Bei den polnischen Präsidentschaftswahlen hat sich der Trend der Parlamentswahlen vor zwei Wochen fortgesetzt. Während sich die Mehrheit der Polen der Abstimmung enthielt, konnten die rechten Kandidaten die Wahl vollständig dominieren. Am 23. Oktober wird es eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Kandidaten Donald Tusk von der extrem neoliberalen "Bürgerplattform" (PO) und Lech Kaczynski von der konservativen "Law and Order"-Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) geben.
Nach dem vorläufigen Endergebnis erreichte Tusk 36,3 Prozent der Stimmen und konnte damit den prognostizierten ersten Platz nur knapp gegen Kaczynski verteidigen, der 33,1 Prozent erhielt. Der Rechtspopulist Andrzej Lepper von der Bauernpartei "Samoobrona" (Selbstverteidigung) konnte 15,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen und damit den einzigen "linken" Kandidaten Marek Borowski mit 10,2 Prozent auf den vierten Platz verweisen. Alle weiteren Kandidaten blieben unter zwei Prozent. Die Wahlbeteiligung fiel mit 49,7 Prozent extrem gering aus.
Dass in zwei Wochen die beiden Kandidaten der zukünftigen Regierungskoalition aus PO und PiS zur Wahl stehen, ist in erster Linie das Ergebnis der vollständigen Diskreditierung der so genannten "Linken" in Polen. Im Oktober 2000, als die Vorgänger von PiS und PO an der Regierung waren, erreichte der amtierende Präsident Aleksander Kwasniewski von der "Demokratischen Linksallianz" (SLD) bei einer Wahlbeteiligung von 62 Prozent im ersten Wahlgang noch 53,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Fünf Jahre später erreicht sein Wunschkandidat Borowski nicht einmal ein Fünftel dieses Ergebnisses.
Borowski gehört der "Sozialdemokratie Polens" (SDPl) an, die sich Anfang des Jahres 2004 von der regierenden SLD abgespalten, den Regierungskurs aber weiterhin mitgetragen hat. Bei den Parlamentswahlen verfehlte sie den Einzug in den Sejm und ist damit zur Splitterpartei geworden. Die "Demokratischen Linksallianz" (SLD) selbst, die bei den Parlamentswahlen von 41 Prozent auf 11 Prozent abgerutscht war, hatte keinen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt. Ihr ursprünglicher Kandidat, der frühere Außenminister Wlodzimierz Cimoszewicz, hatte das Handtuch geworfen, nachdem ihm vorgeworfen worden war, er sei seiner Vermögenserklärung als Parlamentarier nicht korrekt nachgekommen.
Der Zusammenbruch der so genannten Linksparteien ist das Resultat ihrer rechten Politik. Wie vor ihnen die konservativen und rechten Parteien verfolgten sie einen rigorosen Sozialabbau, verbunden mit der Umstrukturierung und Privatisierung großer Teile der Wirtschaft, der sich direkt gegen die Bevölkerung richtete und wurden daher abgewählt. Am Ende ihrer Legislaturperiode und Kwasniewskis Amtszeit leben 30 Prozent der polnischen Kinder in Armut und 12,7 Prozent auf der Straße! Rechte und linke Parteien haben sich in Polen seit 1989 in der Regierungsverantwortung abgewechselt, um ein Programm durchzusetzen, das das Land zu einem Paradies für Unternehmer und zur Hölle für die einfache Bevölkerung gemacht hat.
Die Bevölkerung hat darauf reagiert, indem sie regelmäßig die Regierungspartei abgewählt hat und den Wahlen zunehmend ferngeblieben ist. Nach den Rekordenthaltungen bei den Europawahlen im vergangenen Jahr, als fast achtzig Prozent der Wähler zu Hause blieben, und den Sejmwahlen vor zwei Wochen, bei denen sechzig Prozent Nichtwähler registriert wurden, ist die Zahl derer, die dem gesamten Wahlvorgang den Rücken kehren, nun erstmals bei einer Präsidentschaftswahl auf über 50 Prozent angestiegen. Egal wie die Stichwahl am 23. Oktober ausgeht, man kann nicht länger von einem demokratisch legitimierten Präsidenten sprechen.
Die Kandidaten der Stichwahl
Donald Tusk und Lech Kaczynski unterscheiden sich nicht grundlegend voneinander. Beide sind konservative Politiker mit Wurzeln im rechten Flügel der Solidarnoœæ-Bewegung. Als die "Wahlaktion Solidarnoœæ" (AWS) 1997 zusammen mit der "Freiheitsunion" (UW) eine Koalitionsregierung unter Jerzy Buzek bildete, saßen Tusk (UW) und Kaczynski (AWS) als Abgeordnete in den Regierungsfraktionen. Die Buzek-Regierung schränkte damals die staatliche Rentenversicherung ein, demontierte das Gesundheitssystem und setzte umfassende Privatisierungen durch. Im Sommer 2000 verließ die "Freiheitsunion" (UW) die Regierung, unterstützte die AWS aber weiterhin. Kaczynski wurde Justizminister.
Als sich am Ende der Legislaturperiode abzeichnete, dass sowohl die "Wahlaktion Solidarnoœæ" als auch die Freiheitsunion jede Unterstützung innerhalb der Bevölkerung verloren hatte, gründete Tusk zusammen mit neoliberalen Parteifreunden die "Bürgerplattform" (PO), während Kaczynski gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) ins Leben rief. Bei den letzten Sejmwahlen versicherten beide Parteien schon im Wahlkampf ihre Koalitionsbereitschaft mit der jeweils anderen.
Außenpolitisch streben beide Kandidaten eine noch engere Zusammenarbeit mit den USA an. Kaczynski kündigte im Wahlkampf an, sein erster Staatsbesuch werde ihn in die USA führen: "Das ist unser wichtigster strategischer Partner." Tusk rechtfertigte den unpopulären Kriegseinsatz polnischer Soldaten im Irak damit, dass "die Zukunft Europas und der westlichen Zivilisation in den nächsten fünfzig oder hundert Jahren nur durch stabile transatlantische Beziehungen und die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten gesichert werden kann".
Beide Kandidaten lobten den scheidenden Präsidenten Aleksander Kwasniewski in einem Fernsehduell für seine Arbeit in der Ukraine, wo er die US-freundliche "orangefarbene Revolution" unterstützte und gleichzeitig die Auseinandersetzung mit der russischen Regierung verschärfte. Als sich im Sommer die diplomatischen Konflikte zwischen Weißrussland und Polen wegen Auseinandersetzungen um die polnische Minderheit zuspitzten, begab sich Tusk Anfang August nach Minsk und forderte von Kwasniewski mehr Engagement zur Durchsetzung der polnischen Interessen.
Sowohl von Tusk als auch von Kaczynski ist eine aggressive Politik gegenüber Russland zu erwarten. Beide unterstützen auch die Reparationsforderungen gegenüber Deutschland, und Kaczynski stellte im Sommer sogar eine Rechnung über 30 Mrd. Euro für von Deutschland verursachte Schäden in Warschau auf. Tusk gilt dabei noch als der europafreundlichere. "Unsere Beziehungen zu Deutschland sind maßgeblich für unseren Stellenwert innerhalb der EU", sagte er im Wahlkampf-Fernsehduell.
PO wie PiS wollen die Privatisierung vorantreiben, ihre Politik auf "katholische Werte" stützen und den Staatsapparat aufrüsten. Tusk bezeichnete Kaczynski sogar als "politischen Freund" und zögerte deshalb zunächst, zu den Wahlen überhaupt anzutreten. Im Wahlkampf ging es nicht so sehr um konkurrierende politische Programme, sondern vielmehr um unterschiedliche Strategien, wie dasselbe Programm durchgesetzt werden kann.
Kaczynski gibt sich als starker "Law and Order"-Mann. Er möchte eine "Vierte Republik" aufbauen, die von allen sozialistischen Einflüssen gereinigt sei. Per Verfassungsänderung und einem "Ethischen Kodex" will er außerdem die Rechte des Präsidenten gegenüber der Regierung stärken. Des Weiteren warb der 56-Jährige für eine umfassende Verschärfung der Strafgesetzgebung: "Wenn das Parlament ein Gesetz zur Wiedereinführung der Todesstrafe beschließen würde, würde ich es unterzeichnen.... Ich will ein starker Präsident sein."
Als Warschauer Bürgermeister machte er bereits deutlich, was er von demokratischen Rechten hält: Im Juni dieses Jahres hatte er eine Demonstration von Homosexuellen unter fadenscheinigen Begründungen verboten, während er eine Versammlung von Neonazis als "Normalität" bezeichnete und gestattete. Die Homosexuellen versammelten sich trotzdem und wurden von den Neonazis brutal angegriffen. Kaczynski kritisierte anschließend die Polizei, weil sie die unangemeldete Demonstration der Homosexuellen gegen die Angriffe der Faschisten geschützt habe. Er sprach in diesem Zusammenhang sogar von einer "nationalen Verschwörung".
Gegen Ende des Wahlkampfes war Kaczynski allerdings auch zunehmend bemüht, die soziale Frage anzusprechen und sich damit von seinem Kontrahenten abzugrenzen. In der Fernsehdebatte warf er Tusk vor, er vertrete "ein Programm für die Reichen". Er dagegen wolle nicht, dass sich der Staat aus der sozialen Verantwortung zurückziehe. Solche Aussagen blieben aber völlig allgemein und nichts sagend, wurden aber von den Medien benutzt, um das Bild von einem sozial-konservativen Landesvater zu zeichnen. Derartige Propaganda kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Kaczynski als Kabinettsmitglied unter Buzek sehr wenig Interesse an der sozialen Situation der Bevölkerung gezeigt und alle Kürzungen mitgetragen hat.
Der 48-jährige Tusk hingegen lehnt jeden Gedanken von sozialem Ausgleich völlig ab. Er sagte gegenüber dem polnischen Rundfunk, seine Partei lege größten Wert darauf, im Programm der Koalitionsregierung den "gefährlichen populistischen Ideen" der Partei Recht und Gerechtigkeit, vor allem im wirtschaftlichen Bereich, aus dem Wege zu gehen. Die Umsetzung so manch eines dieser Einfälle käme dem Land teuer zu stehen. Seine Partei fordert einen einheitlichen Einkommenssteuersatz von 15 Prozent, eine so genannte Flat-tax, die nichts weiter als massive Steuergeschenke für die Reichen bedeutet.
Die von Kaczynski geplante Staatsaufrüstung liegt dabei voll auf Tusks Linie. Schon 1992 erklärte er laut der polnischen Zeitung Trybuna, dass der Widerstand der Bevölkerung gegen wirtschaftsliberale Politik notfalls mit Gummiknüppeln und Gewehren gebrochen werden müsse.
Im Wahlkampf trat Tusk staatsmännisch und kompromissbereit auf. Er unterhält enge Verbindungen zur CDU-Vorsitzenden und künftigen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auch in seinem Wahlspot zu sehen war.
Der Wahlkampf hat deutlich gemacht, wie stark das politische Establishment in Polen nach rechts rückt und welch scharfe Angriffe auf soziale und politische Rechte kommen werden. Die arbeitende Bevölkerung steht vor der dringenden Aufgabe, eine unabhängige politische Partei aufzubauen, um diesen Angriffen entgegentreten zu können.