USA erhöhen Druck auf Iran

Die US-Regierung kündigt neue, aggressive Schritte gegen den Iran an. Am 31. Dezember ist der Termin abgelaufen, den Präsident Obama der Teheraner Regierung für eine Verhandlungslösung über das Atomprogramm gesetzt hatte. US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte am Montag, "die Tür für den Dialog" sei immer noch offen. Sie warnte aber, dass die USA nicht "zuschauen werden", während der Iran "Schritte zum möglichen Bau von Atomwaffen" unternimmt.

Vorbereitungen für die Verhängung härterer Sanktionen gegen den Iran sind längst im Gange. Vertreter der so genannten P5+1 Staaten - die USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland - werden sich in den nächsten vierzehn Tagen treffen, um über Strafmaßnahmen gegen den Iran im UN-Sicherheitsrat zu diskutieren. China hat diese Woche weitere Sanktionen öffentlich ausgeschlossen, aber die USA und ihre Verbündeten wollen - mit oder ohne Zustimmung der UN - rasch handeln.

Die nächsten Schritte werden in einem Artikel in der New York Times vom Sonntag erläutert. Ungenannte Sprecher des Weißen Hauses erklärten, dass innenpolitische Unruhen und technische Schwierigkeiten mit der Urananreicherung die iranischen Führer "besonders empfindlich gegen starke, sofortige Sanktionen" machen könnten. Um die politischen Spannungen im Iran auszunutzen, will die Obama-Regierung die iranischen Revolutionsgarden ins Visier nehmen, die an der Unterdrückung regierungsfeindlicher Proteste beteiligt waren.

In einem Artikel vom 30. Dezember in der Washington Post hieß es, die Regierung habe "gegenüber dem Iran einen dramatisch schärferen Ton" angeschlagen, noch ehe neue Sanktionen angekündigt wurden. Die Maßnahmen würden wahrscheinlich mehr oder weniger gleichzeitig auf drei Wegen umgesetzt: im UN-Sicherheitsrat, gemeinsam mit den Verbündeten und einseitig durch die USA. Die UN würden erste Schritte vermutlich noch bis zum Februar aufschieben, wenn Frankreich China im Vorsitz des Sicherheitsrats ablöst. Frankreich unterstützt Strafmaßnahmen gegen den Iran.

Das bedrohlichste Anzeichen für eine bevorstehende Konfrontation ist die Verteufelung Teherans in den Medien. Die New York Times veröffentlichte am Mittwoch einen längeren Artikel, der angeblich enthüllte, dass der Iran "immer größere Teile seines Atomkomplexes in einem System aus Tunneln und Bunkern im ganzen Land verbirgt". Dieses Gerücht, das weltweit übernommen und weitergetragen wurde, handelte von einem "Labyrinth von Tunneln", wodurch Irans "berüchtigt undurchsichtiges Nuklearprogramm weiter verschleiert" würde. Dieser "Mantel der Unsichtbarkeit" sei für Teheran "eine Art unsichtbare Waffe".

Der Artikel war zwar lang, brachte jedoch erstaunlich wenige Fakten. Er wies erneut auf die unterirdische Urananreicherungsanlage nahe Ghom hin, die von Obama auf dem G-20-Gipfel im September "enthüllt" worden war. Der Iran hatte die Anlage schon vorher der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gemeldet. Die IAEA inspizierte die Anlage darauf und stellte fest, dass sie sich noch im Bau befand und noch keine technischen Einrichtungen installiert waren. Das hielt die Times nicht davon ab, atemlos die große Anzahl von Tunneln im Iran und die Tätigkeit ausländischer Firmen im Verkauf von Tunnelbaumaschinen zu berichten. Präsident Mahmoud Ahmadinedschad hege "großes Interesse an Tunneln" aufgrund seines Berufs als Verkehrswegeingenieurs. Nichts davon kann in einem gebirgigen Land wie dem Iran wirklich überraschen.

Der Artikel legte großes Gewicht auf neuere Behauptungen einer iranischen Exilgruppe, des National Council of Resistance of Iran (NCRI). Diese Gruppe behauptete, der Iran habe "mehrere Fabriken" in die Berge östlich von Teheran gegraben, die sich auf die "Herstellung von Atomsprengköpfen" spezialisiert hätten. In der Zeitung stand, der NCRI habe schon 2002 die Existenz der unterirdischen Anreicherungsanlage von Natanz bekannt gemacht. Die "Entdeckung" der Fabrik Nahe Ghom sei nun Beweis genug dafür, dass auch die anderen Behauptungen der Gruppe stimmten. Der frühere IAEA-Chef Mohamed ElBaradei hat dagegen ausgesagt, dass sich die meisten Anschuldigungen des NCRI als haltlos erwiesen hätten.

Die Art und Weise, wie die Propaganda des NCRI ungeprüft übernommen wird, erinnert stark an die Bush-Regierung, die angebliche "Erkenntnisse" irakischer Exilanten über so genannte Massenvernichtungswaffen in den Medien verbreiten ließ und diese nutzte, um die Invasion im Irak 2003 zu rechtfertigen. Der NCRI hängt mit den Volksmudschaheddin oder MEK zusammen, einer kleinbürgerlichen nationalistischen Gruppierung, die schon Terroranschläge im Iran verübt hat. Der ehemalige UN-Waffeninspekteur Scott Ridder wies in seinem Buch Target Iran (Ziel Iran) darauf hin, dass sich die Enthüllung von Natanz durch den NCRI nicht auf eigene Quellen gestützt hatte, sondern dass der israelische Geheimdienst ihm das gesteckt habe. Zweifellos liefere dieser auch weiterhin Informationen - und Falschinformationen.

Der Artikel in der New York Times ist nur der jüngste einer ganzen Reihe von Berichten, die stark nach vom Geheimdienst lancierten Meldungen aussehen. Vergangenen Monat brachte die britische Times zweifelhafte Dokumente, die aus dem Iran durchgesickert waren, und die angeblich zeigen sollten, dass das Regime Forschungen zur Entwicklung eines Atombombenzünders betrieben habe. Vergangene Woche berief sich Associated Press auf Geheimdienstberichte eines ungenannten Landes, die besagten, dass der Iran ein geheimes Abkommen mit Kasachstan über die Lieferung von 1.372 Tonnen reinen Uranerzes, sogenanntem "Yellow Cake", geschlossen habe. Der Iran, der die Existenz eines Atomwaffenprogramms immer wieder abstreitet, hat diese Behauptung als Fälschungen zurückgewiesen. Der offensichtliche Zweck dieser regelmäßigen Schreckgeschichten besteht darin, ein Klima der Unsicherheit und Angst zu schaffen, um Strafmaßnahmen gegen den Iran als gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

An dem Artikel in der New York Times ist besonders beunruhigend, wie offen darüber spekuliert wird, ob ein Angriff auf das iranische "Tunnel-Labyrinth" realistisch sei. Der Artikel stellte fest, dass Israel nicht über die konventionellen Waffen verfüge, um unterirdische Anlagen zu zerstören. Dann fügte die Zeitung hinzu: "Die Obama-Regierung hat Wert darauf gelegt, die militärische Option nicht vom Tisch zu nehmen, und das Pentagon arbeitet fieberhaft an der Entwicklung einer tödlichen Tunnelwaffe." Erste Tests mit einer gigantischen Bunker brechenden Bombe fanden 2007 statt. Das Programm wurde letztes Jahr beschleunigt, und die riesige, 13,6 Tonnen schwere Bombe soll im Laufe dieses Jahres einsatzbereit sein.

Momentan mag die Obama-Regierung vielleicht keine unmittelbaren Pläne für einen militärischen Angriff haben. Dennoch unterliegt ihr Handeln einer gnadenlosen Logik. Wenn sie die iranischen Revolutionsgarden in Teheran nicht durch scharfe Sanktionen auf Linie zwingen kann, wird der Kongress der Regierung durch neue Gesetze ermöglichen, ein äußerst schmerzhaftes Embargo für raffinierte Ölprodukte gegen den Iran zu verhängen. Im Hintergrund lauert immer die "militärische Option", die dafür sorgt, dass sich die Spannungen verschärfen. Die Gefahr wächst, dass die USA in einen weiteren neokolonialen Krieg schlittern.

Obamas Vorbereitungen auf die Konfrontation mit dem Iran passen zu der Eskalation des Kriegs in Afghanistan und Pakistan und der Ausweitung des "Kriegs gegen den Terror" nach Jemen. Washingtons Drohungen gegen den Iran haben genauso wenig mit angeblichen Nuklearwaffen zu tun wie Obamas Afpak-Krieg mit dem Kampf gegen al-Qaida. Die USA verfolgen in erster Linie das Ziel, ihre wirtschaftliche und strategische Vorherrschaft in den energiereichen Regionen Zentralasiens und des Nahen und Mittleren Ostens zu sichern. Der Iran nimmt in diesen Regionen schon immer eine zentrale Stellung ein. Wie schon Bush verfolgt auch Obama eine verantwortungslose Strategie, die schwindende amerikanische Macht auf Kosten seiner Rivalen zu sichern. Die Gefahr besteht, dass ein Konflikt mit dem Iran nicht nur den Nahen und Mittleren Osten in Brand setzt, sondern auch andere Großmächte mit hineinziehen wird.

Siehe auch:
New York Times wärmt Fälschungen über Irans Atomprogramm auf
(10. Oktober 2009)
Die USA und die Europäer drohen dem Iran
( 1. Oktober 2009)
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