Am heutigen Freitag beginnt im VW-Werk Brüssel-Forest eine Abstimmung über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Direktion.
Die belgische Betriebsratsführung und die Gewerkschaften haben auf ihrer gestrigen Sitzung ein Verhandlungsergebnis akzeptiert, das sich direkt gegen die Beschäftigten richtet. Es sieht vor, dass die Belegschaft von 5.400 auf 2.200 reduziert wird. Die Produktion des VW-Golf wird - wie von Anfang an von der Konzernleitung geplant - schrittweise ganz aus Brüssel abgezogen. Statt wie bisher insgesamt 200.000 Fahrzeuge sollen in den kommenden zwei Jahren jeweils nur noch 12.500 Golf, 46.000 Polo und 24.000 eines noch unbestätigten Wagens, wahrscheinlich des Audi A3, gebaut werden.
Die Existenz des VW-Werks Brüssel-Forest wird in der Vereinbarung für nur zwei weitere Jahre, bis Ende 2008, garantiert. Von Seiten der Direktion wird die Weiterführung der Produktion mit der Forderung nach Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich verbunden. Entweder wird das Werk nach dieser zweijährigen Galgenfrist ganz geschlossen, oder - und dies wird von vielen Beschäftigten vermutet - ein anderes VW-Werk, zum Beispiel der Standort im spanischen Pamplona, wird geschlossen und die Produktion von Pamplona nach Brüssel verschoben. So oder so ist der Angriff auf die Brüsseler Belegschaft nur der Auftakt für noch viel größere, europaweite Rationalisierungsmaßnahmen des ganzen VW-Konzerns.
Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre versuchen das Verhandlungsergebnis gegen den Widerstand der Beschäftigten durchzusetzen, indem sie die relativ hohen Abfindungen für diejenigen, die das Werk freiwillig verlassen, als "großen Erfolg" darstellen. Teil dieser Regelung ist, dass Beschäftigte je nach Betriebszugehörigkeit zwischen 25.000 und 144.000 Euro erhalten sollen. Außerdem wird es für rund 900 ältere Arbeiter, die über fünfzig Jahre alt sind, eine "großzügige" Vorruhestandsregelung geben.
Nach Auskunft einiger Arbeiter soll die Abstimmung über die Vernichtung von 3.200 Arbeitsplätzen direkt mit der Abstimmung über die Abfindungsvereinbarung und Vorruhestandsregelung verknüpft werden. Mit anderen Worten: Wer gegen den Abbau der Arbeitsplätze stimmt, votiert gleichzeitig auch gegen die Abfindungen und Rentenregelung. So versucht die Gewerkschaft, die älteren und jüngeren Beschäftigten und auch die Arbeiter und Angestellten gegeneinander auszuspielen.
Die Redaktion der WSWS fordert die VW-Arbeiter in Brüssel auf, dieses üble Manöver zurückzuweisen und gegen die Vereinbarung zu stimmen.
Der Verkauf von Arbeitsplätzen gegen Abfindungen untergräbt nicht nur die Stellung der Arbeiterklasse als ganzer, sie setzt auch die Zukunft der jungen Generation aufs Spiel, für die diese Arbeitsplätze für immer verloren sind. Ganze Industrieregionen, wie die Stahl- und Kohlereviere in Wallonien und im deutschen Ruhrgebiet, sind auf diese Weise in industrielle Wüsten verwandelt worden, mit verheerenden Auswirkungen für die gesamte Bevölkerung.
Die Tatsache, dass viele Arbeiter bereits der Abfindungsvereinbarung zugestimmt haben, oder sich überlegen zuzustimmen, bedeutet nicht, dass sie mit dem Arbeitsplatzabbau einverstanden sind. Vielmehr handelt es sich dabei um ein Misstrauensvotum gegen die Gewerkschaften. Der Ausverkauf durch die Gewerkschaften und Betriebsräte gilt in der Belegschaft offensichtlich als besiegelt. Niemand erwartet mehr, dass mit ihnen die Arbeitsplätze prinzipiell und auf Dauer verteidigt werden können.
Die Ablehnung des Verhandlungsergebnisses muss zum Ausgangspunkt gemacht werden, um gegen die systematische Erpressung von Seiten der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre anzukämpfen und die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten selbst in die Hand zu nehmen.
Das erfordert einen politischen Bruch mit den Konzeptionen der Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung. Eine völlig andere Perspektive ist notwendig. Sie muss vom internationalen Charakter der modernen Produktion und den gemeinsamen Interessen aller Arbeiter weltweit ausgehen. Und sie muss für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft eintreten. Die gesellschaftlichen Interessen müssen Vorrang vor den Profitinteressen der Konzerne haben.
Wir wiederholen unseren Aufruf zum Aufbau von Verteidigungskomitees gegen Massenentlassungen und Sozialabbau, um der feigen und bankrotten Politik der Gewerkschaften entgegenzutreten, die sich vollständig im Rahmen der kapitalistischen Logik bewegt. Wir bieten unsere Unterstützung an, um die Verteidigung der Arbeitsplätze mit dem Kampf für eine solche sozialistische, internationalistische Perspektive zu verbinden.