Zwei Jahre nach seinem spektakulären Rücktritt als Bundesfinanzminister und SPD-Parteivorsitzender arbeitet Oskar Lafontaine daraufhin, wieder auf die politische Bühne zurückzukehren. Zu zentralen tagespolitischen Themen meldet er sich in verschiedenen Zeitungen immer wieder zu Wort. So auch letzten Montag mit einem Kommentar zu dem Terroranschlag in den USA, den er in der rechts-populistischen Bild -Zeitung, dem Massenblatt mit der höchsten Auflage in Deutschland, veröffentlichte.
Unter der Überschrift "Wie geht's nach den Terror-Anschlägen weiter?" machte er zunächst deutlich, dass er bezüglich der außenpolitischen und militärischen Reaktion mit der Berliner Rot-Grünen Koalition keine Differenzen hat.
Dann schreibt er: "Wir lernen wieder: Macht und Ohnmacht gehen Hand in Hand. Offene Gesellschaften brauchen einen starken Staat. Deregulierung, Privatisierung, Green Card für Techniker, Pilotenscheine für ein paar Dollar, Niederlassungsfreiheit für jedermann und leere Staatskassen untergraben innere und äußere Sicherheit. Die Verächtlichmachung des Staates muss ein Ende haben. Der Staat sind wir!"
Lafontaine gibt sich als Kritiker der Globalisierung und der neuliberalen Wirtschaftspolitik. Vor einigen Wochen hat er seine Unterstützung für die Anti-Globalisierungs-Bewegung "Attac" ausgesprochen. Seine Zeilen in der Bild -Zeitung machen unmissverständlich deutlich, dass seine Kritik ("Deregulierung, Privatisierung, leere Staatskassen") nicht von den Interessen der arbeitenden Bevölkerung geleitet ist, sondern von den Bedürfnissen des starken Staats, der "inneren und äußeren Sicherheit" für die herrschenden Eliten Deutschlands und Europas.
So kritisiert er die Schröder-Regierung von rechts, wenn er die "Green Card für Techniker" angreift. Die Aufenthaltserlaubnis für ausländische Informatiker ist zeitlich und nach Berufsqualifikation begrenzt, verstößt also gegen das demokratische Grundrecht der weltweiten Freizügigkeit, auf freie Wahl des Wohnorts. Aber Lafontaine will überhaupt keine Zuwanderung oder nur eine, die unter vollständiger staatlicher Kontrolle steht. Ausdrücklich fordert er die Abschaffung des demokratischen Grundrechts der Niederlassungsfreiheit für jedermann.
Und noch ein demokratisches Recht ist ihm ein Dorn im Auge, das Recht auf einen freien Zugang zu Berufen wie den eines Piloten. Die Pilotenausbildung der mutmaßlichen Attentäter von New York und Washington dient ihm dazu als Vorwand.
Wenn er fordert "die Verächtlichmachung des Staates muss ein Ende haben", fragt man sich verwundert: wer oder welche politische Tendenz macht heute "den Staat verächtlich?"
Versteht Lafontaine als "Verächtlichmachung des Staates" Kritik an bürgerkriegsähnlichen Polizeieinsätzen wie in Genua in diesem Sommer oder in München vor zwei Jahren? Die Kritik an der Einschränkung demokratischer Rechte durch Notstands- und Antiterror-Gesetze? An der Rechtslastigkeit der Justiz, die alte Naziverbrecher und junge rechtsradikale Gewalttäter protegiert? Der gesetzliche Datenschutz, ja demokratische Rechte überhaupt, der Schutz des Individuums vor staatlichen Eingriffen und Übergriffen, empfindet Oskar Lafontaine all das als Herabsetzung der Würde des Staats, womit nun endlich Schluss gemacht werden müsse?
Lafontaine ist schon immer als Gegner demokratischer Rechte aufgetreten. So war er der erste SPD-Oberbürgermeister, der bereits vor 20 Jahren in Saarbrücken Zwangsarbeit für jugendliche Sozialhilfeempfänger einführte. Als Ministerpräsident des Saarlandes versuchte er später seine Kritiker durch die gesetzliche Einschränkung der Pressefreiheit mundtot zu machen. Unvergessen ist auch, wie er 1993 in der SPD die Zustimmung zur Abschaffung des Asylrechts durchsetzte. Jetzt aber erklärt er die Schaffung eines starken Staates explizit zur Achse seiner Innenpolitik.
Sollte irgendjemand einmal geglaubt haben, Lafontaine vertrete in der SPD gegenüber dem Schröder-Kurs eine fortschrittlichere, demokratischere oder "sozialere" Tendenz, dürfte spätestens mit diesem Kommentar eines Besseren belehrt werden.