In den vergangenen Wochen haben amerikanische Regierungsvertreter und Militärs mit Unterstützung der Medien ihre Kriegsdrohungen gegen den Iran verschärft. Genau wie vor vier Jahren, als die Invasion im Irak vorbereitet wurde, versuchen die führenden Politiker und Medien einen Vorwand für Militäraktionen gegen den Iran zu konstruieren. Dabei hat es der Iran keineswegs auf das Gebiet der Vereinigten Staaten abgesehen und stellt keine Gefahr für die amerikanische Bevölkerung dar.
Die Desinformationskampagne wird in einer Weise betrieben, als wären die Behauptungen über Massenvernichtungswaffen und die angeblichen Verbindungen zwischen dem Irak und al Qaida nie als Lügen entlarvt worden. Die Propagandakampagne der Bush-Regierung gegen den Iran ist völlig unglaubwürdig. Breite Schichten der Weltbevölkerung betrachten die US-Regierung als Verbrecherbande, die sich über alle Bedenken und Widerstände hinwegsetzt. Das hindert die amerikanischen Massenmedien aber nicht daran, die jüngsten Behauptungen der Regierung zu verbreiten, als wär’s das Evangelium.
Besonders empörend ist die gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung diverser amerikanischer Vertreter, der Iran müsse daran gehindert werden, sich in die Angelegenheiten es Irak "einzumischen". Die Supermacht, die für den Tod von unzähligen Irakern sowie den buchstäblichen Zerfall der irakischen Gesellschaft in den letzten anderthalb Jahrzehnten verantwortlich ist und zurzeit 150.000 Soldaten auf irakischem Boden stationiert hat, wirft tatsächlich anderen "Einmischung" vor. In Wirklichkeit ist die größte Katastrophe, die das irakische Volk in seiner ganzen Geschichte erlebt hat, eine Folge amerikanischer "Einmischung".
Natürlich verfolgt das iranische Regime von Mahmud Ahmadinedschad im Irak eigene Interessen. Man könnte darauf hinweisen, dass der Sturz Saddam Husseins und das Einsetzen einer Marionettenregierung mit starker pro-iranischer, schiitischer Beteiligung in Bagdad eine enorme Stärkung für das Teheraner Regime bedeuteten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die amerikanische Propaganda soll die Ausweitung des Kriegs im Nahen Osten rechtfertigen und dient dem Plan der USA, ihre Kontrolle über die enormen Energiereserven der Region zu festigen. Alle anderen Behauptungen dienen lediglich dazu, der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen.
Die gegenwärtige Kampagne nahm mit George W. Bushs Rede vom 10. Januar richtig Tempo auf, als der Präsident ankündigte, amerikanische Truppen würden "die Netzwerke suchen und zerstören, die unseren Feinden im Irak hoch entwickelte Waffen liefern und Ausbildung zukommen lassen". Am nächsten Tag überfielen US-Truppen das iranische Konsulat in der nordirakischen Stadt Irbil und nahmen fünf iranische Staatsbürger fest. Gegen sie liegt bisher kein belastendes Material vor.
Vergangene Woche wurde bekannt, dass das amerikanische Militär den Auftrag hat, im Irak arbeitende iranische Staatsvertreter zu jagen und zu töten. Bush verteidigte diese Politik letzten Freitag und erklärte: "Es macht Sinn, wenn wir Leute stoppen, die unseren Truppen schaden und uns an der Erreichung unserer Ziele hindern wollen oder unschuldige Zivilisten im Irak töten."
US-Vizepräsident Cheney ist an dieser Front einer der lautstärksten Hetzer. Nach Bushs Rede und der provokativen Razzia in Irbil sagte er der Presse, die US-Regierung halte es für sehr wichtig, den Iranern klarzumachen, dass sie "ihre Leute besser zu Hause lassen".
Cheney sagte weiter, Teheran gehe ein großes Risiko ein, wenn es Angriffe auf US-Truppen begünstige und schiitische Milizen bei der Ausübung religiös motivierter Gewalt unterstütze. "Ich denke", bemerkte der Vizepräsident, "die Botschaft des Präsidenten lautet: Wir wollen nicht, dass der Iran den Irak nach Kräften destabilisiert".
US-Außenministerin Condoleezza Rice und Sicherheitsberater Stephen Hadley stießen ähnliche Warnungen vor einer Destabilisierung des Iraks durch den Iran und Syrien aus. Der amerikanischen Botschafter im Irak Zalmay Khalilzad forderte einem Bericht zufolge den Iran kürzlich auf, "seine Hände vom Irak zu lassen". Verteidigungsminister Robert Gates bekräftigte laut Los Angeles Times, "er glaube, das Problem der iranischen Einmischung im Irak könne gelöst werden, ohne die Grenze zu überschreiten". Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats Gordon Johndroe erklärte, der Iran spiele "im Irak eine destruktive Rolle". Der neue US-Kommandeur im Irak Generalleutnant David Petraeus kritisierte jüngst vor einem Kongressausschuss "die Gefahr, die von der iranischen und syrischen Einmischung im Irak ausgeht".
Die amerikanische Regierung und die Armee setzen durch die Medien diverse Gerüchte über iranische Aktivitäten in die Welt. In Newsweek behaupten Michael Isikoff und Mark Hosenball, der Iran beliefere die irakischen Aufständischen mit elektronischen Sensoren, "die kaum einen Dollar kosten" und als improvisierte Bombenzünder benutzt würden. Der Beweis? "Jüngste Berichte amerikanischer Geheimdienste zeigen, dass iranische Agenten oder Vermittler diese Teile in großer Zahl von Herstellern in Fernost bezogen haben, sagte ein Agent der amerikanischen Abwehr, der seinen Namen im Zusammenhang mit einer derart sensiblen Angelegenheit nicht gedruckt sehen wollte."
Weiter heißt es bei Isikoff und Hosenball: "In den letzten Wochen haben sich die Bush-Regierung und die Regierung des britischen Premierministers Tony Blair immer dringlicher zur Einmischung des Irans im Irak geäußert. Sie gehen offenbar von einer direkten Verbindung zwischen dem Iran und schiitischen Extremisten aus, die an Angriffen auf amerikanische Truppen beteiligt waren."
Die iranischen Revolutionsgarden sind dabei, Aufständische im Irak auszubilden. Die Iraner finanzieren die schiitischen Milizen. Die Iraner liefern Informationen über die Herstellung spezieller Projektile, usw.
Die Medien wiederholen unkommentiert die Behauptungen des Pentagons und übernehmen auch die Sprache der Regierung. Terence Hunt von Associated Press schreibt: "Das Weiße Haus erklärt, es gebe immer stärkere Hinweise darauf, dass der Iran Terroristen im Irak unterstützt und wichtiger Lieferant von Bomben und anderen Waffen ist, die gegen US-Kräfte eingesetzt werden." Reuters meldet: "Die Vereinigten Staaten werfen dem Iran auch vor, die Instabilität im Irak zu fördern. Präsident George W. Bush warnte die Iraner am Freitag, sie würden gestoppt, wenn sie amerikanische oder irakische Kräfte im Irak angreifen." ABC berichtet atemlos: "Von allen Feinden, mit denen es die Vereinigten Staaten im Irak zu tun haben, kommen die schlimmsten aus dem Iran. US-Beamten zufolge wird das Pentagon bald Beweise vorlegen, dass der Iran den Aufständischen tödliche Waffen liefert."
Man beachte auch hier wieder die Quelle der Nachricht und den Überbringer. Die US-Regierung behauptete einst, das Hussein-Regime verfüge über beträchtliche Mengen tödlicher Chemie- und Biowaffen und der Irak stecke direkt oder indirekt hinter den Selbstmordattentaten vom 11. September in New York und Washington. Die amerikanischen Medien reichten diese Behauptungen geflissentlich als Tatsachen an die Öffentlichkeit weiter. Damit trugen sie ihren Teil zu der völkerrechtswidrigen Invasion und Besetzung im Irak bei - mit den bekannten katastrophalen Folgen. Warum sollte man also den Berichten über iranische Aktivitäten auch nur den geringsten Glauben schenken?
Aber selbst wenn alle Berichte zuträfen: Verglichen mit den systematischen Verwüstungen, die der amerikanische Imperialismus in den letzten fünfzehn Jahren im Irak angerichtet hat, würde die iranische "Einmischung" im Nachbarland nach objektiven Maßstäben kaum ins Gewicht fallen.
Selbst wenn man die CIA-Interventionen im Irak in den Nachkriegsjahren sowie Washingtons Unterstützung für das Hussein-Regime bei der Unterdrückung linker Gegner und im Krieg gegen den Iran nicht einbezieht, hat allein schon der Golfkrieg von 1991 dem Irak unermesslichen Schaden zugefügt.
Die amerikanische Luftwaffe warf in anderthalb Monaten 88.500 Tonnen Bomben auf den Irak und auf Kuwait ab. Die Angriffe waren Teil einer bewussten Strategie und zerstörten wichtige Infrastruktur, besonders die Strom- und Wasserversorgung. Eine Million Geschosse mit abgereichertem Uranmantel kamen in dem Konflikt zum Einsatz. Die Folgen für die irakische Bevölkerung und für viele US-Soldaten waren verheerend.
Das US-Verteidigungsministerium schätzt, dass 100.000 irakische Soldaten im Golfkrieg umkamen und 30.000 verwundet wurden. Die Anzahl der zivilen Opfer ist unbekannt. Washington hat kein Interesse, diese Frage zu klären. Business Week zufolge kam die Demographieexpertin Beth Osborne Daponte von der amerikanischen Statistikbehörde 1991 zu folgender Einschätzung: "13.000 Zivilisten wurden direkt von amerikanischen und alliierten Kräften getötet. Ungefähr 70.000 Zivilisten starben anschließend aufgrund von Kriegsschäden an medizinischen Einrichtungen und Gütern, dem Elektrizitätsnetz und der Wasserversorgung."
Daponte wurde von der Statistikbehörde entlassen, weil sie angeblich "falsche Informationen" verbreitet habe. Sie klagte gegen ihre Entlassung und erhielt ihren Arbeitsplatz zurück. Seitdem hat sie ihre Schätzungen revidiert und geht jetzt davon aus, dass "205.500 Iraker im Krieg und in der Nachkriegszeit starben", berichtet Business Week.
Auf den ersten Golfkrieg folgten zwölf Jahre verheerender Sanktionen. Ein Bericht von UNICEF und dem irakischen Gesundheitsministerium aus dem Jahr 1999 kommt zu der Einschätzung, ohne diese Sanktionen hätten "im Verlauf der acht Jahre von 1991 bis 1998 eine halbe Million Kinder unter fünf Jahren weniger sterben müssen".
Der Krieg gegen den Irak hat niemals aufgehört. Die Bombenangriffe gingen unter der Clinton-Regierung weiter, zum Beispiel während der Operation Desert Strike im September 1996 und der Operation Desert Fox im Dezember 1998, als das US-Militär die so genannten "Flugverbotszonen" durchsetzte.
Darauf erfolgte die Invasion im März 2003 unter Führung der USA und die Besetzung des Landes. Ganze Städte, in denen der Widerstand gegen das koloniale Besatzungsregime der Amerikaner besonders heftig war, wie Falludscha, wurden in Schutt und Asche gelegt. Und die US-Politik schürte ganz bewusst ethnisch-religiöse Spaltungen - mit entsetzlichen Folgen. Im Oktober 2006 veröffentlichte das britische Medizin-Fachjournal Lancet eine Studie, der zufolge die jüngste amerikanische Intervention zum Tod von etwa 655.000 Irakern geführt hat. Die Studie, die sich auf die modernsten Forschungsmethoden stützt, wurde von einem Team irakischer Ärzte unter Führung von Seuchenspezialisten des Instituts für Gesundheitswissenschaft an der John-Hopkins-Universität in Maryland durchgeführt.
Um die Ölressourcen unter seine Kontrolle zu bekommen, hat der amerikanische Kapitalismus der irakischen Gesellschaft den Krieg erklärt. Wenn Cheney und Konsorten wütend über "ausländische Einmischung" sprechen, meinen sie das ohne Zweifel völlig aufrichtig. Als Besatzungsmacht haben sie kein Problem damit, sich lauthals über die "Störung von außen" zu entrüsten. Für die amerikanische Herrscherclique und ihre prominentesten Verbrechertypen wie Cheney ist die ganze Welt, besonders ihre ölreichsten Regionen, amerikanisches Eigentum. So gesehen gibt ihnen das amerikanische "Nationalinteresse" das Recht, nach Belieben an jedem Ort des Planeten einzugreifen, während die Aktivitäten jedes anderen Regimes als unzulässig und "destabilisierend" gebrandmarkt werden.
Nicht jeder Medienvertreter handelt, als hätte er Gedächtnisschwund. Obwohl sie durchaus fähig sind, mit dem Iran genau so umzugehen wie damals mit dem Irak, merken doch einige Journalisten, dass sich die öffentliche Stimmung stark geändert hat. Sie spüren zumindest die Notwendigkeit, zu erklären, warum man diesmal der US-Regierung glauben sollte.
Am 28. Januar veröffentlichte David Sanger von der New York Times einen Artikel mit der Überschrift: "In der Iranfrage wird Bush vom Irak heimgesucht". Er beginnt mit den Worten: "Während Präsident Bush und seine Mitarbeiter erwägen, wie der Iran frontal anzugehen sei, entdecken sie, dass ihre Worte und ihre Strategie auf Erinnerungen an die Zeit vor vier Jahren treffen - als ihre Warnungen vor Terroraktivitäten und nuklearen Ambitionen offensichtlich das Vorspiel zum Krieg waren. Diesmal, darauf bestehen sie, ist es anders."
Am Montag stellte die Pentagon-Korrespondentin Barbara Starr von CNN die Behauptungen des US-Militärs und Außenministeriums über die üblen iranischen Machenschaften im Irak als unanfechtbare Tatsachen dar. Fernsehmoderator Miles O’Brien wies vorsichtig darauf hin: "Natürlich, Barbara, hat die Bush-Regierung da ein kleines Glaubwürdigkeitsproblem, angesichts der Falschinformationen im Vorfeld des Irakkriegs. Wie kommen sie darüber hinweg?" Starr antwortete: "Gut, es ist ganz klar, dass das ein Stolperstein zum jetzigen Zeitpunkt ist, besonders im Außenministerium, wo man, wie Sie wissen, ganz genau weiß, dass die Behauptungen über Massenvernichtungswaffen im Irak sich als unwahr herausgestellt haben. Die offiziellen Sprecher sagen, diesmal sei es anders."
Unterschiede gibt es zwar, aber einige Dinge bleiben doch gleich: die unersättlichen geopolitischen Ambitionen der Vereinigten Staaten, die Neigung der amerikanischen Elite zur Lüge und die Bereitschaft der Medien, diese Lügen zu schlucken und zu verkaufen.