Die traditionellen Parteien der französischen Bourgeoisie haben sich am Sonntag, den 17. November, auf einem Kongress in Le Bourget bei Paris zu einer gemeinsamen Organisation zusammengeschlossen - der Union pour un Mouvement Populaire (UMP - Union für eine Volksbewegung).
An der Fusion beteiligte sich das gaullistische Rassemblement pour la République (RPR), das eigentliche Rückgrat der neuen Bewegung, sowie die liberalen Parteien Démocratie Libérale (DL) und die Union Démocratie Française (UDF). Die Präsidentschaft der neuen Partei ging an Alain Juppé (RPR), der von 1995-97 das Amt des Premierministers inne hatte und dem Staatspräsidenten Jacques Chirac nahe steht.
"Die Gründung unserer Union ist ein politischer Wendepunkt ", heißt es in der Charta der neuen Organisation. "Unsere Familien - Gaullisten, Christdemokraten, Liberale, Radikale, Soziale und Unabhängige - haben sich zum ersten Mal in einer einzigen, großen Bewegung vereinigt und damit die alten Trennlinien überwunden."
Aber nicht die gesamte klassische Rechte beteiligt sich am Aufbau der UMP: Ein Teil der UDF unter Führung von François Bayrou weigerte sich, der neuen Organisation beizutreten. Andere gaullistische Führer, wie Charles Pasqua von der RPF (Rassemblement pour la France) oder Philippe Séguin, der ex-Präsident der RPR, die beide eine anti-europäische Strömung vertreten, haben die Gründung der UMP scharf kritisiert.
Der Kongress von Le Bourget sollte den Eindruck erwecken, die UMP sei eine Volkspartei mit Masseneinfluss. Ziel der Organisatoren war es, dem - wie sie es nannten - "historischen Ereignis" durch eine Großveranstaltung einen würdigen Rahmen zu verleihen. Zu diesem Zweck wurden 15.000 Personen aus ganz Frankreich herbeigeschafft. Der Kongress diente dann als Bühne, um die Politik der neuen Regierung zu preisen und die führenden Politiker der rechten Mehrheit zu feiern. Jacques Chirac, der eigentliche Kopf der UMP, erschien nicht zum Kongress. Er wollte vermutlich seinen Kritikern keine Nahrung geben, die in der UMP nichts weiter als eine Wahlmaschine zu Gunsten des Präsidenten und seines Protégés Juppé sehen.
Die neue Partei behauptet, ihre Mitglieder stammten aus allen sozialen Schichten; sie wolle insbesondere Jugendliche, "Aktive", Lohnabhängige und Intellektuelle anziehen. Die UMP ist jedoch weit davon entfernt, eine Massenpartei zu sein. Die öffentlich genannte Mitgliederzahl von 164.500 ist selbst nach Angaben der Parteiführer stark übertrieben. Man geht im allgemeinen von 80.000 aus. An den verschiedenen Abstimmungen - über den Namen, das Emblem (eine weiße Eiche auf blau-rotem Grund), die Charta, die Statuten und die Geschäftsordnung - nahmen jeweils nur ungefähr 30.000 Personen teil. Alain Juppé wurde mit 79,4 Prozent der Stimmen zum Präsidenten der neuen Organisation gewählt, was einer tatsächlichen Zahl von 37.822 abgegebenen Stimmen entsprach.
Dies Tatsache, dass es sich hier eher um die Fusion von Funktionärsapparaten als um eine Massenpartei handelt, wird deutlich, wenn man die UMP mit der Kommunistischen Partei (KPF) vergleicht - diese hatte 1994 noch 590.000 Mitglieder (von denen heute noch ungefähr 100.000 übrig sind) - oder mit der deutschen CDU, die ungefähr 600.000 Mitglieder zählt.
Die neue Partei sagt von sich, sie werde sich im politischen Spektrum in der rechten Mitte ansiedeln, aber ihre politischen Grenzen sind alles andere als scharf gezogen. Was ihre Orientierung angeht, so herrscht Verschwommenheit vor: man hat sich offensichtlich noch nicht einmal entschieden, ob es eine Partei der rechten Mitte oder eine offen rechte Partei sein soll.
Unter anderem will man auch den Grünen und der katholischen Lobby Konkurrenz machen. So hat die UMP bereits ihren eigenen ökologischen Flügel, die "Blaue Ökologie", und Christine Boutin, die Kandidatin der Abtreibungsgegner bei der Präsidentschaftswahl, hat ihre Partei der UMP angegliedert. Auch einer souveränistischen Strömung wurde Platz eingeräumt: Sie heißt "Debout la France" (Vorwärts Frankreich) und hat bei den Vorstandswahlen 14,91 Prozent der Stimmen erhalten.
Man ging zwar auf Distanz zu RPR- und UDF-Politikern, die in den Regionalparlamenten mit dem Front National, der ultrarechten Partei Jean-Marie Le Pens, zusammengearbeitet haben und sich jetzt, wie Charles Millon und Jean-Pierre Soissons, der neuen Partei anschließen wollten. Aber gleichzeitig hieß es, man könne sie nicht für immer ausschließen. Mehrere Führer des ultrarechten Mouvement pour La France von Philippe de Villiers haben sich schon zwei Tage nach dem Kongress der UMP angeschlossen.
Die UMP sieht in der spanischen Partido Popular (PP) ihr Vorbild. Der PP-Vorsitzende Jose Maria Aznar war zusammen mit Angela Merkel (CDU) und Jose Manuel Durao Barroso, Vertreter der portugiesischen Rechten, unter den prominentesten Gästen des Kongresses, wo er seine Partei als Modell präsentierte. Aznar, der seit 1989 an der Spitze der PP steht, machte diese zu einem Sammelbecken von Christdemokraten, Liberalen und Angehörigen der Franco-Partei Allianza Popular, der er selbst angehörte. Auch auf europäischer Ebene will die UMP mit der CDU-CSU, der PP und der portugiesischen Rechten zusammenarbeiten.
Das Parteiprogramm
In der Charta der neuen Organisation treten hinter einer "politisch korrekten" Sprache und der angeblichen Sorge um "die Schwächsten und Ärmsten unter uns" deutlich die Werte hervor, die dem Unternehmerverband Medef lieb und teuer sind. Unter den Schlüsselbegriffen "Freiheit", "Verantwortlichkeit" und "Solidarität" wird der Vorrang des Individuums vor der Gesellschaft proklamiert. "Wir glauben mehr an das individuelle Schicksal der Person als an den sozialen Determinismus", heißt es unter "Libérté".
Unter dem Begriff "Verantwortlichkeit" wird die staatliche Autorität zur Grundlage des gesellschaftlichen Lebens erklärt. "Das Leben in Gesellschaft erfolgt durch den Respekt vor dem Gesetz. Je nachdem, ob Verantwortlichkeit existiert oder verschwindet, kann das gemeinsame Leben leicht oder unerträglich sein. Die Autorität des Staates und die Justiz müssen sicherstellen, dass jeder die Verantwortung für sein Handeln trägt."
Die "Solidarität" schließlich versteht die UMP völlig im Gegensatz zu dem in der Nachkriegszeit entstandenen sozialen Netz. Die Solidarität müsse "das Individuum respektieren. Sie darf sich nicht in ein Stützkorsett verwandeln und die Hilfeleistungen im Gießkannenprinzip verteilen, was zu einer Form von Abhängigkeit führt."
Gegenüber Einwanderern gibt sich die Charta relativ offen. Sie betont zwar: "Wir sind in erster Linie Franzosen", bekennt sich aber auch zum "Reichtum der Unterschiede" und zur freiwilligen Integration: "Diejenigen, die sich entscheiden, in Frankreich zu leben, müssen die Werte unserer Republik freiwillig annehmen, ohne sich zu verleugnen, aber offen sein für die französische Identität. Der Staat seinerseits muss die Chancengleichheit garantieren," heißt es in der Charta. Offensichtlich will die UMP das Wählerpotential unter den zahlreichen Einwanderer, die im Einzelhandel tätig und oft recht konservativ gesonnen sind, nicht durch übertriebenen Chauvinismus verprellen.
Der Gaullismus als politisches Erkennungsmerkmal wird in der Charta mit keinem Wort mehr erwähnt.
Die praktische Bedeutung des UMP-Programms lässt sich an der Politik der Regierung Raffarin studieren. Diese bemüht sich, die Voraussetzungen zu schaffen, die es der Kapitalistenklasse ermöglichen, sich dem Umwandlungsprozess des internationalen Kapitalismus anzupassen und auf dem Weltmarkt "konkurrenzfähig" zu sein. Unter dem Stichwort "Modernisierung des Landes" treibt sie den von der Medef angestrebten Sozialabbau, die Dezentralisierung, die Reorganisation des Arbeitsmarktes, eine Steuerreform zu Gunsten der Reichsten, die Abschaffung steuerfinanzierter, staatlich kontrollierter Sozialausgaben und Kriegsvorbereitungen voran. Um all dies gegen möglichen Widerstand durchzusetzen, baut sie demokratische Rechte ab und bereitet einen Polizeistaat vor.
Die Ursache für den Zusammenschluss
Eine Vereinigung der französischen Rechten wurde in den letzten fünfzehn Jahren schon des öfteren diskutiert, blieb aber bisher immer beim Vorsatz stecken. 1988 machte der damalige Premierminister Edouard Balladur (RPR) erstmals einen entsprechenden Vorschlag, und im Verlauf der letzten drei Jahre unternahm die Führung der RPR mehrere Einigungsversuche. 2001 wurde die France Alternance gegründet und im April des gleichen Jahres die UEM (Union en mouvement), doch nie war es gelungen, eine Partei daraus entstehen zu lassen. Noch bei der letzten Präsidentschaftswahl in diesem Frühjahr traten alle drei großen Tendenzen mit ihrem eigenen Kandidaten an.
Der Aufbau der UMP wurde erst möglich, als Jacques Chirac die Chance ergriff, die sich während der Präsidentschaftswahl 2002 bot. Der systematische Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung durch die Regierung Jospin hatte die Unterstützung für die Regierungslinke - Sozialdemokraten, Stalinisten und Grüne - unterhöhlt. So kam es, dass Chirac den ersten Wahlgang mit weniger als zwanzig Prozent der Stimmen gewann, während der Faschist Le Pen mit kaum 17 Prozent zweiter wurde und der Sozialist Jospin ausschied.
Chirac und seine Berater erfassten schnell das Ausmaß des Zusammenbruchs der Mehrheitslinken und ergriffen die Initiative, um das rechte Lager hinter sich zu vereinen. Am 23. April, zwei Tage nach dem ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl, schufen die Chirac-Leute unter dem Namen Union pour la Majorité Présidentielle (Union für eine Mehrheit des Präsidenten - UMP) ein großes politisches Sammelbecken, aus dem nun die neue Partei mit demselben Kürzel hervorgegangen ist. Bei der Parlamentswahl im Juni gewann die UMP die absolute Mehrheit und stellt seither die Regierung.
Chirac nutzte vor allem die politische Unterstützung, die ihm die Mehrheitslinke, die Gewerkschaftsbürokratie und die äußerste Linke zukommen ließen. Mit dem Argument, nur so könne Le Pen gestoppt werden, führten diese im zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahl einen aktiven Wahlkampf für Chirac. Chirac selbst hatte es nicht nötig, eine große Kampagne zu führen, und konzentrierte seine Kräfte ganz auf den Aufbau seiner neuen Rechtspartei. Dank der Kampagne der Linken wurde er schließlich mit überwältigender Mehrheit im Amt bestätigt, was ihm ausreichend Autorität und politischen Kredit verschaffte, um die Rechte zu einigen, im Juni die Parlamentswahlen zu gewinnen und die UMP zu konsolidieren.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb die bürgerlichen Politiker ihre Rivalitäten zurückstellten und der Gründung der UMP zustimmten: Angesichts der Verschärfung der sozialen Spannungen im Innern des Landes und der Zuspitzung der imperialistischen Konflikte weltweit hält die Bourgeoisie eine Umgruppierung für notwendig. Die enormen sozialen Spannungen, von denen man sich während der Präsidentschaftswahl und der Streiks der letzten Wochen ein Bild machen konnte, zwingen die Parteien der Bourgeoisie, der Arbeiterklasse geschlossen gegenüberzutreten.
Die Verwirklichung einer Politik im Interesse einer ultrareichen Minderheit auf Kosten der großen Mehrheit, die sich nur durch die Zerschlagung der demokratischen Grundrechte verwirklichen lässt, erfordert den Zusammenschluss der gesamten Rechten um eine einzige Partei. Die aktuelle Situation erinnert an diejenige von 1958, als die bürgerlichen Parteien der Vierten Republik sich alle hinter De Gaulle einreihten, weil die französische Bourgeoisie während des Algerienkriegs vor der Bedrohung durch einen Bürgerkrieg stand.
Auf europäischer Ebene geht es außerdem darum, enger mit der europäischen Rechten gegen die Arbeiterklasse des ganzen Kontinents zusammenzuarbeiten. Deshalb wurde die Gründung der UMP unter das Vorzeichen der Zusammenarbeit mit der europäischen Rechten gestellt. Die Vorsitzenden von drei anderen europäischen Parteien hielten auf dem Kongress die wichtigsten Reden nach Juppé und Raffarin. Außerdem waren etwa vierhundert internationale Prominente beim Kongress anwesend. Raffarin, Juppé und Douste-Blazy nahmen alle auch am 15. Kongress der PPE (Europäische Volkspartei) teil, der vor kurzem in Portugal stattfand.
Innere Spannungen
Die Vereinigung der französischen Rechten ist eine durch die Umstände diktierte Verbindung, und der Kitt, der sie zusammenhält, ist nicht unbedingt von bester Qualität. In den Wochen vor der UMP-Gründung drehte sich die Debatte in der Presse um die Frage, wie die internen Querelen beendet und die Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Strömungen wenn nicht überwunden, so doch verwaltet werden können.
Die Frage des Zusammenlebens der unterschiedlichen Tendenzen ist bei weitem nicht beigelegt. Ein Politologe, der im Figaro befragt wurde, war der Meinung, dass sich die verschiedenen Strömungen hinter der einheitlichen Fassade weiter bekämpfen: "Auf jeder Ebene des großen Leiterspiels, in dem sich Frankreich heute befindet, hin- und hergerissen zwischen dem Regionalen, dem Nationalen, dem Europäischen und jetzt auch den sozio-ökonomischen und kulturellen Auswirkungen der Globalisierung, bekämpfen sich Jakobiner und Dezentralisierer, Souveränisten und Föderalisten, Protektionisten und Anhänger des Freihandels und werden sich weiter bekämpfen."
Darüber ist man sich in der UMP wohl bewusst. Ihre Internet-Site betont, dass Disziplin Vorrang vor der "Ideendebatte" habe. Man zitiert hier wiederum die deutsche CDU und die spanische PP als Beispiel. Für Jérôme Monod, politischer Berater von Chirac, sind "die Strömungen, die unweigerlich zur Bildung von präsidialen Rennställen führen, im Innern der neuen Organisation nicht willkommen", berichtet die Zeitung Le Monde.
Die scheinbare Stärke der UMP - wie auch der spanischen PP oder der Forza Italia von Silvio Berlusconi - und ihr scheinbarer Erfolg sind hauptsächlich auf den Zusammenbruch des Sozialliberalismus und der modernisierten Linken zurückzuführen. Genauso hatten auch die Republikaner um George W. Bush ihren Erfolg dem Verzicht auf jede Opposition von Seiten der amerikanischen Demokraten zu verdanken.
Die Kommentare der rechten Presse und der UMP-Führer werden außerdem von der berechtigter Furcht beherrscht, dass die Kämpfe zwischen den verschiedenen Strömungen oder die Konflikte zwischen den politischen Führern wieder aufflammen und alles verderben könnten. Juppé selbst sagte am Vorabend des Gründungskongresses: "Das Wichtigste bleibt noch zu tun: Möge die neue Partei wachsen, möge sie modern und nah am Volk sein und Hunderttausende Mitglieder zählen."
Nur die politische und soziale Waffenruhe, die die Linke der Rechten verschafft hat, ermöglichte ihr eine solche Umgruppierung. Sobald die jüngsten Streiks begannen, zeigte sich, wie viel Einfluss und Vertrauen die vereinigte Rechte tatsächlich genießt - die Regierung Raffarin hielt es sofort für nötig, die Zähne zu zeigen.
Diese Parteien können sich nur deswegen umstrukturieren und mit Erlaubnis der politischen und gewerkschaftlichen Linken ihre Angriffe durchführen, weil es der Arbeiterklasse zur Zeit an einer eigenen Perspektive und politischen Führung mangelt.