Nur zwei Jahre nach seiner Abwahl wird der Medienunternehmer Silvio Berlusconi zum dritten Mal italienischer Regierungschef. Sein Rechtsbündnis "Volk der Freiheit" (PdL - Popolo della Libertà) erzielte bei den vorgezogenen Wahlen vom Sonntag und Montag eine klare Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Mit jeweils rund 47 Prozent der abgegebenen Stimmen lag es deutlich vor dem Bündnis seines wichtigsten Konkurrenten Walter Veltroni, das etwa 38 Prozent erreichte.
In der Abgeordnetenkammer kann sich Belusconi nun dank dem Bonus für die bestplatzierte Partei auf 340 Abgeordnete stützen, Veltroni dagegen lediglich auf 241. 36 Sitze gewann die dem Vatikan nahe stehende, christdemokratische UDC von Pier Ferdinando Casini, die sich keinem Bündnis angeschlossen hatte. Im Senat entfallen 171 Mandate auf Berlusconi, 130 auf Veltroni und 2 auf die UDC.
Die Wahlbeteiligung lag mit 80 Prozent etwa 3 Prozent niedriger als vor zwei Jahren. In Italien herrscht gesetzlicher Wahlzwang, wobei allerdings keine Sanktionen verhängt werden, wenn jemand der Wahl fern bleibt.
Die Wahl hat Italien nicht nur eine rechte Mehrheit beschert, sondern das Land erstmals auch einem politischen System angenähert, das - ähnlich wie das amerikanische - aus zwei großen, rechten bürgerlichen Parteien besteht. Von den einstmals über zwanzig Parteien und Gruppierungen sind lediglich sechs ins Parlament zurückgekehrt.
Die beiden wichtigsten Bestandteile von Berlusconis Bündnis, seine eigene Forza Italia und die postfaschistische Nationale Allianz Gianfranco Finis, sind für die Wahl eine Listenverbindung eingegangen und wollen sich demnächst zu einer einzigen, großen Rechtspartei zusammenschließen. Als eigenständige Parteien waren lediglich noch die separatistische Lega Nord und die relativ unbedeutende Autonomiebewegung (Mpa - Movimento per Autonomia) im "Volk der Freiheit" vertreten.
Walter Veltroni hatte bereits vor der Wahl die Linksdemokraten (Nachfolger der Kommunistischen Partei), die christdemokratische Margherita und mehrere kleinere Gruppierungen zur Demokratischen Partei vereint. Diese orientiert sich am Vorbild der amerikanischen Demokraten und vertritt wie diese ein wirtschaftsfreundliches Programm. Einziger selbständiger Bündnispartner der Demokraten ist das "Italien der Werte" (Italia dei Valori) des ehemaligen Korruptionsermittlers Antonio Di Pietro, das über 5 Prozent zum gemeinsamen Ergebnis beitrug.
Der Kollaps der Regenbogenlinken
Veltroni hatte sich geweigert, mit den Parteien des linken Flügels der Regierungskoalition von Romano Prodi zusammenzuarbeiten, die daraufhin gezwungenermaßen ein eigenes Wahlbündnis bildeten - die Regenbogenlinke (Sinistra arcobaleno). Sie besteht aus Rifondazione Comunista, den Grünen, den Italienischen Kommunisten (PdCI) und den Demokratischen Linken (SD), einer Abspaltung der ehemaligen Linksdemokraten.
Diese Regenbogenlinke ist der eigentliche Verlierer der Wahl. Hatte sie zur Zeit ihrer Gründung noch mit einem Stimmenanteil von 15 Prozent gerechnet und in den letzten Wahlumfragen 7 Prozent erzielt, erreichte sie am Wochenende gerade noch etwas mehr als 3 Prozent und verfehlte damit den Einzug ins Parlament. Rifondazione, die in beiden Kammern des alten Parlaments mit jeweils über 40 Abgeordneten vertreten war, konnte keinen einzigen Sitz verteidigen. Die Zeitung Repubblica sprach von einem "wahren und wahrhaftigen Erdbeben".
Noch deutlicher wird der Niedergang dieser "Linken", wenn man einige ihrer Hochburgen betrachtet: In der Toskana hatte Rifondazione 2006 noch 8,2 Prozent, zusammen mit Grünen und PdCI sogar 13,4 Prozent erreicht; jetzt erhielt die Regenbogenlinke noch 4,5 Prozent. In der Emilia-Romagna sank der Stimmenanteil der Regenbogenlinken von 10 auf 3, in Latium (Hauptstadt Rom) von 13 auf 3,3, in Umbrien von 12,7 auf 3,5 Prozent.
Der Kollaps dieser angeblichen "Linken" ist der Schlüssel zum Verständnis des Wahlergebnisses.
Seit Rifondazione vor siebzehn Jahren aus der Auflösung der Kommunistischen Partei hervorging und große Teile der kleinbürgerlichen radikalen Linken aufsog, hatte sie ihre Anhänger dazu angehalten, angeblich fortschrittliche bürgerliche Regierungen zu unterstützen. Immer wieder versorgte sie solche Regierungen im Parlament mit der notwendigen Stimmenmehrheit, um schließlich 2006 unter Romano Prodi selbst Regierungsverantwortung zu übernehmen. Begründet hatte sie dies stets mit dem Argument, man müsse "das kleinere Übel" unterstützen.
Das Ergebnis dieser Politik ist ein Desaster. Rifondazione und ihre Verbündeten haben wirkungsvoll verhindert, dass die Arbeiterklasse eine unabhängige politische Orientierung entwickeln konnte. Stattdessen sind sie sklavisch hinter Prodi und seinen Vorgängern im Amt des Regierungschefs hergetrottet. Auch jetzt haben sie ihren Wahlkampf wieder darauf konzentriert, Veltronis Kandidatur von links abzudecken und ihm keinesfalls zu schaden.
Damit konnten sie keine Unterstützung mehr gewinnen. Das Wahldesaster der Regenbogenlinken ist Ausdruck der Tatsache, dass es - nach zwei Jahren Regierung Prodi - kaum mehr Illusionen in eine Lösung der sozialen Krise durch eine angeblich linke Regierung gibt.
Die ökonomische Lage Italiens hat sich rapide verschlechtert. Laut Aussagen der OECD wächst die Wirtschaft in diesem Jahr kaum noch, der Anteil des Landes am Welthandel sinkt und die Löhne stagnieren. Vielen Italienern geht es so schlecht, dass sie sich nicht einmal mehr jeden Tag Nudeln auf dem Teller leisten können. Ein Prekariat junger Erwachsener ist entstanden, das vor lauter Existenzängsten keine Familien mehr gründen mag.
Die Teuerung und die niedrigen Lohnzuwächse waren ein zentrales Thema im Wahlkampf. Die Müllhalden, die sich wochenlang in Neapel türmten und zu Massenprotesten führten, wurden zum Symbol für eine unfähige und korrupte Politikerkaste, die nur das eigene Interesse im Auge hat. Das Berlusconi-Lager nutzte diesen Umstand weidlich aus, obwohl die Wurzeln des Müllskandals bis in die eigene Regierungszeit zurückreichen.
Der Rückgang der Wahlbeteiligung ist zu einem großen Teil auf enttäuschte Wähler der "Linken" zurückzuführen, während andere das Berlusconi-Lager unterstützten, dem sie mehr Tatkraft als der in sich zerstrittenen Regierung Prodi zutrauten.
Instabile Regierung
Vor allem die Lega Nord konnte davon profitieren. Die im relativ wohlhabenden Norden konzentrierte Partei erzielte nach längerer Krise das beste Wahlergebnis ihrer Geschichte. Sie konnte ihre Sitzzahl in beiden Kammern verdoppeln. Mit einem nationalen Durchschnitt von über 8 Prozent war sie praktisch allein für den Wahlsieg Berlusconis verantwortlich. Berlusconis eigene Liste schnitt sogar etwas schwächer ab als vor zwei Jahren. Umfragen zufolge sollen auch viele Industriearbeiter, die bisher eher linke Parteien unterstützt hatten, für die Lega Nord gestimmt haben. In der hoch industrialisierten Lombardei wurde sie mit 30 Prozent zur stärksten Partei.
Die Lega Nord verbindet Propaganda gegen die Zentralregierung in Rom und die Forderung nach mehr Autonomie für den reichen Norden mit ausländerfeindlichen Kampagnen gegen Immigranten. "Wir haben genug vom Römer Zentralismus und vom räuberischen Rom", tönte ihr Chef, Umberto Bossi, auf Wahlveranstaltungen. Die Enttäuschung über die Regierung Prodi verschaffte derartigen Parolen Resonanz.
Die Stärkung der Lega Nord ist aber auch eine Quelle der Instabilität für die zukünftige Regierung. Der Gegensatz zwischen der föderalistischen Lega Nord und der zentralistischen Nationalen Allianz, die im Süden über Einfluss verfügt, birgt ständigen Konfliktstoff. Er hatte schon 1995 zum Scheitern der ersten Regierung Berlusconi beigetragen. Die Forderung der Lega Nord nach mehr Steuerföderalismus, schreibt die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera, werde die heute schon bestehenden Gräben zwischen Nord- und Süditalien noch weiter vertiefen.
Weit stärker noch wird aber der Gegensatz zwischen der enorm angespannten sozialen Lage und ihrem rechten, wirtschaftsfreundlichen Programm der zukünftigen Regierung einen höchst instabilen Charakter verleihen. Das befürchten auch rechte Zeitungskommentare.
So weist die Neue Zürcher Zeitung darauf hin, dass Berlusconi, "im Kontrast zu Prodi nicht einen Konjunkturaufschwung erben (wird), sondern eine hartnäckige Stagnation, wenn nicht gar eine eigentliche Rezession. Damit drohen die im Wahlkampf gemachten kühnen Versprechen erst recht schwer erfüllbar zu sein."
Und die Financial Times Deutschland warnt unter der Überschrift "Italien - Trauerspiel, dritter Akt": "Katastrophale Wachstumszahlen, vormoderne Produktivitätsraten und ein monströses Staatsdefizit sind Risikofaktoren für den Binnenmarkt und für die Euro-Zone. Die schwierigen Reformen, die zur Entschärfung der Risiken nötig wären, wird Berlusconi nie angehen."
Die sich anbahnenden scharfen sozialen Konflikte sind auch der Grund, weshalb Berlusconi trotz seiner eindeutigen Mehrheit Veltroni noch am Wahlabend ein Angebot zur Zusammenarbeit unterbreitete: "Wir sind bereit, zusammen mit der Opposition an den Reformen zu arbeiten", sagte er. "Wir haben schwierige Monate vor uns, die große Kraft erfordern."