Vergangenen Monat beschloss die Bush-Regierung eine Rettungsaktion für General Motors und Chrysler, das auch die Unterstützung Barack Obamas genießt. Dieses Rettungspaket enthält offenbar eine spezielle Klausel, die praktisch auf ein Streikverbot und Verbot von Arbeitsniederlegungen hinausläuft.
Dieser Paragraph, der letzte Woche bekannt wurde, als GM eine Eingabe bei der Börsenaufsicht (SEC) machte, entspricht Forderungen der Regierung, denen zufolge die 139.000-köpfige Belegschaft der Detroiter Autobauer bis zum 17. Februar Massenentlassungen, Werksstilllegungen, weitgehende Lohnsenkungen und Kürzungen der Sozialleistungen akzeptieren müssen.
Der Eingabe bei der SEC zufolge könnte das Finanzministerium GM und Chrysler in Verzug setzen und die Autohersteller mit der Rücknahme des 17,4 Mrd. Dollar-Kredits in den Bankrott treiben, falls "eine Gewerkschaft oder Verhandlungsgruppe in einen Streik oder eine Arbeitsniederlegung tritt".
Mit dieser Bestimmung wird das Streikrecht praktisch abgeschafft. Die amerikanische Arbeiterklasse hat für dieses Recht bittere Kämpfe gegen die "Verschwörungs-Gesetze" geführt, die im 19. Jahrhundert gegen streikende Arbeiter eingesetzt wurden. Das Streikrecht wurde erst 1935, inmitten der Großen Depression, mit dem National Labor Relations Act auf nationaler Ebene anerkannt. Dieses Zugeständnis an die Arbeiterklass war kein freiwilliges Geschenk der Roosevelt-Regierung. Es war das Ergebnis von Generalstreiks, die 1934 in Toledo, Minneapolis und San Francisco ausbrachen. Ohne die Streikwaffe sind die Arbeiter nicht viel mehr als Industriesklaven, die juristisch verpflichtet sind, die brutalsten Ausbeutungsbedingungen zu akzeptieren, ohne die Möglichkeit kollektiver Gegenwehr.
Mehrere Kommentatoren haben die Frage aufgeworfen, ob das Streikverbot im Gesetz zur Rettung der Autoindustrie überhaupt rechtmäßig sei. Aber nach den Bestimmungen des Rettungspakets bleibt das Streikverbot wirksam, solange die Autokonzerne noch Kredite bei der Regierung laufen haben. Das würde bedeuten, dass die Arbeiter selbst bei den Tarifverhandlungen 2011 nicht das geringste Druckmittel hätten, um Forderungen nach noch drakonischeren Zugeständnissen zurückzuweisen.
Das bestätigt die Warnung der World Socialist Web Site, dass die amerikanische herrschende Elite versucht, die Krise der Autoindustrie auszunutzen, um die Arbeiterklasse in die Bedingungen der 1930er Jahre zurückzuwerfen, als es die UAW und die anderen großen Industriegewerkschaften noch nicht gab.
Genau wie die Rettung von Chrysler 1980 und die Zerschlagung des Streiks der Fluglotsen 1981 den Auftakt zu einer Welle von Lohnsenkungen und der Zerschlagung von Gewerkschaften in den 1980er und 1990er Jahren darstellte, so soll der gegenwärtige Angriff auf die Autoarbeiter als Rammbock für eine grundlegende Veränderung der Klassenbeziehungen in den USA und weltweit dienen. Der Hintergrund dafür ist der globale Zusammenbruch des kapitalistischen Systems.
Die Organisation, die angeblich die Arbeiter bei GM und Chrysler vertritt, die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), warb für das Rettungspaket der Regierung für die Großen Drei und akzeptierte klaglos Zehntausende Entlassungen und Lohn- und Sozialleistungskürzungen, die die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter auf das Niveau von Arbeitern in gewerkschaftsfreien Betrieben herunterdrücken werden. Sie hat kein Wort des Protestes gegen das Streikverbot geäußert.
Nicht nur verzichtet die UAW-Bürokratie auf jeden Kampf gegen diesen Angriff auf demokratische Grundrechte der Autoarbeiter, sie begrüßt das Streikverbot regelrecht als Mittel, den Widerstand der Basis gegen ihre Zusammenarbeit mit den Autobossen und der kommenden Obama-Regierung zu brechen.
Bei einem gemeinsamen Auftritt auf der Detroiter Autoshow mit General Motors-Chef Rick Wagoner sagte UAW-Präsident Ron Gettelfinger dem Moderator der NBC-Sendung "Today Show", die Gewerkschaft sei entschlossen, die Firmen "wettbewerbsfähiger" zu machen und die Tarifverträge "zu modifizieren". Dazu seien soeben Gespräche mit den Detroiter Autoproduzenten aufgenommen worden. Der UAW-Präsident prahlte damit, dass die Gewerkschaft schon Lohnsenkungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen akzeptiert habe. Dadurch seien UAW-Arbeiter heute wettbewerbsfähiger als nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter in amerikanischen Toyota-Fabriken.
Wagoner lobte die UAW mit den Worten: "Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gemeinsame Lösung finden und die Veränderungen durchsetzen, die wir brauchen." Wie man hört, strebt die UAW als Ausgleich für weitere Zugeständnisse einen Sitz im Aufsichtsrat von GM und mehr GM-Aktien an, als sie im Moment schon hält.
Indem die UAW ein Regierungsverbot des grundlegendsten Rechts der Arbeiter auf Gegenwehr akzeptiert, erweist sie sich als Organisation, die in diametralem Gegensatz zu den Interessen der Arbeiterklasse steht. Die Komplizenschaft der UAW bei der sogenannten "Rettung" der Autokonzerne, die die Verarmung der Arbeiter und die Streichung ihres Streikrechts bedeutet, ist das unvermeidliche Ergebnis und der Höhepunkt der gesamten politischen Linie der UAW und aller amerikanischen Gewerkschaften seit mehreren Jahrzehnten. Zu behaupten, die UAW-Bürokratie stünde immer noch an der Spitze einer wirklichen Arbeiterorganisation, heißt, sich selbst in die Tasche zu lügen oder einen bewussten Betrug zu begehen.
Seit dreißig Jahren konzentriert sich die UAW darauf, den Widerstand der Autoarbeiter gegen die Zerstörung von Arbeitsplätzen, des Lebensstandards und der Arbeitsbedingungen zu unterdrücken. Dies geschieht unter dem Banner der Partnerschaft mit der Unternehmensführung und der chauvinistischen Parole "Kauft amerikanisch". Die UAW-Führung tut alles, um den letzten Rest von Klassenbewusstsein bei ihren Mitgliedern zu tilgen, damit sie problemloser mit den Unternehmen und der Regierung zusammenarbeiten kann. In der Person von Gettelfinger ist das volle Ausmaß der Degeneration und Verwandlung der UAW konzentriert. Ihm ist schon die Vorstellung einer unabhängigen Rolle der Arbeiterklasse völlig fremd, und er sieht die ganze Welt vom Standpunkt eines Juniorpartners der Autobosse.
Die Wurzeln dieser Degeneration gehen bis in die frühesten Tage der UAW zurück. Damals wies diese Gewerkschaft den Kampf um Sozialismus zurück. Dies war aber die Perspektive vieler militanter Kämpfer, die die Massenstreiks und Betriebsbesetzungen anführten, welche der Gründung der Gewerkschaft in den 1930er Jahren vorausgingen. Obwohl die Forderung nach Aufbau einer Labor Party [Arbeiterpartei] damals sehr populär war, lehnten Walter Reuther und andere UAW-Führer dies ab und orientierten die neu gegründeten Gewerkschaften auf die Roosevelt-Regierung und die Demokratische Partei. Damit verhinderten sie, dass sich eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse bilden konnte.
Diese Klassenzusammenarbeit und Unterstützung für das Profitsystem fand ihren übelsten Ausdruck in der antikommunistischen Säuberung der Gewerkschaften nach dem Zweiten Weltkrieg, die den Weg für die kommenden Verrätereien und den schließlichen Kollaps der Gewerkschaft bereiteten. Die UAW band das Schicksal der Autoarbeiter an die Vorherrschaft der amerikanischen Industrie auf den Weltmärkten. Deshalb hatte sie keine Antwort auf die Globalisierung der Produktion und den Niedergang der Weltposition des amerikanischen Kapitalismus. Auf die wachsende Herausforderung durch asiatische und europäische Hersteller reagierte sie, indem sie sich an die Seite der Unternehmer stellte und diese bei der Durchsetzung von Kostensenkungen unterstützte.
Seit Jahren fordern diverse Fraktionen in der UAW die Autoarbeiter auf, ihre Kämpfe im Rahmen der UAW zu halten. Zu ihnen gehören zum Beispiel "New Directions", "Soldiers of Solidarity" und ihre Sympathisanten im Milieu opportunistischer "linker" Organisationen. Diese Tendenzen haben keinerlei Lehren aus der Katastrophe gezogen, in die die UAW die Autoarbeiter geführt hat, und sie behaupten weiterhin, die korporatistische und bürokratisierte Organisation könne durch Druck von unten dazu gebracht werden, für die Interessen ihrer Mitglieder zu kämpfen.
Das ist eine Lüge. Jeder Kampf für die Verteidigung ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensstandards wird die Arbeiter sofort in Konflikt mit der UAW bringen und die Notwendigkeit zeigen, mit ihr zu brechen und neue Kampfformen wie Fabrik- und Betriebskomitees zu entwickeln.
Die Wiederbelebung der Arbeiterbewegung ist nur durch einen radikalen Bruch mit der bisherigen Praxis, Politik und Anschauung der Arbeiterklasse möglich.
Autoarbeiter müssen die Erpressung der Konzerne, der Regierung und der UAW zurückweisen und sich darauf vorbereiten, militanten Widerstand zu leisten und Massenstreiks und Demonstrationen gegen Entlassungen, Betriebsschließungen und die Kürzung von Löhnen und Sozialleistungen zu führen. Dieser Kampf muss ausgeweitet werden, um breitere Schichten der Arbeiterklasse in die Verteidigung von Arbeitsplätzen, gegen Zwangsräumungen und die Kürzung wichtiger Sozialprogramme einzubeziehen.
Die künftige Obama-Regierung wird, genauso wie ihre Republikanische Vorgängerin, den Interessen der amerikanischen Finanzelite dienen, die entschlossen ist, die Profitabilität der Autoindustrie auf dem Rücken der Arbeiter wiederherzustellen. Wenn Arbeiter ihre Interessen gegen die Wirtschaftskrise verteidigen wollen, dann müssen sie mit der Demokratischen Partei brechen und eine politische Massenpartei der Arbeiterklasse aufbauen.
Dafür ist es notwendig, die Socialist Equality Party aufzubauen, die Nationalismus zurückweist und für die Einheit der Arbeiter in allen Ländern auf der Grundlage eines sozialistischen Programms kämpft. Dieses Proramm beinhaltet die Enteignung der Autoindustrie unter der demokratischen Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung und die Reorganisierung der ganzen Wirtschaft auf der Grundlage der Produktion für die menschlichen Bedürfnisse und nicht für privaten Profit.