Das Traditionsversandhaus Quelle wird abgewickelt. Das teilte am Montag der Insolvenzverwalter Hubert Görg mit. Betroffen sind 10.500 Beschäftigte, von denen nach Angaben der Financial Times Deutschland rund 7.000 unmittelbar ihren Job verlieren.
Geschlossen werden neben der Quelle-Zentrale im Bayrischen Fürth auch mehrere Callcenter mit insgesamt 3.500 Beschäftigten, das Logistik-Center in Leipzig sowie 1.450 Quelle-Shops, die Bestellungen für Quelle sammeln und ein kleines Warensortiment vorrätig haben. Auch bei der Deutschen Post, deren Tochter DHL 2005 für zehn Jahre die Warenhauslogistik und den Versand für den Konzern übernommen hatte, wird es voraussichtlich zu Stellenstreichungen kommen.
Der Mutterkonzern Arcandor, zu dem neben Quelle auch die Kaufhauskette Karstadt gehört, hatte bereits am 9. Juni dieses Jahres Insolvenz angemeldet. Die Bundesregierung hatte zuvor alle Anträge auf Finanzhilfe abgelehnt. Sie hatte damit auf das Ergebnis der Europawahl reagiert, das der SPD dramatische Stimmenverluste und der marktliberalen FDP deutliche Gewinne einbrachte. Die Wirtschaftsverbände triumphierten und folgerten aus dem Wahlergebnis, dass es keine öffentliche Unterstützung für die staatliche Rettung von Arbeitsplätzen gäbe. Die Bundesregierung ließ Arcandor darauf fallen.
Seither hat sich der Insolvenzverwalter in enger Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Verdi und dem Betriebsrat bemüht, den Konzern durch Stellenabbau und Lohnsenkungen wieder profitabel zu machen und häppchenweise an verschiedene Finanzinvestoren zu verhökern.
Bereits im Juni drohte dann aber die Versandhandelssparte von Arcandor völlig zusammenzubrechen, weil die Banken Quelle von jeder Geldzufuhr abschnitten. Die Bundesregierung genehmigte daraufhin einen so genannten Massekredit über 50 Millionen Euro, der zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von den Ländern Bayern und Sachsen finanziert wurde. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) versprach, der Kredit werde das Überleben von Quelle bis zum 31. Dezember sichern und "eine geordnete Insolvenz" ermöglichen.
Tatsächlich diente der Kredit lediglich dazu, die Stilllegung von Quelle auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschieben. Vor allem die CSU fürchtete erhebliche Stimmenverluste, falls kurz vor der Wahl ein bayrischer Betrieb mit 82-jähriger Tradition zusammengebrochen wäre.
Die WSWS hatte damals gewarnt: "Das Ende des traditionellen Versandhandelskonzerns ist lediglich auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschoben worden." Diese Warnung ist nun voll bestätigt worden. Nur drei Wochen nach der Bundestagswahl hat Konkursverwalter Görtz das Ende von Quelle bekannt gegeben.
Görtz begründete seine Entscheidung damit, dass es nicht gelungen sei, das unter der Dachgesellschaft Primondo zusammengefasste Versandgeschäft komplett an einen Investoren zu verkaufen. Quelle werde deshalb stillgelegt und profitable Spezialversender - wie Baby-Walz, Elégance, Hess Natur, das Quelle-Auslandsgeschäft sowie der Einkaufssender HSE24 - würden einzeln verkauft.
Noch letzte Woche hatte Görtz von vier Kaufinteressenten gesprochen. Die Verhandlungen scheiterten schließlich, weil keine Einigung über das so genannte Factoring zustande kam. Dabei geht es um die Finanzierung des Versandgeschäfts: Quelle gibt die Forderungen an die Kunden gegen Provision an eine Bank weiter, die die offenen Beträge im Gegenzug vorfinanziert.
Die Verhandlungen über das Factoring scheiterten an der Essener Valovis-Bank, die früher selbst zum Quelle-Konzern gehörte, sowie an der Commerzbank und der BayernLB, die beide hohe Summen aus dem Bankenrettungsfonds erhalten haben und bei denen die Bundesregierung, bzw. die Bayrische Landesregierung weitgehend mitbestimmen. Die beiden Regierungen verfügten also über einen Hebel, um die Verhandlungen zu beeinflussen. Doch nach der Bundestagswahl haben sie jedes Interesse verloren, etwas zur Rettung von 7.000 Arbeitsplätzen zu unternehmen.
Die Abwicklung von Quelle wirft so einen Schatten auf andere Unternehmen, die von der Bundesregierung mit Rücksicht auf die bevorstehende Bundestagswahl "gerettet" wurden. So sieht Die Welt nach dem Aus für Quelle auch das Ende von Karstadt herannahen. "Diese Marke droht die nächste zu sein, die untergeht", heißt es dazu in einem Kommentar. Auch die Zukunft von Opel steht nach der Bundestagswahl wieder in den Sternen.
Die Gewerkschaft Verdi hat sich ebenfalls mit der Stilllegung von Quelle abgefunden. Das zuständige Vorstandsmitglied Johann Rösch klagte zwar im ZDF-Morgenmagazin: "Es ist eine bittere Stunde für die Beschäftigten und es ist ein Schlag für die Region, in der ohnehin eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht." Doch er forderte von der "Politik" nicht den Erhalt der Arbeitsplätze, sondern lediglich Qualifizierungs- und Arbeitsvermittlungsmaßnahmen für die Entlassenen.
Der Betriebsratsvorsitzende Ernst Sindel bezeichnete die Stilllegung von Quelle als "eine Riesen-Katastrophe". Aber er und die Gewerkschaft Verdi sind direkt dafür verantwortlich, dass es so weit gekommen ist. Sie haben sich strikt geweigert, Kampfmaßnahmen zur Verteidigung der Arbeitsplätze zu organisieren. Stattdessen trugen sie jahrelang immer neue "Restrukturierungsprogramme" mit und versprachen den Beschäftigten, durch Stellenabbau und Lohnverzicht würden die verbliebenen Arbeitsplätze gesichert. Nun stehen sie vor einem Scherbenhaufen.
Sie haben den Insolvenzverwalter beim Versuch unterstützt, Quelle an einen internationalen Finanzinvestor zu verkaufen. Obwohl sich unter den Interessenten nur berüchtigte "Heuschrecken" fanden - wie Cerberus, Sun-Capital und die Private-Equity-Gesellschaft TPG - boten ihnen Gewerkschaft und Betriebsrat ständig neue Zugeständnis an.
Allein seit dem Insolvenzantrag im Juni haben sie dem Abbau von knapp 4.000 Arbeitsplätzen zugestimmt. Im August mussten 3.100 Beschäftigte gehen und am letzten Freitag erhielten weitere 800 die Kündigung. Sie wurden in eine von Betriebsrat und Verdi vereinbarte Transfergesellschaft verschoben, der die Abwicklung von Quelle nun ebenfalls die finanzielle Grundlage entzieht. Es drohe nun "die akute Gefahr, dass die Beschäftigten, die im guten Glauben in die Transfergesellschaft gegangen sind, in der Transfergesellschaft die Kündigung erhalten", sagte Verdi-Vorstand Rösch.