Die folgende Erklärung wird auf der Demonstration "Not welcome, Mr. Bush" verteilt, die am 23. Februar anlässlich des Bush-Besuchs in Mainz stattfindet. Sie kann auch als PDF-Datei heruntergeladen werden.
US-Präsident George W. Bush hat zum Auftakt seiner Europareise "eine neue Ära der transatlantischen Einheit" beschworen. "Unsere starke Freundschaft ist wesentlich für den Frieden und das Wachstum in der ganzen Welt - und keine kurzzeitigen Debatten oder vorübergehend unterschiedlichen Auffassungen der Regierungen, keine Macht der Erde, wird uns jemals trennen können," sagte er in Brüssel in einer Rede vor der Europäischen Union.
Das bedeutet keine Abkehr von der kriegerischen, einseitigen und völkerrechtswidrigen Außenpolitik, die Bushs erste Amtszeit prägte. Im Gegenteil. Bush hält an der Präventivkriegsdoktrin fest, die seiner Regierung das Recht einräumt, gegen jede Nation militärisch vorzugehen, die sie als Bedrohung ihrer Interessen empfindet.
In seiner Brüsseler Rede hat Bush ausdrückliche Ultimaten an Iran und Syrien gestellt und Russland mit Konsequenzen gedroht, falls es den Forderungen nach mehr "Demokratie" - sprich: Freiheit für das internationale Kapital - nicht nachkommt. Er betonte, dass sich Washington ein militärisches Vorgehen gegen Iran offen hält. "Beim Schutz der Sicherheit freier Nationen kann keine Option für immer ausgeschlossen werden," sagte er.
Bushs Auftritt als Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie ist absurd, wenn man bedenkt, dass Washington das geltende Völkerrecht systematisch missachtet und in Lagern wie Abu Ghraib und Guantanamo Gefangene rechtswidrig festhält und foltert; oder dass rechte Figuren, die sich unter Präsident Reagan durch die Unterstützung lateinamerikanischer Todesschwadronen und der Contras in Nicaragua einen Namen gemacht haben, in Schlüsselpositionen der neuen Administration aufgerückt sind - wie der stellvertretende Sicherheitsberater Elliot Abrams und der Geheimdienstkoordinator John Negroponte.
Die neuen Töne, die Bush in Brüssel angeschlagen hat, verfolgen in erster Linie das Ziel, europäische Unterstützung für die Besatzung Iraks zu erhalten, die sich für die USA zu einem Desaster entwickelt. Der anhaltende Widerstand gegen die Besatzungstruppen zwingt Washington, dauerhaft 150.000 Soldaten im Einsatz zu halten, was seine militärischen Kapazitäten weitgehend erschöpft und seinen Haushalt zunehmend belastet. Bush hat soeben weitere 80 Milliarden Dollar für militärische Ausgaben beantragt, die größtenteils der Finanzierung des Irakeinsatzes dienen.
Die europäischen Regierungen zeigen bisher wenig Neigung, Bushs Forderung nach einem stärkeren Engagement in Irak nachzukommen. Nach Spanien und Portugal ziehen demnächst auch die Niederlande, die Ukraine und möglicherweise Polen ihre Truppen aus dem besetzten Land ab. Während Bushs neuer Umgangston in Brüssel erwidert wurde, gab es inhaltlich wenig Annäherung.
Doch so falsch es wäre, Bushs neuen Umgangston als Ausdruck einer friedlicheren Politik auszulegen, so verfehlt wäre es, die europäischen Vorbehalte gegen eine stärkere Beteiligung in Irak als grundsätzliche Ablehnung einer imperialistischen Außenpolitik zu interpretieren. Auch hier ist das Gegenteil der Fall. Europa - und hier wiederum insbesondere Deutschland und Frankreich - reagieren auf das Auftrumpfen des amerikanischen Imperialismus, indem sie ihrerseits imperialistische Ansprüche erheben, die Außenpolitik militarisieren und - was untrennbar damit einhergeht - die Angriffe auf demokratische Rechte und soziale Errungenschaften im eigenen Land verschärfen.
In der europäischen Presse sind zahlreiche Kommentare erschienen, die für eine enge Zusammenarbeit mit den USA eintreten, aber nur wenn Europa als gleichberechtigter Partner akzeptiert wird. So veröffentlichte Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt einen Artikel in der Zeit, der in der Forderung gipfelt: "Freundschaft ist kein Vasallentum". Die französische Tageszeitung Le Monde drückte denselben Gedanken mit den Worten aus: "Herr Bush ist in Europa willkommen, solange er einer gleichberechtigten Partnerschaft zustimmt, und nicht einem Abhängigkeitsverhältnis zwischen der amerikanischen Supermacht und ihren europäischen Vasallen."
Am deutlichsten wurde Bundeskanzler Schröder in der Rede, die er vor zehn Tagen auf der Münchener Sicherheitskonferenz verlesen ließ. Schröder kritisierte die Vereinigten Staaten, aber nicht wegen dem Irakkrieg, der amerikanischen Präventivkriegsdoktrin oder dem völkerrechtswidrigen Umgang mit Gefangenen. Seine Kritik wandte sich ausschließlich dagegen, dass die USA bei ihrem Vorgehen deutsche und europäische Interessen nicht ausreichend berücksichtigt hätten.
Eine enge transatlantische Bindung sei grundsätzlich im deutschen, im europäischen und im amerikanischen Interesse, sagte der Bundeskanzler. Aber bei der Umsetzung dieses Grundsatzes in praktische Politik könne nicht mehr die Vergangenheit der Bezugspunkt sein. Europa brauche einen militärischen Angriff auf seine Grenzen nicht mehr zu fürchten, die strategischen Herausforderungen lägen heute jenseits der alten Beistandszone des Nordatlantik-Paktes.
Aus dieser veränderten Realität, folgerte er, ergebe sich ein anderes Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Europa. Der Dialog zwischen Europa und den Vereinigten Staaten entspreche in seiner heutigen Form nicht mehr dem wachsenden Gewicht der Europäischen Union. Auch Deutschland habe das Verständnis seiner internationalen Rolle verändert. Es sehe sich als mitverantwortlich für internationale Stabilität und Ordnung und bezeuge diese Verantwortung durch aktives Engagement in zahlreichen Krisenregionen derWelt. Aus der Mitverantwortung folge auch Mitsprache, sagte Schröder, und forderte nachdrücklich einen ständigen Sitz für Deutschland im UN-Sicherheitsrat.
Deutlicher kann man die Forderung nach einer Weltmachtrolle für Deutschland nicht stellen, das aufgrund seiner Verantwortung und seiner Niederlage im Zweiten Weltkrieg bisher von einer solchen Rolle ausgeschlossen war.
Hinter dieser Entwicklung verbirgt sich eine unausweichliche Logik. Wie in der Periode vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg erzeugt der globale Kampf um Rohstoffe, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte wieder scharfen Rivalitäten zwischen den kapitalistischen Großmächten. Wachsender Militarismus und Krieg sind die Folge - bis hin zur Gefahr eines Dritten Weltkriegs.
Schon der Irakkrieg war das Ergebnis einer tiefen Krise des amerikanischen und des internationalen Kapitalismus. Das wichtigste Motiv der US-Regierung war die Erlangung der Kontrolle über die Ölquellen, von denen auch ihre Rivalen in Europa und Asien abhängig sind. Die Vereinigten Staaten versuchen so, ihre globale Hegemonie durch den Einsatz militärischer Mittel zu verteidigen und den wirtschaftlichen Niedergang wettzumachen, der im Rückgang ihres Anteils an der Weltwirtschaft und dem gigantischen Haushalts- und Außenhandelsdefizit sichtbar wird.
Als Folge haben sich die Gegensätze zwischen Amerika und Europa, ungeachtet der momentanen Bemühungen um eine Klimaverbesserung, vertieft und verschärft. Sie äußern sich in mehreren Streitpunkten, über die es auch in Brüssel keine Annäherung gab: In der Haltung gegenüber Iran und China, in der Rolle internationaler Institutionen wie der UNO und des Internationalen Strafgerichtshofs sowie in der Anerkennung internationaler Abkommen wie des Kyoto-Protokolls.
Während die USA den Druck auf Iran erhöhen und einen Regime-Wechsel anstreben, versucht Europa Teheran in internationale Vereinbarungen einzubeziehen. Der russische Präsident Putin will die nukleare Zusammenarbeit mit Iran sogar verstärken und plant demnächst einen Besuch in Teheran.
Noch explosiver sind die Differenzen über China. Der US-Kongress hat kurz vor Bushs Europareise Pläne der EU, das Waffenembargo gegen China aufzuheben, nahezu einstimmig verurteilt. Dabei geht es nicht nur um militärische Fragen. Eine Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und China bedeutet für die US-Wirtschaft eine tödliche Gefahr. Asiatische Zentralbanken - und hier wiederum vor allem die chinesische - finanzieren über zwei Drittel des jährlichen US-Außenhandelsdefizits von 600 Milliarden Dollar. Eine Umschichtung dieser Gelder in Euro-Anlagen könnte zum Kollaps der amerikanischen Wirtschaft führen.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Diese Gegensätze werden unvermeidlich zu neuen Konflikten, zu einem weiteren Anwachsen des Militarismus und zu neuen militärischen Abenteuern führen.
Widerstand gegen Imperialismus und Krieg kann nur erfolgreich sein, wenn er diese Ursachen versteht und berücksichtigt. Er kann sich weder auf die europäischen Regierungen, noch auf einen "friedliebenden" Flügel der amerikanischen oder europäischen herrschenden Klasse stützen.
Das ist eine der wichtigsten Lehren aus der amerikanischen Präsidentenwahl. Dort haben sich viele Kriegsgegner unter der Parole "Anybody but Bush" für den demokratischen Kandidaten John Kerry eingesetzt, der derselben herrschenden Elite entstammt wie Bush, den Krieg unterstützte und sich strikt weigerte, die weitverbreitete Opposition gegen den Krieg im Wahlkampf zu mobilisieren. Das sicherte Bush letztlich den Wahlsieg.
Es gibt nur eine gesellschaftliche Kraft, die die Fähigkeit besitzt, imperialistische Kriege zu beenden - das ist die internationale Arbeiterklasse. Die Proteste und Demonstrationen gegen den Irakkrieg, die sich vor zwei Jahren überall auf der Welt entwickelten, haben gezeigt, welch enormes Potential hier heranwächst.
Aber dieses Potential kann nur zum Tragen gebracht werden, wenn sich die arbeitende Bevölkerung unabhängig von allen Parteien und politischen Agenturen des Kapitals organisiert. Der Kampf gegen den Krieg muss mit der Opposition gegen einen gesellschaftlichen Zustand verbunden werden, der es einer winzigen und unverantwortlichen Elite erlaubt, den Reichtum der Gesellschaft zu kontrollieren. Er muss sich auf ein sozialistisches Programm gründen, das die Verteidigung demokratischer Rechte und des Lebensstandards der Arbeiter mit einschließt.
Die SPD steht mit Hartz IV und Sicherheitsgesetzen heute an der Spitze der Angriffe auf soziale und demokratische Rechte. Die Grünen haben sich aus Pazifisten zu Vorreitern internationaler Bundeswehreinsätze und Befürwortern einer Berufsarmee entwickelt.
Die World Socialist Web Site hat sich zum Ziel gesetzt, eine neue Partei aufzubauen, die die internationale Abeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms vereint. Sie betrachtet es als ihre Aufgabe, ein politisches Verständnis für die revolutionären Aufgaben zu entwickeln, vor denen die Arbeiterklasse heute international steht.
Die WSWS ist das politische Organ des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, in Deutschland vertreten durch die Partei für Soziale Gleichheit. Die amerikanische Socialist Equality Party hat in den USA als einzige Partei auf der Grundlage eines unabhängigen sozialistischen Programms an der Präsidentenwahl teilgenommen und viel Unterstützung erhalten.
Wir laden alle Gegner des Kriegs, des wachsenden Militarismus und der sozialen Ungleichheit ein, die World Socialist Web Site regelmäßig zu lesen und am Aufbau einer neuen internationalen sozialistischen Partei teilzunehmen.