Es gibt viele Ungereimtheiten im Zusammenhang der Verhaftung von sieben Männern aus Liberty City, einem verarmten Stadtteil von Miami, unter dem Vorwurf, sie hätten sich verschworen, "Krieg gegen die Vereinigten Staaten zu führen". Die Vermutung liegt nahe, dass es sich ebenso wie bei vielen anderen, vorausgegangenen "Terrorverschwörungen" um eine von staatlichen Stellen ausgehende Provokation handelt, die reaktionären politischen Zwecken dient.
Keine der Behauptungen, die von Vertretern des Staates über die Verhaftung dieser jungen Männer aus der Arbeiterklasse verbreitet und von den Medien unkritisch wiedergegeben werden, kann einfach so hingenommen werden. Sowohl die dürftige Anklageschrift als auch die reißerischen Überschriften lassen vermuten, dass das Ereignis als nächste Eskalationsstufe in der antidemokratischen Verschwörung der Bush-Regierung zu verstehen ist.
Alles deutet darauf hin, dass diese jüngste angebliche Terrorgefahr - die von einigen Medienerzeugnissen als "sogar noch größer als der 11. September" bezeichnet wurde - von der Bundespolizei FBI ausging, die einen V-Mann als terroristischen Drahtzieher einsetzte, um die nun Verhafteten in eine Falle zu locken.
Das Justizministerium behauptet zwar, dass die Verhaftungen eine Verschwörung unterbunden haben, durch die das höchste Gebäude in den Vereinigten Staaten, der Sears Tower in Chicago, zum Einsturz gebracht werden sollte. Doch gleichzeitig versichern die Chicagoer Behörden ihren Bürgern, dass das Gebäude nie in Gefahr war.
Die aus vier Punkten bestehende Anklageschrift, die das Justizministerium am Freitag einem Gericht in Miami vorlegte, enthält keinen einzigen Hinweis auf eine offene Straftat oder auch nur die Mittel, um eine solche zu begehen. Das kurze elfseitige Dokument besteht beinahe vollständig aus angeblichen Äußerungen, die die Angeklagten gegenüber dem FBI-Informanten getätigt haben sollen, der in der gesamten Anklageschrift in Anführungszeichen als "Al Qaida-Vertreter" bezeichnet wird.
Die staatlichen Stellen ließen ihre Falle zuschnappen, indem sie Dutzende von FBI-Agenten in Kampfausrüstung aussandten. In Tarnfarben und mit automatischen Waffen drangen die Beamten in das vorwiegend von Afroamerikanern bewohnte Viertel Liberty City ein, das zu den ärmsten des Landes zählt. Liberty City war in den 1980ern der Schauplatz von Aufständen, die ausbrachen, nachdem weiße Polizeioffiziere einen schwarzen Motorradfahrer totgeschlagen hatten und vor Gericht freigesprochen wurden.
Am Donnerstag konfrontierten die staatlichen paramilitärischen Einheiten Bewohner des Viertels mit Bildern von den Angeklagten und verlangten Auskunft über ihren Aufenthaltsort. Die sieben Beschuldigten gehören zu der verarmten arbeitenden Bevölkerung von Miami, unter ihnen befinden sich auch haitianische Einwanderer.
Offenbar gerieten sie ins Visier des FBI, weil sie eine religiöse Gruppe gebildet hatten. Sie nannten sich selbst die "Meere Davids" und verbanden Berichten zufolge Elemente des Christentums und des Islams. Eines ihrer Verbrechen besteht laut FBI-Vizechef John Pistole darin, dass die Meere Davids "die rechtliche Autorität von staatlichen Behörden der Vereinigten Staaten nicht anerkannten".
Nach Berichten von Nachbarn lebte die Gruppe zusammen in einem Lagerhaus, das vom FBI gestürmt wurde. Das Lagerhaus diente ihnen als Ort für Gottesdienste und als Basis für ein von ihnen betriebenes Bauunternehmen.
Teile der Anklageschrift belasten derart stark die staatlichen Behörden selbst, dass sie ans Absurde grenzen. Einer der Vorwürfe lautet, dass die Angeklagten "einen Loyalitätsschwur gegenüber Al Qaida geschworen haben". Wer nahm ihnen diesen Schwur ab? Der "Al Qaida-Vertreter", das heißt der bezahlte Informant des FBI.
Von diesem "Loyalitätsschwur" abgesehen, wird der Gruppe nur noch angekreidet, den FBI-Informanten zu Meetings gefahren zu haben. Lediglich einem der Angeklagten wird eine offenkundige Handlung zur Last gelegt.
Und die einzige Tat, die dieser Person vorgeworfen wird, besteht darin, Fotos vom FBI-Hauptquartier in Miami gemacht zu haben. Wer stellte die Kamera zur Verfügung? Der "Al Qaida-Vertreter", d.h. der Agent provocateur des FBI.
Die Anklageschrift führt zudem an, dass zwei der Angeklagten mit dem "Al Qaida-Vertreter" zu einem Laden in Dade County in Florida gefahren sind, um eine Speicherkarte für eine Digitalkamera zu kaufen, mit der Aufklärungsfotos vom FBI-Gebäude gemacht werden konnten. Im Dokument steht nicht, wer die Speicherkarte bezahlte, aber es dürfte wohl kaum jemand anderes als der FBI-Mann gewesen sein.
In einem der merkwürdigeren Abschnitte der Anklageschrift wird einem der Angeklagten, Narseal Batiste, vorgeworfen, den FBI-Informanten gebeten zu haben, verschiedene Dinge für die Gruppe zu besorgen, so unter anderem Schuhe, wofür er eine "Liste mit Schuhgrößen" zur Verfügung stellte. Offenbar lieferte das FBI die Schuhe.
FBI-Vizechef Pistole musste zugeben, dass die angeblichen Pläne zur Sprengung von Gebäuden "eher angedacht als einsatzfähig" waren. Bei den Razzien der FBI-Schwadrone wurden keine Waffen und keine explosiven Stoffe gefunden.
"Wir sind der Verschwörung zuvorgekommen", erklärte Pistole. Doch die Anklageschrift und die Tatsachen in dem Fall verweisen darauf, dass die angebliche Verschwörung niemals existiert hätte, wenn sie nicht von staatlichen Stellen geplant und initiiert worden wäre.
Bei einer Pressekonferenz in Washington gab Justizminister Alberto Gonzalez zu, dass die angebliche Verschwörung keine tatsächliche Gefahr dargestellt habe. Dies sei der Fall, behauptete er, da die Behörden "im frühesten Stadium" eingegriffen hätten.
Das Eingreifen kam zu einem solch "frühen" Zeitpunkt, dass jene, die mit dem vermeintlichen Ziel der Verschwörung zu tun haben, die Behauptungen der Regierung und der staatlichen Stellen einfach abtun. Barbara Carley, die der Betreibergesellschaft des Sears Towers vorsteht, sagte gegenüber der Presse: "Lokale und Bundesbehörden haben uns mehrfach bestätigt, dass sie niemals Beweise für eine glaubhafte Terrordrohung gegen den Sears Tower gefunden haben, die über reines Gerede hinausgingen."
Ihre Kommentare wurden vom Superintendenten der Chicagoer Polizei, Phil Cline, unterstützt, der erklärte: "Es gab nie eine glaubwürdige Bedrohung des Sears Towers."
Auf seiner Pressekonferenz behauptete Justizminister Gonzalez, dass die Gruppe aus Miami eine "neue Spielart des Terrorismus" repräsentiere, die durch "das Zusammentreffen von Globalisierung und Technologie" zustande gekommen sei.
Was diese Worte zu bedeuten haben, soll sich wohl jeder selbst ausmalen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Angeklagten, die in einem Lagerhaus in der ärmsten Stadt Amerikas lebten, Zugang zu irgendeiner Technologie hatten, und ihr angeblicher Kontakt zur weiten Welt bestand aus einem vom FBI bestellten Informanten. Die Mutmaßung, dass die sieben Männer eine "hausgemachte" Terroristengruppe darstellten, die durch Kontakte mit Al Qaida über das Internet zustande kam, wird weder durch die gesammelten Beweise noch durch die Vorwürfe in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gestützt.
R. Alexander Acosta, der zuständige Staatsanwalt für Südflorida, erklärte gegenüber den Medien, dass die Angeklagten "den größten Teil ihres Lebens in den Vereinigten Staaten gelebt, aber einen Hass gegen Amerika entwickelt haben". Dies wird dargestellt, als würde es ein Verbrechen darstellen.
Es kann aber kaum überraschen, wenn jemand, der in Liberty City wohnt, einen Hass gegen die Armut und Unterdrückung entwickelt, die dort herrschen. Oder wenn haitianische Einwanderer die Freiheitsberaubung und Repression verabscheuen, die Washington für jene bereit hält, die den brutalen Bedingungen entfliehen wollen, die der US-Imperialismus über ihr Heimatland gebracht hat.
Höchst bemerkenswert ist, dass die Bundesbehörden in diese Situation eingriffen, eine falsche Al Qaida-Verbindung konstruierten und sich eine "Terrorverschwörung" aus den Fingern saugten.
Was sind die Motive der staatlichen Stellen, die eine solche Verschwörung erfinden? Wessen Interessen wird damit gedient? Da die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung sich mittlerweile gegen den Irakkrieg ausspricht und einen Abzug der US-Truppen unterstützt, versucht die Bush-Regierung verzweifelt, ihr neokoloniale Unterfangen im Irak mit dem angeblichen "Krieg gegen den Terror" zu verbinden, der das amerikanische Volk vor einem neuen 11. September bewahren solle.
Um diese Lüge aufrechtzuerhalten, braucht sie von Zeit zu Zeit frische Hinweise auf die Terrorgefahr. Und diese werden regelmäßig geliefert. Alle paar Monate wird eine neue "Verschwörung" aufgedeckt, an der immer ein FBI-Informant sowie unglückselige Individuen beteiligt sind, die sich in einem vom Staat gesponnenen Konstrukt verfangen haben.
Bis jetzt richteten sich diese verdeckten Operationen gegen muslimische Einwanderer. Im letzten Monat beispielsweise wurde der pakistanische Einwanderer Shahawar Siraj in New York City für schuldig befunden, einen Plan zur Sprengung der U-Bahn-Station Herald Square ausgeheckt zu haben, wobei sämtliche Beweise für die "Verschwörung" auf den Mutmaßungen eines FBI-Informanten beruhten. Der Agent provocateur des FBI hatte den Angeklagten mit Bildern von Folteropfern aus Abu Ghraib provoziert und gefragt, wie er als Muslim untätig bleiben könne.
Ähnlich hatte das FBI in Albany im Bundesstaat New York vor zwei Jahren einen pakistanischen Einwanderer angeworben, indem ihm Milde in kleineren anhängigen Verfahren versprochen wurde. Seine Arbeit für das FBI bestand darin, zwei weitere Einwanderer in einen fiktiven Plan zu verwickeln, nach dem einer nicht-existenten Person geholfen werden sollte, Waffen für eine erfundene Terrorverschwörung zu besorgen.
Diese Provokationen und Verschwörungen sind symptomatisch für einen Regierung, die rücksichtslos ist und mit dem Rücken zur Wand steht. Angesichts einer Bevölkerung, die ihrem reaktionären politischen Kurs im Innern und dem Krieg nach außen immer feindseliger gegenübersteht, sieht sie sich gezwungen, einen endlose Reihe von Terrordrohungen zu konstruieren, um die Öffentlichkeit zu desorientieren und einzuschüchtern.