Mit der Sprengung eines Kühlturms seiner Nuklearanlage Yongbyon und der Veröffentlichung des Berichts zu seinem Atomprogramm vom 26. Juni zeigte Nordkorea seine Bereitschaft, mit der atomaren Abrüstung zu beginnen. Obwohl Washington so wenig Zugeständnisse wie möglich an Nordkorea machen möchte, akzeptiert es den Bericht. Dies ist ein Eingeständnis der politischen und militärischen Schwäche der USA in dieser Schlüsselregion. Gleichzeitig will sich Washington nicht die Möglichkeit versperren, später wieder eine aggressivere politische Haltung einzunehmen.
Pjöngjang stimmte der Erstellung eines solchen Berichtes während der Sechs-Parteien-Gespräche im Oktober 2007 zu, an denen die USA, China, Russland, Japan, Südkorea und Nordkorea teilnahmen. Diese Gespräche waren 2003 aufgenommen worden, um wachsende Spannungen zwischen den USA und Nordkorea zu entschärfen. Damals hatte Nordkorea angekündigt, es werde bis 2005 die Atombombe haben. Seither führt es Verhandlungen mit der US-Regierung, die ihm Sicherheitsgarantien im Austausch gegen Zugeständnisse beim Atomprogramm gewährt.
Nordkorea reichte seine Erklärung nicht zur Abgabefrist am 31. Dezember 2007 ein, da es Unstimmigkeiten mit den USA über den Inhalt gab. Dennoch akzeptierte die Bush-Regierung den aktuellen Bericht, wie auch die Zusicherungen Nordkoreas, dass die USA Zugang zu den Atomanlagen des Landes bekommen sollten.
Im Bericht steht, dass Nordkorea ungefähr 40 kg Plutonium hergestellt hat - genug für sechs bis zehn Atombomben. Das bestätigt die Vermutungen von Analysten des US-Geheimdienstes, die von 30 bis 50 kg ausgingen. US-Behörden zufolge versprach Nordkorea, es werde amerikanischen Inspektoren erlauben, unabhängig Proben des radioaktiven Mülls von Yongbyon und aus dem Reaktorkern zu entnehmen und Einblick in 18.000 Seiten Operationsaufzeichnungen zu nehmen. Die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice sagte auf einem G8-Treffen in Kyoto zu Reportern, sie glaube, dass die USA nun "die Möglichkeit haben, die Vollständigkeit und Genauigkeit der Dokumente zu prüfen".
Der stellvertretende Außenminister von China, Wu Dawei, Gastgeber der Pekinger Gespräche und erster Empfänger des nordkoreanischen Berichts, sprach sich dafür aus, dass die USA "ihren Verpflichtungen nachkommen und Nordkorea von der Terrorliste streichen. Sie sollten die Maßnahmen aufheben, die aufgrund des Gesetzes über Handel mit dem Feind erlassen wurden". Dieses Gesetz untersagt US-Firmen Geschäftsbeziehungen zu Ländern, die als Feinde Washingtons eingestuft sind.
Washington unternahm auch schon erste Schritte, um Handelssanktionen gegen Nordkorea aufzuheben, und leitete die 45-tägige Prozedur ein, die nötig ist, um Nordkorea von der Liste der den Terror unterstützenden Staaten zu streichen. Aber diese Schritte führen höchstens zu einer leichten Entspannung und werden Nordkoreas erdrückende wirtschaftliche Isolation nicht beseitigen. Es wird ein Leichtes sein, sie aus jedem möglichen Anlass wieder abzubrechen. Auf einer Pressekonferenz vom 26. Juni sagte Bush: "Die beiden von Amerika unternommenen Schritte haben nur geringe Auswirkungen auf die finanzielle und diplomatische Isolierung Nordkoreas. Nordkorea bleibt weiterhin eine der am schwersten sanktionierten Nationen der Welt."
US Verteidigungsminister Robert Gates fügte hinzu: "Aufgrund seines Verhaltens gibt es in Realität viele weitere Sanktionen gegen Nordkorea, und es macht wirklich keinen Unterschied, ob es von der Terrorliste gestrichen wird."
Auch stellten amerikanische Politiker in Frage, ob der nordkoreanische Bericht wirklich das gesamte produzierte Plutonium aufliste. Sie wiesen darauf hin, dass der Bericht keine Informationen über mögliche Atomwaffen oder ein Urananreicherungsprogramm enthalte.
Die Regierung versucht die erbitterte Opposition des rechten Republikaner-Flügels zu beschwichtigen, die jede Lockerung des Drucks auf Nordkorea ablehnen. Der ehemalige UN-Botschafter der Bush-Regierung, John Bolton, bezeichnete das Abkommen als "beschämend" und sagte, es komme einem "endgültigen Zusammenbruch von Bushs Außenpolitik" gleich.
Noch ungewöhnlicher war Reaktion von Vizepräsident Dick Cheney. Das geht aus einem Bericht der New York Times vom 27. Juni über ein Meeting zur Außenpolitik hervor. Cheney soll wie versteinert reagiert haben, als ihm eine Frage zu Korea gestellt wurde.
Die Times weiter: "Mehr als dreißig Minuten lang beantwortete er Fragen, ohne aus dem Takt zu geraten. Doch nun starrte er ohne ein Lächeln mehrere Sekunden lang auf den Fragenden, Steven Clemons von der New American Foundation. (...) Schließlich sagte er: ´Ich bin nicht die Person, die diese Entscheidung bekannt gibt´. Andere Teilnehmer erinnerten sich, dass Mr. Cheney auf sich selbst wies und sagte: ´Sie müssen sich mit ihrem Interesse an dieser Frage an das Außenministerium richten´. Darauf erklärte er, die Fragestunde sei zu Ende, und verließ den Raum."
Die bisherige Nordkorea-Politik der Bush-Regierung liegt in Scherben. Sie zielte darauf ab, das Land zu isolieren und mit militärischen Mitteln in Schach zu halten, um ein potenzielles Bündnis in Nordostasien zu verhindern, das den strategischen und kommerziellen Interessen der USA zuwiderläuft. Das amerikanische Militär steckt tief im Sumpf der blutigen und verhassten Irak- und Afghanistanbesetzung, und gleichzeitig ist der geopolitische Einfluss der USA in jener Region rückläufig, deren strategische Bedeutung stetig wächst.
Kurz nach ihrem Amtsantritt im März 2001 brach die Bush-Administration die Gespräche ab, die unter Clinton geführt worden waren. Dies beendete die "Sonnenscheinpolitik" des damaligen südkoreanischen Präsidenten, Kim Dae Jung. Diese Politik sollte den Aufbau von ökonomischen und politischen Beziehungen zu Nordkorea ermöglichen und zielte auf eine bessere regionale Integration ab. Die USA waren damit konfrontiert, dass Japan, China, Korea und der gesamte Eurasische Kontinent enger zusammenrückten. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erklärte Bush, Nordkorea sei Teil der "Achse des Bösen", und erhöhte den diplomatischen und militärischen Druck auf das Land, während seine Truppen im Irak einfielen.
Der Krieg gegen den Irak führte jedoch bald dazu, dass der Einfluss der USA in Nordostasien zurückging. Im Mai 2004 begannen die Vereinigten Staaten mit dem Abzug einiger Truppen aus Südkorea, die seit dem Koreakrieg von 1950-53 dort stationiert waren, und verlagerten sie in den Nahen Osten. Im Februar 2005 gab Nordkorea bekannt, dass es Atomwaffen besitze. Im Oktober führte es eine Testexplosion mit unbekannten Ergebnissen durch. Eine darauf folgende Tour von Condoleezza Rice durch die Region verfehlte ihr Ziel, die Isolierung Nordkoreas zu erreichen. Kurz nach Bushs Niederlage in den Zwischenwahlen vom November 2006 folgte dann das Sechs-Parteien-Abkommen, das Korea zur atomaren Abrüstung bewegen sollte.
Mittlerweile macht sich die amerikanische Bourgeoisie ernsthaft Sorgen, die Nordostasienpolitik der Bush-Regierung könnte völlig aus dem Ruder laufen. In einem Bericht an das Senatskomitee für Auswärtige Beziehungen sagte Dr. Kurt Campbell vom "Zentrum für eine neue amerikanische Sicherheit" vergangenen Monat: "Einige sehr enge Berater des Präsidenten raten ihm, all seine wachen Stunden damit zu verbringen, einer zunehmend skeptischen amerikanischen Bevölkerung die Notwendigkeit des Kriegs zu erklären.... Andere Berater wiederum argumentieren, die Vereinigten Staaten müssten damit beginnen, den Irak im größeren Zusammenhang zu sehen und sich auf andere wichtige Probleme zu konzentrieren, so auf das Drama, das sich in Asien abspielt, und besonders auf den dramatischen Aufstieg Chinas."
Auch wenn Nordostasien wirtschaftlich immer noch von den Exporten in die USA abhängig ist, nimmt der regionale Handel rapide zu. Speziell China tut sich als Exporteur von Konsumgütern an die lukrativen Märkte in Japan und Korea hervor, im Gegenzug exportierten Japan und Korea Kapital nach China. Als größter Handelspartner von Südkorea überholte China im Jahr 2003 die USA. Im Jahr 2005 belief sich der chinesisch-südkoreanische Handel auf 100 Milliarden US-Dollar, während der Handel Japans mit Südkorea und der der USA mit Südkorea jeweils 70 Milliarden US-Dollar betrugen. Der japanisch-chinesische Handel belief sich im Jahr 2007 auf 29,36 Billionen Yen, im Gegensatz zu 24,84 Billionen Yen im japanisch-amerikanischen Handel.
China nutzt sein wirtschaftliches Wachstum auch, um die erheblichen Zuwächse im Militärhaushalt zu finanzieren. Dabei geht es hauptsächlich um Taiwan und die Kontrolle über die Schifffahrtswege. Die Existenz Nordkoreas als Puffer zwischen China und den hochgerüsteten Streitkräften Südkoreas und der USA spart China Ressourcen, die ansonsten zur Aufrechterhaltung einer teuren Militärpräsenz entlang der chinesisch-koreanischen Grenze aufgewandt werden müssten.
Der Konkurrenzkampf zwischen den USA und China über Schlüsselrouten in der Schifffahrt verschärft sich immer mehr, und der wachsende Unmut über die Stationierung von US-Einheiten seit Ende des zweiten Weltkriegs erzwingt den Rückzug von Truppen aus den am stärksten umstrittenen Stützpunkten.
So schreibt der Sydney Morning Herald : "Die Amerikaner modifizieren die Position ihrer Streitkräfte entlang der ostasiatischen Küste (...). Die unbeliebten US-Streitkräfte werden aus Südkorea und der japanischen Insel Okinawa abgezogen und nach Guam, das unter US-Verwaltung steht, verlegt. Eine längerfristige Entspannung auf der koreanischen Halbinsel wird diesen Prozess beschleunigen."
In Südkorea erschüttern Massendemonstrationen gegen amerikanische Rindfleischimporte zurzeit die konservative Regierung von Präsident Lee Myung-bak. Sie sind Ausdruck explosiver Spannungen in der Region. Die Demonstrationen richten sich nicht nur gegen die mangelhafte Hygiene in der amerikanischen Fleischindustrie, sondern ganz allgemein gegen die Anwesenheit von US-Streitkräften in Südkorea, wie auch die Unterstützung der US-Regierung für all die repressiv-autoritären Regime, die Südkorea 35 Jahre lang, seit dem Koreakrieg, regierten.