Nicolas Sarkozy, der am Mittwoch das Amt des französischen Präsidenten übernimmt, hat ehemaligen sozialistischen Ministern Ämter in seinem Kabinett angeboten. Außerdem traf er sich bereits vor der offiziellen Amtsübernahme mit den Führern aller großen Gewerkschaftsverbände.
Die neue Regierung wird zwar erst nach der Amtsübernahme Sarkozys gebildet. Es gilt aber als sicher, dass dieser am Donnerstag seinen engen Vertrauten François Fillon zum Premierminister ernennen und die neue Regierung spätestens bis zum darauffolgenden Montag vervollständigen wird. Die neue Regierung wird vorerst nur provisorischen Charakter haben und erst nach dem 17. Juni, wenn die Zusammensetzung des neuen Parlaments feststeht, ihre endgültige Form erhalten.
Die vergangenen Tage waren von intensiven Konsultationen und damit verbundenen Spekulationen über die Zusammensetzung der zukünftigen Regierung erfüllt. Am Freitag empfing Sarkozy Hubert Védrine, den Außenminister der Regierung der "pluralen Linken" unter Lionel Jospin. Berichten zufolge soll Sarkozy ihm das Amt des Außenministers in seiner eigenen Regierung angetragen haben.
Auch Bernard Kouchner, in der Regierung Jospin kurzfristig für Gesundheit zuständig, soll das Amt des Außenministers angeboten worden sein. Kouchner hat eine wechselvolle politische Karriere hinter sich. Der Mitbegründer der Hilfsorganisation Médecins sans frontières (Ärzte ohne Grenzen) bekleidete zwischen 1988 und 1993 unter mehreren sozialistischen Premierministern hohe Regierungsämter. Zwischen 1999 und 2001 war er UN-Verwalter des Kosovo. Anschließend trat er der Regierung Jospin bei. 2003 unterstützte er den US-Krieg gegen den Irak.
Als drittes ehemaliges Mitglied der Regierung Jospin wurde Claude Allègre als Ministerkandidat ins Gespräch gebracht. Der Jugendfreund Jospins und Erziehungsminister von 1997 bis 2000 hatte sich im Präsidentenwahlkampf geweigert, die sozialistische Kandidatin Ségolène Royal zu unterstützen.
Védrine und Allègre sollen Sarkozys Angebot - zumindest vorläufig - abgelehnt haben, wobei Allègre den zukünftigen Präsidenten mit Lob überschüttete. "Der Mann beeindruckt mich, er hat Charisma und außerdem ist er äußerst sympathisch," zitiert ihn die Zeitung Le Figaro. Kouchner soll dagegen Interesse an einem Ministeramt gezeigt haben. Er sei "bereit, in die Regierung einzutreten", wird eine Quelle aus der Umgebung Sarkozys zitiert.
Es bleibt abzuwarten, ob sich in der neuen Regierung tatsächlich ein Mitglied der Sozialistischen Partei finden wird. Doch allein die Tatsache, dass eine solche Möglichkeit ernsthaft erwogen wird, hat große politische Bedeutung. Sie zeigt erneut, dass Sarkozys Erfolg weniger das Ergebnis eigener Stärke, als des Bankrotts der vorgeblichen "Linken" ist.
Wir hatten bereits in einem früheren Artikel drauf hingewiesen, dass Sarkozy seinen Wahlsieg in erster Linie der rechten und feigen Politik der Organisationen verdankt, die einst vorgaben, die Interessen der arbeitenden Bevölkerung zu vertreten (siehe: Sarkozys Wahlerfolg - der Offenbarungseid der Linken’). Er ist auch jetzt auf deren Unterstützung angewiesen, um sein arbeiterfeindliches Programm gegen den Widerstand der Bevölkerung durchzusetzen.
Unmittelbar erhofft er sich von seinem Werben um frühere sozialistische Minister bessere Chancen bei der bevorstehenden Parlamentswahl. Er will so den Ängsten entgegentreten, sein konfrontativer Stil werde unkontrollierbare soziale Kämpfe provozieren - nicht ohne Erfolg, wie ein Kommentar der Zeitung Libération zeigt.
Das linksliberale Blatt, das im Wahlkampf Ségolène Royal unterstützt hatte, schreibt nun, man könne Sarkozys Offerten zwar "als rein taktisches Manöver im Hinblick auf die Parlamentswahlen" sehen; "einige linke Schwalben" ergäben "noch keinen Frühling für eine Regierung, die im Wesentlichen rechts bleibt". Aber dennoch, fährt Libération fort: "Man müsste Sektierer sein, um nicht anzuerkennen, dass seine Regierung, falls dies der Fall sein solle, weniger konservativ und wirtschaftsliberal sein wird, als man befürchtet. Beurteilen wir sie nach ihren Taten..."
Tatsächlich hat Sarkozy an seinem rechten, wirtschaftsfreundlichen Programm keine Abstriche gemacht. Für alle Schlüsselministerien - Wirtschaft, Finanzen, Arbeit, usw. - sind enge Vertrauensleute vorgesehen, die für ihren kompromisslosen, neoliberalen Kurs bekannt sind. Sarkozy selbst unterhält engere Beziehungen zu führenden Wirtschaftskreisen als jeder andere Präsident vor ihm. Seine Trauzeugen waren zwei führende Industrielle, nach der Wahl verbrachte er einen Kurzurlaub auf der Luxusjacht eines befreundeten Milliardärs, und sein Bruder Guillaume war bis vor zwei Jahren Vizepräsident des Unternehmerverbandes Medef. Auch an seiner harten Haltung gegenüber straffälligen Jugendlichen und Immigranten hält der neue Präsident unvermindert fest.
Es wird erwartet, dass die Umsetzung dieses Programm auf heftigen Widerstand stoßen wird. So warnt das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel : "Fast jeder Reformversuch einer französischen Regierung endete bislang an brennenden Barrikaden." Es zitiert einen führenden Mitarbeiter von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den Worten: "Den Barrikadentest muss Sarkozy erst noch bestehen."
Das ist der Grund, weshalb Sarkozy ehemaligen sozialistischen Ministern die Hand entgegen streckt. Er weiß, dass sie im Grunde mit ihm übereinstimmen und bereit sind, die Opposition gegen seine Politik zu unterdrücken. Dasselbe gilt für die Gewerkschaften.
Am Montag und Dienstag empfing Sarkozy hintereinander die Führer aller großen Gewerkschaftsverbände empfangen. Das ist höchst ungewöhnlich. Üblicherweise finden derartige Treffen erst nach der offiziellen Amtseinführung des Präsidenten statt.
Jean-Claude Mailly, Vorsitzender des Gewerkschaftsverbandes Force Ouvrière (FO), zeigte sich über die Einladung begeistert. "Das ist eine Première," sagte er in einem Interview mit Libération. "Wir werden zuhören, was er uns zu sagen hat. Was uns betrifft, möchten wir über Inhalte und Methoden diskutieren."
Mailly bekundete seine Bereitschaft, mit Sarkozy zusammenzuarbeiten. "Entweder die ernannte Regierung will sehr schnell vorgehen und eine Reihe von Maßnahmen erzwingen, oder sie erweist sich als pragmatisch und beginnt, über die anstehenden Themen zu konsultieren, sich abzustimmen und zu verhandeln. Wir werden offensichtlich für letztere Methode plädieren. Über eine Frage wie die Arbeitslosenversicherung zum Beispiel sind Verhandlungen erforderlich."
Ähnlich wie Mailly äußerten sich auch die anderen Gewerkschaftsführer. Alle erklärten ihr Bereitschaft, bei der Verwirklichung von "Reformen" (ein Synonym für Sozialabbau) mit der Regierung zusammenzuarbeiten - falls diese sie als Gesprächspartner akzeptiert.
François Chérèque von der CFDT sagte: "Die Antworten auf die wirtschaftlichen und sozialen Fragen, die im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte standen, müssen unter aktiver Teilnahme der Sozialpartner angegangen werden... Entscheidend wird die Methode sein, mit welcher der Staatschef die Reformen angeht." Und Bernard Thibault von der CGT sekundierte: "Die Gewerkschaften sind a priori weder eine Kraft der Opposition noch eine Kraft der Zusammenarbeit."
Der konservative Figaro stellte befriedigt fest: "Nicht dass die Gewerkschaften das Wahlergebnis in Frage stellten. Im Gegenteil, alle haben einhellig das Wiederwachen der Demokratie und die Rechtmäßigkeit begrüßt, die ihr Ergebnis Nicolas Sarkozy erteilt."
Während sich einige sozialistische Ex-Minister auf den möglichen Beitritt in eine Regierung Fillon vorbereiten, will sich die Sozialistische Partei als Ganze weiter rechts positionieren. Der Vorsitzende François Hollande kündigte am Sonntag neue Pläne an, nach den Parlamentswahlen eine "große Partei der Linken" zu schaffen. Sie solle "den ganzen Raum von der Linken, aber nicht bis zur extremen Linken, bis in die linke Mitte oder die Mitte umfassen."
Als "Mitte" wird in der offiziellen Sprache der französischen Politik üblicherweise die rechtsliberale UDF François Bayrous bezeichnet. Hollandes Ankündigung kann daher nur als Annäherung an dessen Kurs verstanden werden. Selbst der Begriff "sozialdemokratisch", der in der französischen Sozialistischen Partei eine rechten Beiklang hat, geht im dabei nicht weit genug. Die Sozialdemokratie sei "ein alterndes Modell, sie stammt aus dem Vokabular der 70er oder 80er Jahre", sagte er.