Zum 1. Mai diesen Jahres wird der Beitritt Polens zur Europäischen Union vollendet sein. Der von sozialem Elend gebeutelten polnischen Bevölkerung wird es danach keinen Deut besser gehen - im Gegenteil. Der Beitritt zur EU bedeutet für den Großteil der Polen eine Verschlechterung ihrer sozialen Lage.
Seit dem Zusammenbruch der stalinistischen Bürokratien Osteuropas im Jahre 1989 hat jede polnische Regierung versucht, die vollständige Privatisierung von Industrie und Landwirtschaft und die Zerschlagung der hoffnungslos veralteten Industriezweige wie des Bergbaus und der Stahlindustrie durchzusetzen.
Mit Schocktherapie und anderen Rezepten wurden der Lebensstandard und die Arbeitsplätze des allergrößten Teils der Bevölkerung zerstört. In Politik und Wirtschaft nahmen Korruption und Vetternwirtschaft in nahezu obszöner Weise zu. Die Wut und Empörung unter der leidtragenden Bevölkerung führte regelmäßig zur Abwahl der jeweiligen Regierung und dem Verschwinden der daran beteiligten Wahlbündnisse oder Parteien, die sich dann in anderer Konstellation wieder zusammenfanden.
Die derzeit herrschende Minderheitsregierung unter Leszek Miller stützt sie sich auf eine Koalition aus der Demokratischen Linksallianz (SDL), die aus der stalinistischen Staatspartei PZRZ hervorgegangen ist, und der Arbeitsunion (UP). Sie war mit dem Ziel angetreten, Polen endgültig fit für den EU-Beitritt zu machen. Während ihrer Amtszeit betrieb sie massive Sozialkürzungen und Privatisierungen und unterstützte den verbrecherischen Krieg gegen den Irak. In der so genannten "Koalition der Willigen" hat sie sich dem amerikanischen Imperialismus unterworfen und polnische Truppen in den Irak entsandt, ohne allerdings von den USA belohnt worden zu sein. Denn die erhofften Aufträge beim Wiederaufbau des Irak sind vollständig ausgeblieben.
Die soziale Lage in Polen hat sich stetig verschlechtert. Die Arbeitslosigkeit liegt inzwischen bei über 20 Prozent, unter Jugendlichen sogar bei 40 Prozent. Nach einer Studie der Universität Warschau können 40 Prozent der polnischen Haushalte ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen. Die Arbeitslosenhilfe ist äußerst gering und wird nur in den wenigsten Fällen überhaupt ausgezahlt.
Besonders prekär ist die Situation auf dem Land. Zur Zeit ist in diesem Sektor zwar noch jeder fünfte Pole beschäftigt, doch macht die Landwirtschaft gerade einmal 3,3 Prozent der Bruttowertschöpfung des Landes aus. Studien gehen davon aus, dass 26 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe nicht mehr entwicklungsfähig sind. Viele Landwirte produzieren nur noch für den Eigenbedarf, ihre kleinen Höfe stellen die letzte Schranke zum blanken Elend dar. Die geplanten zusätzlichen Strukturreformen entziehen diesen Menschen ihre Lebensgrundlage.
In dieser Situation hat Polens Wirtschaftsminister Jerzy Hausner ein umfangreiches Sparpaket durch das Parlament gebracht. Der sogenannte Hausner-Plan umfasst über 30 Gesetzespakete und sieht bis zum Jahr 2007 weitere brutale Einsparungen im sozialen Bereich in Höhe von 32 Mrd. Zloty (6,7 Mrd. Euro) vor. Ziel ist es, die Kriterien für den Beitritt zur Euro-Zone zu erreichen, d. h. das Haushaltsdefizit von 4,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf unter 3 Prozent zu senken.
Besonders stark sollen die ohnehin schon geringen Renten gekürzt werden. Ab 2005 sollen die Rentenzahlungen nicht mehr jährlich an die Inflationsrate angepasst werden, sondern erst dann, wenn in jeweils aufeinander folgenden Jahren 5 Prozent Preissteigerung erreicht sind. Anspruch auf die Mindestrente von ca. 500 Zloty (ca. 140 ) soll nur noch haben, wer 25 Jahre lang gearbeitet hat und über 65 Jahre alt ist. Bisher reichten 20 Jahre Berufstätigkeit aus. Der Antrag auf Invalidenrente soll erschwert und alle Zuschüsse für den Vorruhestand abgeschafft werden. Außerdem soll vom Jahr 2014 an das Rentenalter der Frauen stufenweise von 60 auf 65 Jahre angehoben werden.
Alle weiteren Sozialleistungen sollen eingefroren, also der Inflationsrate nicht mehr angepasst werden. Ausgenommen ist hier nur der Mindestlohn. Das Krankengeld wird außerdem von 80 auf 70 Prozent des Grundlohns gesenkt. Des weiteren wird der Sozialversicherungsbeitrag für große Teile der Landwirte erhöht.
Diese Vorhaben treffen vor allem jene Menschen, die zuvor durch die Privatisierungen und Strukturreformen ihre Existenzgrundlage verloren haben.
Leszek Balcerowicz, derzeit Präsident der polnischen Nationalbank, doch besser bekannt und berüchtigt als ehemaliger Finanzminister und "Vater der Schocktherapie" der frühen 1990er Jahre, kommentierte den Hausner-Plan folgendermaßen: "Ein erster Schritt in die richtige Richtung... und der Plan ist nötig, doch ich hätte dem Patienten eine stärkere Dosis verabreicht."
Die Miller-Regierung wird inzwischen von breiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt. In Umfragen werden ihr bei zukünftigen Wahlen nur noch 11 Prozent der Stimmen prognostiziert. Die Oppositionspartei bürgerliche Plattform (PO) liegt bei 30 Prozent, und die ebenfalls oppositionelle ultranationalistische Samobroona unter Andrzej Lepper bei 23 Prozent. Sie stehen in den Startlöchern und wollen vorgezogene Neuwahlen noch vor dem offiziellen Wahltermin 2005 erzwingen.
Die Koalition aus Demokratischer Linksallianz und Arbeitsunion hat den Weg bereitet für eine noch rechtere und brutalere Regierung.
Die polnische Arbeiterklasse hätte also bei kommenden Wahlen wieder nur die Wahl zwischen Pest und Cholera - radikalliberale Wirtschaftssanierer oder rückständige Nationalisten. Es ist daher unerlässlich, dass sie sich ihrer unabhängigen Interessen bewusst wird und eine neue politische Partei aufbaut, die die unterdrückte und arbeitende Bevölkerung aller Länder zusammenschließt.