intensiv auf den Streik vorbereitet. Techniker und andere Mitarbeiter, vorwiegend aus dem mittleren Management, wurden in Crash-Kursen als Vorfeldlotsen ausgebildet und werden nun als Streikbrecher eingesetzt.
Es vergeht kein Tag, ohne dass Mai und Verdi-Funktionäre die streikenden Lotsen übel beschimpfen. Verdi-Sekretär Gerold Schaub wirft der GdF vor, sie gefährde nachhaltig den Betriebsfrieden. Eine kleine Minderheit von 200 Leuten versuche sich „auf Kosten anderer zu bereichern“.
Die Betriebsratsvorsitzende Claudia Amier griff im Gespräch mit der Financial Times Deutschland wortgleich mit dem Arbeitgeber Fraport und Arbeitsdirektor Herbert Mai die Streikenden an. „Eine kleine Gruppe von Beschäftigten nutzt ihre Monopolstellung aus, um Entgelte zu erzielen, die weit über jedes Maß hinausgehen und völlig unverhältnismäßig sind“, erklärte sie.
Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Edgar Stejskal hetzte im Fernsehen gegen die Streikenden. Er warf ihnen vor, sich unsolidarisch mit den übrigen Fraport-Beschäftigten zu verhalten und vollständig unrealistische und überhöhte Lohnforderungen zu stellen, die auf Kosten der großen Mehrheit der Beschäftigten gingen.
In einem Flugblatt forderte der Betriebsrat die Geschäftsleitung auf, „den überzogenen Forderungen der GdF keinesfalls nachzugeben“. Verdi drohte, falls der Vorstand dem Druck der Streikenden nachgebe, werde sie selbst Streikmaßnahmen einleiten.
Mit anderen Worten: Verdi droht mit Streik, um Lohnerhöhungen zu verhindern!
Vor drei Jahren handelte Verdi eine Vereinbarung mit Fraport aus, die für die Beschäftigten Verschlechterungen im Umfang von 24 Millionen Euro bedeutete. Verdi will unter allen Umständen verhindern, dass die Vorfeldlotsen und ihre relativ kleine Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen durchsetzen. Denn dann kann Verdi sein Niedriglohndiktat kaum aufrecht erhalten.
Für ihre Streikbrecherrolle wird Verdi von Fraport gut bezahlt. Laut Geschäftsbericht 2010 erhielten die Verdi-Aufsichtsratsmitglieder in diesem Jahr zusammen 129.250 Euro. (Gerold Schaub, Landesfachbereichsleiter Verkehr Verdi Hessen, 31.450 Euro; Ismail Aydin, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender, 22.350 Euro; Erdal Kina, Betriebsratsmitglied, 22.350 Euro; Gabriele Rieken, Betriebsratsmitglied, 24.350 Euro; Edgar Stejskal, Konzern-Betriebsratsvorsitzender, 28.750 Euro.)
Verdi-Mitglieder sowie alle Beschäftigten am Frankfurter Flughafen und darüber hinaus müssen sich gegen den Streikbruch durch Verdi zur Wehr setzen und die streikenden Vorfeldlotsen unterstützen. Ihre Forderungen sind in vollem Umfang berechtigt. Die Unterstützung des Streiks muss zum Ausgangspunkt gemacht werden, um das Lohndiktat von Verdi zu durchbrechen und für alle Beschäftigten höhere Einkommen und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen.