Am Montag den 21. November kündigte General Motors an, in neun Montage-, Press- und Getriebewerken Schichten zu streichen oder die Werke ganz zu schließen. Bis Ende 2008 würde der Konzern damit die Arbeitsplätze von 30.000 Produktionsarbeitern in den USA und Kanada vernichten. Die Maßnahmen zur Kostensenkung durch den größten Autoproduzenten der Welt werden katastrophale Auswirkungen auf die betroffenen Arbeiter, ihre Familien und die Städte und Gemeinden in Nordamerika haben, in denen sie leben.
Die Vernichtung von 22 Prozent der Arbeitsplätze in Nordamerika ist Teil eines größeren Restrukturierungsplans, um die Profite und den Aktienwert für die Anteilseigner des Konzerns zu steigern. Investoren der Wall Street haben den Aktienwert von GM in den letzten Monaten auf den niedrigsten Stand in 18 Jahren getrieben. Die Einstufung der Kreditfähigkeit des Konzerns wurde auf den Status "junk" (Schrottstatus) gesenkt. Das Unternehmen hat in diesem Jahr 5 Milliarden Dollar Verlust eingefahren und Analysten warnten, dass der Konzern innerhalb der nächsten zwei Jahre in Konkurs gehen könnte. In der Woche davor sah sich der Vorstandsvorsitzende Rick Wagoner gezwungen, seinen Angestellten zu versichern, dass GM nicht die Absicht habe, Konkurs zu beantragen.
Als er am Montagmorgen des 21. November in der Konzernzentrale in Detroit das massive Arbeitsplatzvernichtungsprogramm des Unternehmens ankündigte, sagte Wagoner, die Maßnahmen würden die strukturellen Kosten um 6 Milliarden Dollar reduzieren. Die Ausgaben des Konzerns kämen dann "auf gleiche Höhe wie bei unseren großen weltweiten Konkurrenten". Er fuhr fort: "Kurz gesagt, sie sind ein wesentlicher Teil unseres Plans, unsere nordamerikanischen Operationen so schnell wie möglich wieder profitabel zu machen."
Der Aktienwert von GM eröffnete nach diesen Ankündigungen höher, sank aber in den Nachmittagsstunden wieder ab, nachdem eine wachsende Anzahl von Investoren und Analysten erklärt hatten, der Plan ginge nicht weit genug. "Der Plan ist im Wesentlichen so wie erwartet, das bedeutet er ist nicht sonderlich aggressiv," schrieb Rob Hinchliffe, der Analyst von UBS in einer Nachricht an seine Kunden. Er fügte hinzu, dass der Marktanteil des Konzerns, der bereits gesunken ist, noch weiter fallen könnte. Er hielt eine Einstufung zum Verkauf der Aktie ebenso aufrecht wie ein Preisziel von 20 Dollar unter dem gegenwärtigen Preis.
Folgende Niederlassungen sind zur Schließung oder für Massenentlassungen ausersehen:
- Das Montagewerk in Oklahoma City wird seine Produktion Anfang 2006 einstellen.
- Das Fertigungs- und Stanzwerk in Lansing, Michigan, wird seine Produktion 2006 einstellen.
- Die Produktionslinie Nr. 1 im Spring Hill Werk in Tennessee wird die Produktion Ende 2006 beenden.
- Das Montagewerk in Doraville, Georgia, wird seine Produktion nach Ende des Produktionszyklus seiner gegenwärtigen Produktion 2008 einstellen.
- Die dritte Schicht im Werk Oshawa, Ontario, wird in der zweiten Hälfte von 2006 eingespart. Das Autowerk Nr. 2 in Oshawa wird seine Produktion 2008 einstellen, sobald die Produktion des gegenwärtigen Produkts ausläuft.
- Das Aggregatewerk St. Catharines Ontario Street West wird seine Produktion 2008 beenden.
- Das Motorenwerk in Flint, Michigan North 3800 wird seine Produktion 2008 beenden.
- Die dritte Schicht in Moraine, Ohio wird 2006 eingestellt.
- Das Metall-Werk in Pittsburgh, Pennsylvania wird seine Produktion 2007 einstellen.
- Die Zubehör-Verteilzentren in Portland (Oregon), St. Louis (Missouri), Ypsilanti (Michigan) und in einer noch nicht genannten Stadt werden geschlossen.
Insgesamt wird GM seinen Ausstoß um etwa 1 Million Einheiten reduzieren. Wagoner kündigte auch an, dass im nächsten Jahr der Abbau von weiteren Arbeitsplätzen im Angestelltenbereich geplant sei. Seit 2000 hat GM die Arbeitsplätze von Angestellten um 32 Prozent auf 36.000 reduziert. Bis Ende nächste Jahres wird der Abbau 40 Prozent erreichen - was die Vernichtung von weiteren 2.500 Arbeitsplätzen bedeutet.
Die geplanten Schrumpfungsmaßnahmen sind die größten, seit GM Anfang der 1990er Jahre ankündigte, 21 Montagefabriken und Produktionsanlagen stillzulegen und 74.000 Arbeitsplätze in der Produktion und Verwaltung bis zur Mitte des Jahrzehnts zu streichen. Mit der neuen Runde von Kürzungen wird GM seine Arbeitsplätze im Produktionsbereich bis Ende 2008 auf 86.000 Arbeiter in den USA reduzieren. Das entspricht grob der Anzahl von Arbeitern, die GM allein in Flint, Michigan in den 1970er Jahren beschäftigte. In seiner Blütezeit beschäftigte GM über 600.000 amerikanische Arbeiter.
Der praktische Zusammenbruch von GM unterstreicht den allgemeinen Niedergang der Stellung der US-Industrie auf dem Weltmarkt. Gegründet 1908, wuchs GM zum größten Industriekonzern der Welt heran, der den weltweiten Automarkt in den 1950er und 1960er Jahren dominierte. Beginnend mit den 1970er Jahren forderten jedoch effizientere und in höherer Qualität produzierende asiatische und europäische Wettbewerber GM und andere US-Autohersteller heraus, nicht nur auf dem Weltmarkt, sondern auch auf dem Markt in den USA selbst.
GM verkaufte einst jedes zweite Fahrzeug in Amerika. Jetzt kontrolliert GM weniger als 25 Prozent des US-Marktes. Im Weltmaßstab ist GMs Marktanteil auf 15 Prozent gefallen und es wird erwartet, dass der japanische Autohersteller Toyota - der seinen Ausstoß steigert - GM im nächsten Jahr als größter Autohersteller überholt.
Diese Krise wurde durch steigende Benzin- und Rohstoffpreise verschärft, sowie durch die sinkende Nachfrage nach mit Flüssiggas fahrenden leichten LKWs und Spaß-Fahrzeugen (SUVs). Zur gleichen Zeit haben sich die Kosten für die Gesundheitsversorgung der 750.000 aktiven und in Rente gegangenen Arbeiter des Konzerns und ihrer Angehörigen erhöht.
Wie bei einem großen Teil von Corporate Amerika ist die zugrundeliegende Krise der Profitabilität bei GM zusammen gekommen mit "Unregelmäßigkeiten" bei der Buchhaltung und der Unterordnung jeglicher langfristigen Geschäftsstrategie unter die kurzfristigsten Forderungen der reichen Investoren und Konzernvorstände. Stellenabbau, Lohnsenkungen und Steigerung der Arbeitshetze gingen Hand in Hand mit der Ausplünderung der Ressourcen des Konzerns durch seine Spitzenmanager, die sich routinemäßig Millionen an jährlichen Gehältern und Bonusauszahlungen genehmigen. Die gesamte US-Konzernelite ist in nackte Gier und Kriminalität verwickelt. GM wird zurzeit vom der US-Börsenaufsichtsamt untersucht und gab vor Kurzem zu, dass es seine Gewinne 2001 um 400 Millionen Dollar zu hoch angab.
Finanzspekulationen und Betrug sind im Gleichklang angewachsen, mit zerstörerischen Konsequenzen für die soziale und industrielle Infrastruktur des Landes. Mit einem Aktienwert, der sich auf dem niedrigsten Niveau seit 1987 befindet, hat GM einen Börsenwert von 12 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Der Börsenwert von Wal-Mart steht bei 204 Milliarden Dollar und der von Google bei 112 Milliarden.
Es gibt weit verbreitete Spekulationen, dass der Kasino-Mogul Kirk Kerkorian aus Las Vegas - der im Verlauf des Sommers einen zehnprozentigen Anteil bei GM erwarb - vorhat, diese Situation auszunutzen und den Autohersteller zum Ausverkaufspreis zu erwerben. Analysten sagen voraus, dass er dann die profitabelsten Anteile des Konzerns - wie dessen Finanzarm GMAC- verkaufen würde. Dann würde er den Autokonzern - zusammen mit seinen Verpflichtungen für Renten und Gesundheitsversorgung - in den Bankrott stoßen, was ihm selbst erlauben würde, sich mit Milliardengewinnen davon zu machen.
Die Antwort der GM-Vorstände bestand darin, die Angriffe auf die Arbeitsplätze und den Lebensstandard der Arbeiter zu verschärfen. Im letzten Monat setzte GM Kürzungen bei der Gesundheitsversorgung durch, wie es sie vorher nicht gegeben hat. Sie werden dazu führen, dass Arbeiter, Rentner und ihre Familien Hunderte von Dollars bei der medizinischen Versorgung zuzahlen müssen. Teil der Vereinbarung mit der United Auto Workers Union (der Autoarbeitergewerkschaft) ist die Einführung "leistungsbezogener Beiträge" für die medizinische Versorgung der Rentner. Das ist der erste Schritt zur Abschaffung des garantierten "festgelegten Anspruchs" auf medizinische Versorgung und Renten für Autoarbeiter.
Die Ankündigungen von GM folgen auf Nachrichten der Vorwoche, dass Delphi Automotive - der Teilezulieferer, der von GM 1999 ausgegliedert worden war und jetzt Konkurs angemeldet hat - zwei Drittel seiner Arbeitsplätze vernichten, d.h. 24.000 Arbeiter entlassen wird. Das Unternehmen versucht auch, dem Rest seiner Belegschaft eine 60-prozentige Lohnkürzung aufzuzwingen und seine Rentenverpflichtungen los zu werden.
Es wird erwartet, dass die Ford Motor Company bis zum Ende des Jahres ihre eigenen Pläne in Bezug auf Werksschließungen und Arbeitsplatzvernichtung bekannt geben wird. Letzte Woche verkündete die Nummer Zwei der US-Autoproduzenten ihren Beschäftigten, dass sie plant, als Bestandteil einer Umstrukturierung zu Beginn des nächsten Jahres 4.000 Arbeitsplätze in Nordamerika zu streichen. Die Entlassungen addieren sich zu 2.750 Arbeitsplätzen in Nordamerika, deren Streichung bis Ende 2005 Ford bereits früher angekündigt hatte. Fords früherer Teilehersteller, Visteon Corporation, kündigte vor kurzem die Streichung von 1.500 Stellen an.
Letztes Jahr wurden 90.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie in den USA vernichtet. Dies ist Bestandteil eines internationalen Trends, in dessen Rahmen Konzerne versuchen, mit einer weltweiten Überkapazitätskrise in der Autoindustrie fertig zu werden und die Produktion in Länder mit viel niedrigeren Löhnen zu verlagern. So wird Volkswagen voraussichtlich 14.000 Arbeitsplätze abbauen, die Mehrheit davon in Deutschland.
Die Gewerkschaft United Auto Workers machte klar, dass sie sich nicht gegen die Zerstörung von Arbeitsplätzen bei GM stellen wird. In einer Erklärung von Montag (21. November) bezeichnete die UAW die Katastrophe, mit der Autoarbeiter konfrontiert sind, als "enttäuschend, unfair und unglücklich" und verkündete, dass die Werksschließungen und Massenentlassungen Bestandteil der Verhandlungen für einen neuen Vertrag mit GM im Jahr 2007 sein würden. Unter den Bedingungen der gegenwärtig gültigen Vereinbarung ist es GM angeblich verboten, Werke zu schließen, so dass der Autohersteller an ausgesuchten Standorten die "Produktion auslaufen" lässt und dann mit der Gewerkschaft darüber verhandelt, sie zu schließen.
Die UAW arbeitet schon lange mit den Auto-Bossen bei der Zerstörung von Arbeitsplätzen und des Lebensstandards von Autoarbeitern zusammen, um die Konkurrenzfähigkeit der US-Autokonzerne gegenüber ihren japanischen und europäischen Rivalen zu stärken. Die Ankündigungen vom letzten Montag kamen zusammen mit Nachrichten, dass sich die UAW in Verhandlungen mit Ford und Chrysler befinde, um dort Zugeständnisse bei der Gesundheitsversorgung durchzusetzen, ähnlich denjenigen, die sie General Motors zugestanden hat.
Die Ankündigung von GM unterstreicht das völlige Versagen der United Auto Workers und des Rests der offiziellen Gewerkschaften. Die Krise, mit der die Arbeiterklasse konfrontiert ist und die zunehmenden rücksichtslosen Angriffe des Kapitals können nicht durch bürokratische Organisationen beantwortet werden, die das Profitsystem aufrechterhalten, sich auf eine nationalistische Perspektive gründen und eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse ablehnen.
Autoarbeiter müssen im internationalen Maßstab vereint und mobilisiert werden, um die Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen zu bekämpfen, die von transnationalen Konzernen angeführt werden, die den Globus nach den billigsten Arbeitskräften durchforsten. Dies ist vor allem ein politischer Kampf. Er erfordert den Aufbau einer Partei der Arbeiterklasse, die völlig unabhängig ist von der Demokratischen und der Republikanischen Partei, die für ein sozialistisches Programm kämpft, einschließlich der Enteignung der Autokonzerne und für ihre Umwandlung in Unternehmen, die im gesellschaftlichen Besitz sind und demokratisch kontrolliert werden. Die Befriedigung menschlicher und gesellschaftlicher Bedürfnisse muss zum Antriebsprinzip des wirtschaftlichen Lebens werden - und nicht die Anhäufung von persönlichen Reichtum.