Sächsische Landesbank fällt der Kreditkrise zum Opfer

Der Zusammenbruch des amerikanischen Subprime-Hypothekenmarktes hat in Europa ein weiteres Opfer gefordert. Am Freitag wurde bekannt, dass die Sachsen LB, die sächsische Landesbank, in eine Klemme geraten war, aus der ihr nur durch Bereitstellung von 17,3 Mrd. Euro geholfen werden konnte.

Die Rettungsaktion wurde von einem Pool der Sparkassen-Finanzgruppe organisiert, nachdem der Investment-Ableger der Sachsen LB, Ormond Quay, wegen seiner Beteiligung an amerikanischen Subprime-Hypotheken in eine Liquiditätskrise geraten war.

"Die anhaltende Marktstörung beim Absatz von Asset Backed Commercial Papers hat zu Zweifeln hinsichtlich der Sicherstellung der Refinanzierung des von der Sachsen LB Europe plc. betreuten Conduits Ormond Quay mit einem Volumen von 17,3 Mrd. Euro geführt", gab die Sachsen LB in einer Presseerklärung bekannt.

Vor der Sachsen LB musste vor einigen Tagen schon die 84-jährige IKB Deutsche Industriebank gerettet werden, nachdem ihre Tochtergesellschaft Rhineland Funding nicht mehr in der Lage war, Geldmarktpapiere zu verkaufen, weil sie zu stark unter den Druck von auf US-Hypotheken gestützten Investitionen geraten war.

Die Rettungsaktion wurde von der deutschen Bankenaufsicht BaFin organisiert. Wäre die Bank untergegangen, befürchtete die BaFin, hätte Deutschland vor der größten Finanzkrise seit 75 Jahren stehen können. Bei der Mittelstandsbank IKB sollen 17,5 Milliarden Euro an US-Subprimes auf der Kippe stehen, und sie könnte bis zu 20 Prozent ihrer Investitionen verlieren.

Der Untergang der IKB und der Investmenttochter der Sachsen LB ist das Ergebnis von zwei Faktoren: Erstens ist die Profitabilität der deutschen Wirtschaft in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts zurückgegangen, und zweitens wurde versucht, dieses Problem mit neuen Finanzmechanismen nach amerikanischem Muster anzugehen, wie sie von den amerikanischen Kreditrating-Agenturen befürwortet wurden.

Vor fünf Jahren war die IKB eine kleine Bank, die den Mittelstand mit langfristigen Krediten versorgte. Im Jahr 2002 begann sich die IKB auf Drängen der Ratingagenturen zu diversifizieren, um dem Rückgang der Profite entgegenzuwirken. Zu den Krediten an den Mittelstand kamen Investitionen auf den Finanzmärkten. Diese Aktivitäten wurden mittels der Tochter Rhineland getätigt, die gegründet wurde, um Geld von Investoren in den USA und in Europa einzusammeln.

Rhineland zog ihren Profit aus der Differenz zwischen den Zinsen, die sie für die von ihr herausgegebenen Geldmarktpapiere zahlen musste, und dem Gewinn aus dem Kauf von Anleihen. Rhineland wuchs schnell. Im September 2003 hielt sie 4,8 Mrd. Euro Schuldverschreibungen, im Januar 2006 war diese Summe schon auf 9 Mrd. Euro angewachsen.

Die Ratingagenturen waren zufrieden. Im Dezember lobte Moody’s Investor Services die IKB für ihre Anstrengungen und merkte an: "Die IKB hat in den vergangenen Jahren ihre Geschäftsaktivitäten erfolgreich diversifiziert und hat außerhalb Deutschlands expandiert." Nur neun Monate später sollte sie im Zentrum der potentiell schwersten Finanzkrise seit den finsteren Tagen von 1931 stehen.

In der Entwicklung der landeseigenen Sachsen LB werden die Auswirkungen der gleichen "freien Marktkräfte" wie bei der Rhineland Funding sichtbar. Das Geschäftsmodell der Landesbanken beruhte darauf, dass sie dank der Rückendeckung der Landesregierungen beste Kreditratings erzielen konnten. Wegen des höheren Kreditratings mussten sie für ihre Anleihen niedrigere Zinsen als ihre privatwirtschaftlichen Konkurrenten bezahlen. So konnten die Landesbanken ihre Rivalen bei der Kreditvergabe unterbieten.

Ihr Geschäftsmodell wurde aber vor vier Jahren gekippt, als die Europäische Union auf der Beendigung der indirekten Regierungssubventionen und auf der Herstellung von "Chancengleichheit" bestand. Die Entscheidung der EU, die vergangenen Monat in Kraft trat, zwang die Landesbanken zu riskanteren Unternehmungen.

Die Sachsen LB traf das besonders hart. Ihr Kreditrating wurde auf BBB+ abgesenkt, das schlechteste Rating einer Bank überhaupt. In einem Artikel über diese Entwicklung in der Financial Times vom 15. Juli hieß es, die Banker hätten ausdrücklich betont: "Zurzeit droht keine unmittelbare Krise." Gerade einen Monat später musste die Sachsen LB gerettet werden, und niemand kann sicher sein, dass es sich um den letzten derartigen Fall handelt.

Die gleichen Sorgen hörte man rund um die Welt, nachdem die Finanzmärkte vergangene Woche ins Chaos gestürzt waren. Obwohl die Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve am Freitag zunächst zu einem allgemeinen Aufatmen führte, werden inzwischen besorgte Fragen laut.

Edward Chancellor, Herausgeber des Finanzinformationsdienstes Braekingviews.com kritisierte in einem Kommentar in der Washington Post vom Sonntag die Vorstellung, die Wirtschaft werde "schon weiter laufen, egal, was an der Wall Street passiert".

Er schrieb: "Es stimmt, dass die eine oder andere Panik ohne Konsequenzen vorüber geht. Aber manchmal - man denke an den Oktober 1929 - nehmen die Erschütterungen der Wall Street einen breiteren ökonomischen Sturm vorweg. Angesichts der enormen Anhäufung von Schulden in den letzten Jahren ist es durchaus möglich, dass die heutigen Kreditengpässe mehr sind als nur ein vereinzeltes Wölkchen an einem ansonsten makellosen Himmel."

Chancellor stellte die Behauptung von US-Finanzminister Henry Paulson in Frage, die jüngste Marktturbulenz werde nur geringe Auswirkungen haben. Diese Auffassung geht davon aus, dass der Kreditengpass ein "lediglich vorübergehendes Liquiditätsproblem" darstelle. Es sei leicht möglich, dass die aktuelle Kreditpanik sich zu etwas Größerem auswachse, weil sie sich aus dem Zusammenbruch eines früheren Immobilienbooms heraus entwickelt habe.

"Ich glaube es ist in den letzten Wochen etwas Grundlegendes geschehen", schlussfolgerte er. "Das Kreditsystem verliert seine, sagen wir, Vertrauenswürdigkeit. Die Leute trauen den drei A-Ratings nicht mehr, die so manche komplexen Schuldsicherungen erhalten haben. Die Risikomodelle der Ratingagenturen, Hedge Fonds und Banken sind ebenso unter Verdacht geraten. Die Wirkungen von Subprime-Verlusten machen sich an ganz unerwarteter Stelle bemerkbar, selbst bei scheinbar unangreifbaren Geldmarktfonds. Hedge Fonds und andere hochriskante Investitionsinstrumente werden auf den Boden der Tatsachen zurück gezwungen. Nach Jahren des Exzesses beginnt Kredit knapp zu werden."

Der bekannte Kolumnist der Financial Times, John Plender, äußerte in einem Kommentar vom Samstag ähnliche Ansichten. Plender zufolge ist mehr nötig als eine Zinssenkung der Fed, um die Krise aufzuhalten. Plender stimmte der Auffassung der "Optimisten" nicht zu, dass der Subprime-Hypothekenmarkt zu klein sei, um das Finanzsystem ernsthaft zu gefährden.

"Das Problem mit dieser blauäugigen Theorie ist", schrieb er, "dass es bei der Krise um mehr geht als um den Subprime-Hypothekenmarkt. Die innovativen Finanzinstrumente haben zu einer systematischen Verschlechterung der Kreditqualität geführt. Banken verkaufen inzwischen ihre Kredite routinemäßig, die dann mit allen möglichen komplexen Produkten zu Paketen zusammengeschnürt werden, um die Forderung von Investoren nach Ergebnissen zu befriedigen, während die Gewinnraten praktisch aller Investitionen auf ein sehr geringes Niveau gesunken sind."

Es sei "zu früh für eine Aussage", ob die Kreditkrise eine Rezession in den USA oder weltweit bewirken werde, aber jedenfalls sei mehr nötig als die Zinssenkung der Fed vom Freitag, "um die Finanzshow am Laufen zu halten".

Es ist zwar nicht möglich, präzise Voraussagen zu treffen, aber einige Schlussfolgerungen können schon jetzt gezogen werden. Bei den Berichten über die Marktschieflage berichtete ein Kommentator, eine brasilianische Bank, die einen Kredit aufnehmen wollte, sei gefragt worden, ob sie "amerikanische Schulden" in ihrem Portfolio habe. Unausgesprochen stand im Raum, dass sie keinen Kredit erhalten könne, wenn dem so sei. Solche Vorfälle gibt es rund um den Globus. Sie sind ein Maß für den historischen Niedergang des amerikanischen Kapitalismus und für dessen destabilisierende Wirkung auf die globale kapitalistische Wirtschaft.

Als vor zehn Jahren die asiatische Finanzkrise ausbrach, lobte der damalige Vorsitzende des amerikanischen Federal Reserve Boards, Alan Greenspan, die Vorzüge des amerikanischen Modells des "freien Marktes" gegenüber dem System des regulierten oder, wie er es nannte, "Gefälligkeits-" oder "Günstlings-Kapitalismus" (crony capitalism). Zehn Jahre später hat genau dieses amerikanische Modell die Welt an den Rand einer globalen Krise gebracht.

Siehe auch:
Heftige Schwankungen an den Weltbörsen
(19. August 2007)
Platzende Kreditblase löst Turbulenzen am Aktienmarkt aus
( 14. August 2007)
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