Auf einer Opel-Belegschaftsversammlung am vergangenen Freitag in der Essener Gruga-Halle kündigten der Europa-Vizechef von General Motors, Carl-Peter Forster, der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel und der Bochumer IG-Metall Chef Ludger Hinse an, dass sie die westdeutschen Löhne an die ostdeutschen angleichen wollen. Das hätte Lohnsenkungen in Höhe von mindestens 20 Prozent bei den Beschäftigten in Bochum, Kaiserslautern und Rüsselsheim zur Folge.
Nach der Ankündigung im Herbst letzten Jahres, 10.000 Arbeitsplätze abzubauen, und während des anschließenden Arbeitskampfs in Bochum hatte sich Carl-Peter Forster nicht den Fragen der Beschäftigten gestellt. Nun kam er, um den versammelten Arbeitern zu erklären, dass der bereits vereinbarte Arbeitsplatzabbau nicht ausreiche. Auch die Löhne müssten stark gekürzt werden.
Forster beklagte, dass die Beschäftigten von Opel in Bochum "weit über Tarif" verdienen würden. Die Löhne der Bochumer Belegschaft müssten auf das Niveau des Opel-Werks in Eisenach gesenkt werden. Als Köder stellte Forster die Aufnahme der Produktion einer fünftürigen Astra-Limousine in Bochum in Aussicht. Derzeit rollen in Bochum der Astra Caravan und der Zafira vom Band. Ohne diese dritte Baureihe seien der Drei-Schicht-Betrieb und damit weitere viele Hundert Arbeitsplätze gefährdet, hieß es.
"Wir haben ein ganz konkretes Angebot gemacht, um den Standort Bochum langfristig zu sichern", sagte Forster am Freitag. "Wenn das Werk bis 2008 im Wettbewerb mit anderen europäischen Standorten bestehen kann, hat es eine Zukunft", erklärte er. Garantien werde es aber selbstverständlich nicht geben. Auch der angekündigte Abbau von 3.600 Arbeitsplätzen in Bochum sei alternativlos.
Der unverschämte Auftritt Forsters war ein direktes Ergebnis der engen Zusammenarbeit zwischen der Konzernleitung und den Betriebsräten sowie der IG Metall. Diese hatten den Streik vom letzten Oktober und jeglichen Widerstand der Belegschaft abgewürgt und arbeiten systematisch daran, den geplanten Arbeitsplatzabbau möglichst reibungslos durchzusetzen. Gleichzeitig nutzten sie am Freitag die Anwesenheit des Konzernchefs, um von ihrer eigenen Rolle abzulenken. Wäre Carl-Peter Forster nicht da gewesen, hätte sich die Wut der Arbeiter in dieser ersten Belegschaftsversammlung nach dem Ausverkauf des Streiks und der Zustimmung zum Arbeitsplatzabbau zweifellos auf den Betriebsrat, seinen Vorsitzenden Reiner Einenkel und die IG-Metall Bürokratie gerichtet.
Dies blieb aus, und so hatten sie den Rücken frei, um den nächsten Ausverkauf vorzubereiten. Einenkel begrüßte ausdrücklich das "Angebot" von Forster, wobei er selbst erklärte, dass damit keine Arbeitsplatz-Garantie über das Jahr 2010 hinaus verbunden sei. Er wiederholte Wort für Wort die Argumente der Geschäftsleitung und verkündete: "Die besten Chancen, gegen Ende des Jahrzehnts neue Modellaufträge zu erhalten, hat derjenige, der die besten Kostenstrukturen aufweist."
Neben Forster sprach auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) zu den Arbeitern. Auch Steinbrück begrüßte den "Vorschlag" von Forster - um gleichzeitig zu betonen, dass sich die sozialdemokratische Landesregierung nicht in Entscheidungen des Unternehmens einmischen werde. Dafür sei sie nicht verantwortlich. Wie vor ihm Forster wurde auch Steinbrück von der Belegschaft ausgepfiffen.
Am Rande der Versammlung sprach der IG-Metall-Bevollmächtigte Ludger Hinse vor laufenden Kameras mit Reportern und Journalisten. Auf eine Frage nach Lohnzugeständnissen antwortete er: "Wir werden nicht unter den Tarifvertrag der IG Metall kommen." Der Nachfrage eines WSWS -Reporters, ob dies bedeute, dass die IG Metall mit 20-prozentigen Lohnsenkungen für die Opel-Arbeiter einverstanden sei, versuchte Hinse auszuweichen. Die IG Metall sei nur für die Einhaltung der Tarifverträge verantwortlich, behauptete er. Die Verteidigung der übertariflichen Leistungen bei Opel sei nicht die Aufgabe der Gewerkschaft, sonder Sache des Betriebsrates.
Die Ablehnung jeder Verantwortung für die Verteidigung der bisherigen Einkommen hinderte Hinse allerdings nicht daran, die Lohnsenkungsforderung von Carl-Peter Forster zur "Verhandlungsgrundlage" zu erklären. Auch als es im vergangenen Jahr darum ging, den Streik abzuwürgen, hatte sich Hinse uneingeschränkt an die Seite der Betriebsratsmehrheit gestellt, obwohl es sich um eine betriebliche Angelegenheit handelte.
Einer der übelsten Aspekte der Betriebsrats- und IGM-Politik besteht darin, dass sie darauf abzielt, die Beschäftigten der Opel-Werke in Deutschland gegen die Beschäftigen in anderen Ländern auszuspielen. Die in Aussicht gestellte Astra-Limousine läuft nämlich auch in Großbritannien und Belgien vom Band. Dort sind die Arbeitskosten im Vergleich zu Deutschland noch rund ein Drittel, beziehungsweise knapp ein Fünftel günstiger. Sollte die Astra-Produktion in Bochum anlaufen, hat dies zwangsläufig Auswirkungen auf die Arbeitsplätze im englischen Luton und belgischen Antwerpen.
In die gleiche Kerbe wie der Bochumer Betriebsrat schlug derjenige des Opel-Werks in Kaiserslautern. Er forderte, die Produktion von Achsen und Blechteilen für die Corsa-Fertigung bei Opel in Eisenach vom spanischen Saragossa in die Pfalz zu holen. Unter dieser Bedingung sei man bereit, Einschnitte bei den Lohnkosten von bis zu 20 Prozent durchzusetzen.
Betriebsrat und Gewerkschaft sabotieren durch ihre Bereitschaft, sich auf diesen Schacher einzulassen und ihn durchzusetzen die elementarste Solidarität der Arbeiter.
Die tatsächliche Leitschnur von Gewerkschaft und Betriebsrat in Bochum lautet heute: "Lohnsenkung sichert Arbeitsplätze!", wohl wissend, dass das nicht stimmt. Die ständigen Kompromisse haben eine Spirale nach unten bei Löhnen und Arbeitsbedingungen in Gang gesetzt, die kein Ende hat.
Ein Opel-Arbeiter griff dies in der Belegschaftsversammlung auf und machte darauf aufmerksam, dass der General Motors-Konzern jetzt mit Hinweis auf Eisenach Lohnkürzungen in Bochum fordert, um nach Lohnkürzungen in Bochum die Beschäftigten in Antwerpen damit zu konfrontieren und von diesen weitere Kürzungen verlangen, usw. Hinzuzufügen ist, dass die Angleichung der westdeutschen Löhne an das ostdeutsche Niveau nicht das Ende der Spirale sein wird. Der in Bochum gebaute Zafira wird auch im polnischen Gliwice hergestellt, wo die Lohnkosten nur rund ein Fünftel betragen.
Auf der Belegschaftsversammlung wurde auch klar, dass der von General Motors geplante Arbeitsplatzabbau trotz der angeblich so guten Abfindungsangebote auch mit betriebsbedingten Kündigungen durchgesetzt werden soll. Am Standort Bochum haben sich bislang erst 960 Mitarbeiter dazu bereit erklärt, das Unternehmen über Abfindungen und Transfergesellschaften zu verlassen, 2.900 waren eingeplant. Dabei wird vor allem älteren Arbeitern von Unternehmensseite eine Abfindung verweigert. Bei langer Betriebszugehörigkeit sind ihre Ansprüche gegenüber dem Konzern schlicht zu hoch.
Auch wenn Opel die Frist für die Einrichtung einer Einigungsstelle, die über betriebsbedingte Kündigungen entscheidet, vom 1. auf den 25. Februar verlängert hat, fürchtet der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel, dass sich nicht genügend Opel-Beschäftigte melden werden: "Was jetzt kommt, wird hässlich," sagte er und meinte damit betriebsbedingte Kündigungen.
Weil sie befürchten, dass es dann erneut zu heftigen Auseinandersetzungen kommen könnte, versuchen IG Metall und Opel-Gesamtbetriebsrat die Verhandlungen über den sogenannten "Zukunftsvertrag" (Lohnkürzungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen) schnell unter Dach und Fach zu bekommen. "Wir streben eine Einigung zwischen Vorstand und Betriebsrat in den nächsten drei Wochen an", sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz der Nachrichtenagentur dpa. "Nur in ein paar Punkten besteht noch keine Einigkeit."
Die Lohnsenkung bei Opel wird in den Chefetagen vielen anderen Betrieben Nachahmer finden. Sie leitet eine neue Rund von sozialen Angriffen ein.