Die Obama-Regierung und Spaniens sozialistische Regierung arbeiten Hand in Hand, um zu verhindern, dass hohe Vertreter der Bush-Regierung vor Gericht gestellt werden.
Sowohl Präsident Barack Obama, als auch Ministerpräsident José Luis Zapatero wurden eigentlich gewählt, weil sie sich gegen den Krieg im Irak ausgesprochen und Abscheu über die ungesetzlichen Inhaftierungen und die Anwendung von Folter im so genannten "Krieg gegen den Terror" geäußert hatten. Jetzt arbeiten sie über den Ozean hinweg zusammen, um die Verantwortlichen für diese Verbrechen zu schützen.
Spaniens Generalstaatsanwalt Candido Conde-Pumpido lehnte Anfang des Monats einen Antrag ab, sechs Vertreter der Bush-Regierung anzuklagen. Conde-Pumpido ist der höchste Repräsentant des spanischen Justizsystems, der von der Regierung ernannt wird.
Die Beschuldigten waren der ehemalige Rechtsberater des Weißen Hauses und spätere Justizminister Alberto Gonzales, Ex-Vizejustizminister Jay Bybee, Ex-Mitarbeiter des Justizministers John Yoo, der ehemalige Rechtsberater des Verteidigungsministeriums William Hayes, Ex-Vizeverteidigungsminster Douglas Feith und David Addington, der ehemalige Stabschef und Rechtsberater von Vizepräsident Dick Cheney.
Die Menschenrechtsgruppe Association for the Dignity of Prisoners (Vereinigung für die Würde von Gefangenen) erhob Anklage gegen sie. Die Organisation geht davon aus, dass diese Beamten die juristischen Architekten einer Politik waren, die dazu führte, dass sechs spanische Staatsbürger in Guantánamo Bay gefoltert wurden. Ihre Vorwürfe werden von den kürzlich freigegebenen geheimen Memoranden des amerikanischen Justizministeriums gestützt. Darin wird die Anwendung illegaler und brutaler Verhörmethoden, wie das simulierte Ertränken ("Waterboarding"), gegen angebliche al-Qaida-Mitglieder, die von den Vereinigten Staaten festgehalten werden, aufgelistet und verteidigt.
Untersuchungsrichter Baltasar Garzón nahm die Anklage an und leitete sie an die Staatanwaltschaft des Nationalen Gerichts weiter. Dieses sollte Stellung nehmen, ob die Sache weiter verfolgt werden könne. Conde-Pumpido schaltete sich ein und stoppte den Fall. "Wenn es Grund für ein Verfahren gegen diese Leute gibt, dann sollte es vor Gerichten des Heimatlandes eröffnet werden, d.h. in diesem Fall in den Vereinigten Staaten", erklärte er.
Er stellte die Begründung auf den Kopf, die z.B. gegeben worden war, um den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic anzuklagen. Die Begründung lautete damals, dass Milosevic die "Befehlsverantwortung" für Verbrechen im Balkankrieg getragen habe. Conde-Pumpido dagegen erklärte: "Wenn es darum geht, einen Fall von Kriegsgefangenenmisshandlung zu verhandeln, dann sollte gegen diejenigen verhandelt werden, die die Misshandlung physisch ausgeführt haben."
Das spanische Recht erlaubt nach dem Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit, auch hochrangige Politiker anderer Länder zu verfolgen, wenn ihnen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Doch wie berichtet wird, erhöht die PSOE-Regierung jetzt den Druck, keine derartigen Anträge mehr anzunehmen. Damit wird in Zukunft die Möglichkeit verbaut, überhaupt noch solche Schritte einzuleiten.
Zapateros Regierung hat dafür auch innenpolitische Gründe. Im vergangenen Jahr musste Garzón eine Untersuchung der Hinrichtungen und der Unterdrückung des faschistischen Regimes von General Francisco Franco nach einer ähnlichen Intervention von Conde-Pumpido einstellen. Dahinter stand die Befürchtung, dass eine Aufkündigung des "Pakts des Schweigens", der nach dem Tod des Diktators während des Übergangs zur parlamentarischen Demokratie eingehalten wurde, politisch explosiv sein könnte.
Aber das wichtigste Motiv für die Entscheidung, die Verfahren gegen die Vertreter der Bush-Regierung zu stoppen, war der Druck der US-Regierung. Über Ostern fanden mehrere Treffen zwischen Zapatero und Präsident Barack Obama statt. Bei diesen Zusammenkünften hat Washington zweifellos seine Entschlossenheit deutlich gemacht, Verfahren gegen Bush-Leute und CIA-Verhörspezialisten zu verhindern.
Die Presse berichtet, dass Präsident Bush, Vizepräsident Cheney, die Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Außenminister Colin Powell und andere die Folterpraktiken der CIA gebilligt haben. Obama unternimmt nun alles erdenkliche, den Schaden zu begrenzen, den diese Berichte angerichtet haben. Deswegen sollen alle Schritte spanischer Staatsanwälte, die dem zuwider laufen könnten, unbedingt unterbunden werden.
Auf eine Frage des Interviewers Juan Carlos Lopez von CNN Espanol über Bestrebungen in Spanien, Bush-Politiker vor Gericht zu bringen, antwortete Obama: "Ich bin fest davon überzeugt, dass es wichtig ist, nach vorne zu schauen und nicht zurück."
Obwohl er behauptete, in dieser Frage nicht in "direktem Kontakt" mit der spanischen Regierung gestanden zu haben, gab er zu, dass das aber auf sein Team zutreffe. Berichte bestätigen, dass das US-Außenministerium in regelmäßigem Kontakt mit der spanischen Regierung über diesen Fall stehe.
Kurz nachdem die Association for the Dignity of Prisoners ihren Antrag im März eingebracht hatte, sprach die US-Botschaft in Madrid eine "Einladung" an den leitenden Staatsanwalt des Nationalen Gerichts, Javier Zaragoza, aus, die Beschuldigungen zu erläutern und zu erklären, warum sie zugelassen worden seien.
Offensichtlich ist es ein wichtiges Anliegen Obamas, die Staatsverbrechen seines Vorgängers unter dem Deckel zu halten. Darunter fallen die Überwachung der eigenen Bevölkerung, Folter, die Überstellung in andere Länder und die zeitlich unbegrenzte Inhaftierung. Obama möchte diese enorme Ausdehnung der Regierungsmacht in den Bush-Jahren für seine eigene Regierung beibehalten. Diese Machtanmaßung liegt den diktatorischen Konzeptionen zugrunde, die ihren Niederschlag in den Geheimmemoranden fanden.
Obama, seine Berater und der militärisch-geheimdienstliche Apparat, vor dem sie kuschen, wollen die repressiven Strukturen und Gesetze der Bush-Ära erhalten, um gegen die explosiven Spannungen gewappnet zu sein, die sich in der amerikanischen Gesellschaft aufbauen. Die Gesellschaft ist von enormer sozialer Ungleichheit geprägt. Die Macht wird von einer Finanzoligarchie mittels zweier korrupter und willfähriger Parteien ausgeübt, und besonders in Zeiten der scharfen Wirtschaftskrise lassen sich die demokratischen Formen immer weniger halten.
Die gleichen Überlegungen stehen im Wesentlichen hinter dem Vorgehen der Zapatero-Regierung. Die PSOE wurde 2004 auf einer starken Antikriegs-Welle ins Amt gespült. Die Regierung der konservativen Volkspartei hatte versucht, die baskischen Separatisten von der ETA für die Terroranschläge in Madrid verantwortlich zu machen, um von dem Zusammenhang zwischen den Bombenanschlägen und der Beteiligung Spaniens am Irakkrieg abzulenken.
Die Wahl legte damals eine tief verwurzelte Feindschaft der Bevölkerung offen, die sich gegen die Kriegstreiberei von Bush, des britischen Premierministers Tony Blair und von Zapateros Vorgänger, José Maria Aznar, richtete. Deshalb fühlte sich Zapatero genötigt, am schärfsten von allen führenden europäischen Politikern gegen den Krieg Stellung zu nehmen. Er gab sofort den Abzug der 1.300 spanischen Truppen aus dem Irak bekannt.
Aber obwohl die PSOE den Irakkrieg für eine Katastrophe hielt, hatte sie nie die Absicht, gegen den amerikanischen Militarismus zu kämpfen. Sie hielt ihre Truppenpräsenz in Afghanistan aufrecht. Diese Streitmacht wurde letzten Monat sogar noch auf tausend Mann aufgestockt.
Die Entscheidung, die Strafverfolgung von Politikern der Bush-Ära zu verhindern, zeigt, wie wenig rhetorische Bekenntnisse zu demokratischen Normen wert sind, wenn es um imperialistische Realpolitik geht. Und das hängt nicht davon ab, welche parteipolitische Färbung eine gegebene bürgerliche Regierung hat.
Beim Eingreifen der Zapatero-Regierung geht es nicht nur darum, die politischen Beziehungen zu Washington wieder zu reparieren. Der spanische Kapitalismus befindet sich in einer verzweifelten Lage, und die sozialen Spannungen werden immer akuter. Nichts wird mehr akzeptiert, was die Fähigkeit der herrschenden Elite beeinträchtigt, ihre globalen Interessen zu verfolgen, wenn nötig auch mit militärischen Mitteln. Vor allem dürfen dem politischen Establishment und den Sicherheitsdiensten keine juristischen Fesseln bei ihren eigenen Unterdrückungsmaßnahmen angelegt werden.
Der Kampf gegen Militarismus und für die Verteidigung demokratischer Rechte erfordert die unabhängige politische Mobilisierung und internationale Vereinigung der Arbeiterklasse gegen alle Repräsentanten des Kapitals - gegen die offiziellen "Linken" ebenso, wie die Rechten.