Mit Gewalt ging die französische Bereitschaftspolizei am Samstag gegen Studenten der Pariser Sorbonne-Universität vor. Sie hatten aus Protest gegen ein neues Gesetz, das den Kündigungsschutz für neu eingestellte junge Arbeiter beseitigt, die Universität besetzt. Auf Anweisung von Premierminister Dominique de Villepin stürmte die Polizei das besetzte Gebäude und zwang etwa 300 Studenten, es zu verlassen.
Fernsehkameras filmten Polizisten, die Knüppel schwangen, Tränengasgranaten abfeuerten, Türen eintraten und Barrikaden beseitigten, die mehr symbolisch aus übereinander getürmten Stühlen errichtet worden waren. Es dauerte keine fünfzehn Minuten, bis das Gebäude geräumt war.
Die Besetzung der Sorbonne war Teil der landesweiten Studenten- und Schülerproteste gegen das Gesetz über den Arbeitsvertrag bei erstmaligen Einstellungen (Contrat première embauche - CPE). Das neue Gesetz sieht eine zweijährige Probezeit für neu eingestellte junge Arbeiter vor. In diesem Zeitraum können sie ohne Begründung entlassen werden. Das Gesetz war am 8. März im Eilverfahren durchs Parlament geschleust worden. Am Vortag hatten fast eine Million Jugendliche und Arbeiter in ganz Frankreich gegen diese gesetzliche Verankerung der Arbeitsplatzunsicherheit demonstriert.
Seitdem haben sich die Studentenstreiks von zehn auf 45 der 88 französischen Hochschulen ausgeweitet. Auch Universitätsdozenten haben mit Streikmaßnahmen begonnen. Massenversammlungen mit Tausenden Studenten haben an diversen Universitäten unbefristete Streikaktionen beschlossen. An der größten dieser Versammlungen nahmen im Stadion von Toulouse viertausend Studenten teil.
Studenten- und Schülerorganisationen haben für den Dienstag und den Donnerstag dieser Woche zu nationalen Streiks und Demonstrationen aufgerufen, und am Samstag wird es einen nationalen Protesttag geben, der neben den Studentenorganisationen auch von allen Gewerkschaftsverbänden unterstützt wird.
Die Sorbonne war ein Zentrum der Arbeiter- und Studentenrevolte vom Mai-Juni 1968. Nach Kämpfen zwischen Studenten und Polizei an der Sorbonne hatten damals zehn Millionen Arbeiter die Arbeit niedergelegt und ihre Betriebe besetzt. Der damalige Präsident Charles de Gaulle verließ vorübergehend fluchtartig das Land. Die gewaltsame Beendigung der jüngsten Besetzung unterstreicht die Furcht der Regierung, dass die Universität erneut zu einem Brennpunkt für die Massenopposition werden könnte.
Der aktuelle Kampf gegen den CPE nähert sich mehr und mehr einem Punkt, an dem das Überleben der Mitte-Rechts Regierung von Villepin und Präsident Jacques Chirac auf dem Spiel steht. Die Zeitung Libération kommentierte: "Villepin vollzieht einen Drahtseilakt."
Patrick Devedjian, ein enger Mitarbeiter von Nicolas Sarkozy, dem Innenminister und schärfsten Rivalen Villepins um die Nominierung für die Präsidentschaftskandidatur der gaullistischen UMP, sagte gegenüber den Medien: "Es ist nicht zu übersehen, dass die Regierung in Schwierigkeiten steckt. Wir müssen die Reihen schließen."
Mit dem Einsatz der Bereitschaftspolizei gegen die Besetzung der Sorbonne siganlisierte die gaullistische Regierung ihre Entschlossenheit, die wachsende Bewegung der Jugend und Arbeiter niederzuringen. Auf dieses Durchgreifen folgte am Sonntag Abend ein Fernsehinterview mit Villepin zur besten Sendezeit, in dem er die Forderungen der Studenten zurückwies und die Absicht der Regierung bekräftigte, die Bestimmungen des CPE durchzusetzen und den Kündigungsschutz in den ersten zwei Berufsjahren zu beseitigen.
Als die Moderatorin Claire Chazal fragte, ob dies bedeute, dass ein Arbeitgeber eine schwangere Arbeiterin entlassen könne, um den gesetzlich garantierten bezahlten Mutterschaftsurlaub zu umgehen, antwortete Villepin mit einer offensichtlichen Unwahrheit. Er sagte, unter dem CPE würden Arbeiter den vollen gesetzlichen Schutz gegen unfaire Entlassung genießen.
Der Premierminister gab seine Absicht bekannt, einen Dialog der "Sozialpartner" zu initiieren - das sind die Arbeitgeber, die Gewerkschaften und die Arbeitsminister Jean-Louis Borloo und Gérard Larcher. Sie sollen die Bereitstellung von "Tutoren" diskutieren, die junge Arbeiter in den ersten beiden Jahren ihrer Beschäftigung begleiten und entlassenen CPE-Arbeitern helfen sollen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Das war eindeutig als Friedensangebot an die Gewerkschaften gedacht, die benötigt werden, wenn es der Regierung gelingen soll, die Massenopposition unter Kontrolle zu bringen und zu erreichen, dass sie sich schließlich tot läuft.
Ein prominenter Vertreter der "Linken" in der Sozialistischen Partei, Arnaud Montebourg, sprach mehr oder weniger offen aus, worum es der Regierung dabei geht: "Nachdem Monsieur Villepin den Sturm mit seinen Exzessen angefacht hat, ... fordert er jetzt die Gewerkschaften auf, die Feuerwehr zu spielen, und ihm aus der Patsche zu helfen."
Vertreter der großen Gewerkschaftsverbände beeilten sich, die Einladung zu den Gesprächen anzunehmen. Gérard Aschiéri von der FSU, der wichtigsten Bildungsgewerkschaft, nannte Villepins Garantien "heiße Luft", sagte aber zu, an den Verhandlungen teilzunehmen. Das gleiche tat auch Bernard Thibault von der mit der KPF verbundenen CGT.