Barack Obama stieß die amerikanische Autoindustrie am Montag auf seiner Pressekonferenz ziemlich vor den Kopf. Er schloss rundweg aus, sie mit einem "Blankoscheck" vor der Insolvenz zu retten. Fast im gleichen Atemzug bekräftigte der künftige Präsident seine Bereitschaft, Banken und Finanzinstitute einen solchen "Blankoscheck" zu gewähren. Für ihre Rettung werde er "alles" tun, versprach Obama.
Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen - und Obama ist nicht der einzige, der das tut. Obamas Erklärung beweist nur einmal mehr, dass seine künftige Regierung George Bushs Politik in den wesentlichen Zügen unverändert fortsetzen wird.
Obamas Bemerkungen passen auch zur Haltung des Kongresses, in dem die Demokraten die Mehrheit haben: Der Kongress ließ die Autoindustrie vergangene Woche im Regen stehen und riskierte eher den Bankrott der Großen Drei (General Motors, Ford, Chrysler) und die mögliche Vernichtung von drei Millionen Arbeitsplätzen, als ein Rettungspaket über 25 Milliarden Dollar für die Autohersteller zu genehmigen. Obama lobte den Kongress dafür.
Alle sind sich einig: Der Wall Street werden unbeschränkte Mittel aus Steuergeldern bedingungslos zur Verfügung gestellt. Für die Autoindustrie ist dagegen jeder Pfennig Regierungshilfe zuviel, es sei denn, im Gegenzug werden den Arbeitern gnadenlos Zugeständnisse abgepresst.
Auf seiner Pressekonferenz gelobte Obama auch, seine Regierung werde "die Verpflichtungen der öffentlichen Hand respektieren, die von der gegenwärtigen Regierung im Kampf gegen die Krise eingegangen worden sind". Damit hat er den Mund ganz schön voll genommen.
Einem Bericht auf Bloomberg News vom Montag zufolge hat die US-Regierung für die Rettung der Banken und Finanzhäuser schon 7,4 Billionen Dollar zugesagt - das ist mehr als das Zehnfache des vom Kongress gebilligten Rettungspakets für die Wall Street.
Diese unvorstellbare Summe entspricht der Hälfte des amerikanischen Bruttoinlandsprodukts und belastet jeden Bürger, ob Mann, Frau oder Kind, mit 24.000 Dollar.
Der Löwenanteil des Geldes kommt von der Zentralbank Federal Reserve, die 4,4 Billionen versprochen hat. Bloomberg zufolge verleiht die Fed jetzt pro Woche durchschnittlich über 1.900mal so viel Geld wie vor einem Jahr. Diese Geldflut erfolgt ohne die geringste Zustimmung des Kongresses, von der Zustimmung der Bevölkerung ganz zu schweigen. Die Fed weigert sich sogar anzugeben, an welche Banken das Geld geht, wie viel sie bekommen und welche Sicherheiten die Regierung im Gegenzug für diese gigantischen Kredite erhält.
Die letzte Rate ging am Sonntag in einem riesigen Rettungspaket an die Citigroup.
Die WSWS vertritt keineswegs den Standpunkt der Autobosse, und wir unterstützen auch kein Rettungspaket, das ihre Profitinteressen schützt. Nichtsdestoweniger ist die Diskrepanz zwischen der Verachtung, mit der die Vorstandschefs von GM, Ford und Chrysler behandelt werden, und der zuvorkommenden Behandlung der Citigroup bemerkenswert.
Anders als die Autobosse, die zwei Tage lang in Kongressausschüssen Rede und Antwort stehen mussten, bevor sie Washington mit leeren Händen verließen, musste der Chef der Citigroup, Vikram Pandit, nicht einmal persönlich vorbeischauen, geschweige denn auf eine Abstimmung im Kongress warten. Alle Bedingungen der Bankenrettung wurden von Finanzminister Henry Paulson und anderen hohen Beamten hinter verschlossenen Türen ausgehandelt.
Die Automanager mussten sich Vorhaltungen über alles Mögliche anhören, von ihrem Versagen als Manager, über ihre Anreise nach Washington in Privatjets, bis hin zu der grellen Empörung in den Medien über die goldenen Löffel, mit denen die Autoarbeiter angeblich gefüttert würden. Niemand nahm Pandit in die Zange, wie er es denn wagen könne, als Chef einer krisengeschüttelten Bank um Steuergelder zu betteln, wobei diese Bank ihm zu Beginn des Jahres einen Bonus von dreißig Millionen Dollar in Aktien gezahlt hat, zusätzlich zu den 165 Millionen, die sie als Teil seines Einstellungsvertrags in seinen Hedge Fond eingezahlt hat. Keiner der Nachrichtensender rümpfte die Nase darüber, dass ein Manager, der in einem achtzehn Millionen Dollar teuren Appartement in direkter Nachbarschaft von New Yorks Central Park wohnt, "mit der Mütze in der Hand" die Regierung anbettelt.
Und während Obama und die Demokratische Kongressführung von den Autokonzernen die Vorlage eines "Geschäftsplans für künftige Profitabilität" verlangen, ehe diese auch nur einen Cent erhalten, gab es im Fall der Citigroup nichts dergleichen. Der Regierungsplan wurde in einem gerade mal halbseitigen Memorandum bekannt gegeben, das vom Finanzministerium, der Federal Reserve und der FDIC unterzeichnet war. Die Citigroup verpflichtete sich zu nichts.
Wie kann man sich diese offensichtliche Anwendung von zweierlei Recht erklären? Einige sagen, es sei wegen grobem Managerversagens nur recht und billig, wenn die Großen Drei Bankrott machten. Aber was ist mit dem Managementversagen bei der Citigroup, die es immerhin geschafft hat, innerhalb von zwei Jahren mehr als neunzig Prozent des Aktienwerts der Firma zu vernichten, der von 244 Milliarden Dollar auf 20,5 Milliarden Dollar abgestürzt ist? Noch dazu sind die riesigen Verluste der Bank hauptsächlich das Ergebnis verantwortungsloser Spekulation mit Subprime-Hypotheken und Kreditsicherungen im Interesse astronomischer Boni für die Wertpapierhändler und Vorstände der Citigroup.
Nein, wenn die Regierung - mit Unterstützung Obamas und der Demokraten - die Verluste der Citigroup vergesellschaftet und die Profite gleichzeitig in privater Hand lässt, und wenn sie gleichzeitig die Großen Drei im Regen stehen lässt, dann tut sie das aus eindeutigen Klasseninteressen.
In dem drohenden Bankrott der Autofirmen sieht die herrschende Elite die Chance, den Lebensstandard, die Arbeitsbedingungen und die Sozialleistungen massiv anzugreifen und so die Arbeiterklasse für die Krise bezahlen zu lassen.
Ihr Ziel besteht darin, an den Autoarbeitern ein Exempel zu statuieren. Schließlich waren die Löhne der Autoarbeiter in der Geschichte schon immer ein Maßstab für die ganze Arbeiterklasse. Das Ziel wird entweder durch einen regelrechten Bankrott und die mögliche Vernichtung von Millionen Arbeitsplätzen erreicht, oder durch eine so genannte Rettungsaktion, die nur gewährt wird, wenn im Gegenzug die Löhne gesenkt, die Kosten für Kranken- und Rentenversicherung für die aktiv Beschäftigten beseitigt und die Renten- und Krankenversicherung für Hunderttausende Rentner gestrichen werden.
Ein solcher Angriff würde dann als Beispiel dienen und sich in Angriffen auf alle Teile der Arbeiterklasse im ganzen Land fortsetzen.
Diese Strategie hängt mit dem Niedergang des amerikanischen Kapitalismus, der Deindustrialisierung und der immer übergewichtigeren Rolle der Finanzindustrie in der US-Wirtschaft zusammen. Dadurch ist die Spekulation der Citigroup und anderer großer Banken zu einer viel wichtigeren Profitquelle für die amerikanische herrschende Elite geworden als die produktiven Aktivitäten von Firmen wie GM, Ford und Chrysler.
Die Behauptung, Rettungspakete der Regierung würden die breite Bevölkerung vor den Auswirkungen der Finanzkrise schützen, ist eine glatte Lüge. Sie werden nur aufgelegt, um die Interessen des obersten Prozents der Bevölkerung auf Kosten der großen Mehrheit zu verteidigen.
Um sich gegen eine Wiederholung der Großen Depression der 1930er Jahre zu wappnen, muss die Arbeiterklasse für ihre eigene Lösung der Krise kämpfen. Statt die kapitalistischen Besitzer zu retten, muss sie die Verstaatlichung der Autoindustrie fordern und diese unter die demokratische Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung stellen.
Citigroup und die anderen Großen Banken und Finanzinstitute, die die Wirtschaft immer noch in den Abgrund reißen können und dabei Dutzende Millionen in Arbeitslosigkeit und Armut stoßen, müssen genauso verstaatlicht werden. Die Vorstände und großen Aktienbesitzer dürfen keine Entschädigung erhalten.
Nur so kann der von der Arbeiterklasse geschaffene Reichtum zur Schaffung von Arbeitsplätzen mit anständigen Löhnen, zum Bau von Wohnungen, für eine vernünftige Gesundheitsversorgung und Bildung und für eine gesicherte Rente für alle genutzt werden.
Die politische Voraussetzung für einen solchen Kampf ist ein völliger Bruch der Arbeiterklasse mit der Demokratischen Partei. Eine unabhängige Partei muss aufgebaut werden, die für eine Arbeiterregierung kämpft.