Proteste in Rumänien nehmen zu

Das Sparprogramm der rumänischen Regierung unter Premierminister Emil Boc stößt in der Bevölkerung auf wachsenden Widerstand. Obwohl die Gewerkschaften des Landes alles daran setzen die Proteste und Streiks zu unterdrücken, macht sich der Unmut über die vom Internationalen Währungsfond (IWF) und der Europäischen Union (EU) diktierten Maßnahmen zunehmend Luft.

Die Proteste begannen am 15. März. 160 Schulen im Bezirk Buzau blieben geschlossen und 50.000 Schüler hatten frei. Die Lehrer sind über Massenentlassungen und die Nicht-Bezahlung höherer Löhne, die sie vor Gericht erstritten hatten, empört. Weitere Gründe für ihre Unzufriedenheit sind das Fehlen von sozialem Dialog mit den Gewerkschaften vor der Ausarbeitung neuen Bildungsgesetzes, der Abbau von 15.000 Arbeitsplätzen in diesem Jahr, der unzureichende Etat 2010 für die Beschäftigten im Bildungsbereich und die von der Regierung verlangte Erhöhung des Renteneintrittsalters. Anstatt die vor Gericht erstrittenen höheren Löhne zu erhalten, müssen die Lehrer seit Februar 2010 sogar eine dreißigprozentige Lohnsenkung hinnehmen.

2008 verabschiedete das Parlament eine 50-prozentige Erhöhung der Lehrergehälter, aber die damalige Regierung setzte sich mit zwei Notverordnungen darüber hinweg. Diese Verordnungen wurden bald für verfassungswidrig erklärt, aber die Bestimmungen des Gesetzes wurden vergangenes Jahr in eine weitere Notverordnung übernommen, deren Ziel es war, Lohnerhöhungen zu blockieren. Sie blieb bis Ende 2009 in Kraft.

Deswegen zogen Lehrer im ganzen Land gegen die Regierung vor Gericht, um sich ihr Recht zu erstreiten. Ungefähr 45.000 Verfahren von Lehrern laufen gegenwärtig wegen der Lohnerhöhungen gegen das Bildungsministerium. Die Hälfte ist schon zugunsten der Lehrer ausgegangen.

Aber immer noch weigert sich die Regierung, die Gehälter entsprechend auszuzahlen. Die Verweigerung der Zahlung der Löhne wird mit Mangel an Geld und mit der Gefahr begründet, das Haushaltsdefizit zu überschreiten. Der Ministerpräsident warnte, dass selbst wenn die Gehälter erhöht würden, der Vorteil schnell wieder verloren ginge, weil die Inflation steigen würde. Er fügte hinzu: "Wenn die öffentlichen Ausgaben aus dem Ruder laufen, setzen wir unsere Zukunft aufs Spiel. Ich muss jetzt als Vertreter von 22 Millionen Rumänen handeln und tun, was für alle das Beste ist."

Der Protest der Lehrer von Buzau blieb nicht ohne Resonanz. Am 25. März gab es im ganzen Land Protestkundgebungen. Demonstranten versammelten sich vor Rathäusern, Schulämtern und in Bukarest vor dem Bildungsministerium.

Die Führer der Lehrergewerkschaft hingegen weigerten sich konsequent, die Kämpfe für die ausstehenden Löhne zu unterstützen. Dasselbe war bereits bei der staatlichen Eisenbahn der Fall, wo 10.000 Beschäftigte entlassen werden sollen. Hier organisieren die Gewerkschaften keinerlei Widerstand.

Auch die zusätzlichen Gebühren im Gesundheitswesen heizen den Ärger in breiten Bevölkerungsschichten an.

Zusätzliche Kosten für Besuche beim Hausarzt und im Krankenhaus, sind für viele Rumänen nicht mehr bezahlbar. Wegen ihrer immer prekäreren wirtschaftlichen Lage werden die Rumänen gut überlegen, bevor sie den Hausarzt für eine Routineuntersuchung oder Vorsorgetests besuchen, die absolut notwendig sind und als unverzichtbar angesehen werden.

Der Präsident der rumänischen Ärzteausbildung, Prof. Dr. Vasile Astarastoae, argumentierte, dass die Konzentration auf die laufenden Kosten zum Nachteil einer besseren Finanzausstattung gehe. Das führe zu negativen Konsequenzen für die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung und für die Gesundheit benachteiligter Gruppen von Bürgern im Besonderen.

Die Rentner protestieren ebenfalls noch. Sie fordern freie medizinische Behandlung, Zugang zu Behandlungszentren und die Beibehaltung des Rentenalters. Gleichzeitig hat der Vorstand des Nationalen Rentnerbundes beschlossen, wegen der Missachtung des Gesetzes 250/2007 gegen die Regierung vor Gericht zu ziehen. Dieses Gesetz besagt, dass der Wert eines Rentenpunkts 45 Prozent des Durchschnittslohnes beträgt.

Am Donnerstag, den 1. April war Bukarest von einem spontanen Streik der 4.500 Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs paralysiert. Normalerweise werden täglich 2,7 Millionen Fahrten mit den oberirdischen Verkehrsmitteln gemacht, die alle ausfielen. Der Hauptgrund für den Streik war der Kaufkraftverlust der Löhne und der ausgefallene Osterbonus. Die Demonstranten forderten ein Rentenalter von 58 Jahren und 25 Prozent des Lohns als Oster-, Weihnachts- und "Carrier day"-Bonus. Außerdem forderten die Beschäftigten, ihre Löhne in Zukunft an die Inflation zu koppeln. Sie drohten erneut zu protestieren, falls ihre Forderungen nicht erfüllt würden.

Boc und andere Regierungsvertreter machten derweil klar, dass es keine Umkehr im Sparkurs der Regierung geben werde. Im Gegenteil. Beim Rumänienbesuch von IWF-Chef Dominik Strauss-Kahn versicherten Regierung und Staatschef Traian Basescu, dass auch weitere Kürzungen umgesetzt würden, um die Bedingungen des IWF zu erfüllen.

Dabei ist man auch bereit, die Infrastruktur, die ohnehin teilweise in marodem Zustand ist, weiter verkommen zu lassen. Kein einziger Kilometer neuer Autobahn wird in diesem Jahr eröffnet, kündigte beispielsweise Verkehrsminister Radu Berceanu an. Dabei ist der Bedarf enorm. Im gesamten Land stehen nur 321 Kilometer Autobahn zur Verfügung.

Wie die New York Times unlängst schrieb, befürchten Analysten wegen der harten Sparmaßnahmen und des sozialen Niedergangs "wachsenden sozialen Aufruhr".

Siehe auch:
IWF-Chef diktiert Rumänien Bedingungen
(15. April 2010)
Loading