Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi hat auf die Verurteilung seines langjährigen Anwalts und Vertrauten Cesare Previti mit einer für demokratische Länder beispiellosen Kriegserklärung an die unabhängige Justiz reagiert.
Berlusconi beschuldigte die verantwortlichen Richter, sie seien "politisiert" und gingen "mit der Logik von Putschisten" zu Werke. "Das Ziel dieser Richter ist es nicht, Gerechtigkeit zu schaffen, sondern diejenigen zu treffen, die ein Mandat besitzen, Italien zu regieren", schrieb er in einem Zeitungsartikel.
Er kündigte an, möglichst schnell die Immunität für Parlamentarier wieder einzuführen, die Anfang der neunziger Jahre im Rahmen von Mani Pulite (Saubere Hände), der Kampagne gegen die weitverbreitete Korruption in Staat und Wirtschaft, aufgehoben worden war. Für den Regierungschef, den Staatspräsidenten und die Präsidenten der beiden Parlamentskammern soll bis zum Ende der Amtszeit ein generelles Prozess-Verbot gelten. Auf diese Weise soll dem Verfahren gegen Previti und einem ähnlichen Verfahren gegen Berlusconi selbst der Boden entzogen werden.
Ein Mailänder Gericht hatte den 68-jährigen Previti vergangene Woche wegen Schmiergeldzahlungen und Richterbestechung in erster Instanz zu elf Jahren Haft verurteilt. Previti stehen noch zwei Revisionsinstanzen offen, bevor das Urteil rechtskräftig wird - wenn der Fall nicht vorher verjährt oder durch neue Gesetze gestoppt wird. Dennoch untermauert das Mailänder Urteil schwerwiegende Vorwürfe gegen Berlusconi selbst.
Die Richter sind nämlich aufgrund einer erdrückenden Beweislast zum Schluss gelangt, dass Previti in den achtziger und frühen neunziger Jahren römische Untersuchungsrichter bestochen hatte, damit Berlusconis Konzernholding Fininvest das Verlagshaus Mondadori übernehmen konnte. Mondadori ist der größte italienische Buchverlag und verfügt über straken Einfluss im Zeitschriften- und Zeitungssektor. Für Mondadori hatte sich damals auch der Großindustrielle Carlo de Benedetti interessiert, aber aufgrund eines Gerichtsentscheids ging der Zuschlag an Berlusconi. Zuvor waren - so urteilte nun die Mailänder Kammer - Millionenbeträge an die zuständigen Richter geflossen. Einer erhielt kurz nach dem Entscheid eine lukrative Anstellung in Previtis Kanzlei.
Previti gehört zu den engsten Vertrauten Berlusconis. Er hat den undurchsichtigen Aufstieg des kleinen Bauunternehmers zum reichsten Mann Italiens von Anfang an begleitet und dabei eine Schlüsselrolle gespielt. Schon sein Vater, Umberto Previti, hatte als Geschäftsführer und Kommanditist in Berlusconis Baukonzernen gedient und ihm als Strohmann beim Einstieg ins TV-Geschäft geholfen. Der Sohn spielte dann als Justitiar in Berlusconis Firmenimperium eine ähnliche Rolle, wie im Film "Der Pate" der Consigliere im Corleone-Clan: Er kümmerte sich um juristische Fragen sowie finanzielle Dinge und "pflegte" die Beziehungen zu einflussreichen Persönlichkeiten. Er soll unter anderem auch Berlusconis Herrschaftssitz, die Villa Arcore bei Mailand, für einen Spottpreis von einer 19-jährigen, verwaisten Klientin erworben haben.
Previti sympathisierte lange Zeit offen mit dem faschistischen MSI. 1994 folgte er Berlusconi in die Politik und schloss sich dessen Forza Italia an, für die er heute noch im Parlament sitzt. Berlusconi wollte ihn 1994 zum Justizminister machen - was aber am Einspruch des Staatspräsidenten scheiterte. Daraufhin übernahm Previti das Verteidigungsressort und nutzte sein Amt für heftige Attacken gegen die Justiz.
Gegen Previti läuft noch ein zweites, sehr ähnlich gelagertes Verfahren, bei dem auch Berlusconi selbst auf der Liste der Angeklagten steht. Es geht um die Privatisierung des Nahrungsmittelkonzerns SME, die 1985 an einer, wie die Staatsanwälte behaupten, von Berlusconi gekauften Gerichtsentscheidung scheiterte. Der Großunternehmer Carlo de Benedetti hatte damals bereits einen Kaufvertrag unterschrieben, als Berlusconi ein höheres Angebot abgab und den Vertrag per Gerichtsentscheid annullieren ließ.
Für Berlusconi ist es dies letzte von über einem Dutzend Verfahren, in denen er wegen Bilanzfälschung, Meineid, Steuerbetrug oder Bestechung angeklagt war. Dreimal wurde er in erster Instanz verurteilt, zu insgesamt sechs Jahren Haft. Es gelang ihm aber immer wieder, einer letztinstanzlichen Verurteilung zu entkommen - meist aus Mangel an Beweisen oder weil der Fall mittlerweile verjährt war.
Als er vor drei Jahren wieder die Regierung übernahm, liefen noch vier Verfahren. Drei haben sich mittlerweile erledigt - weil Berlusconis Parlamentsmehrheit die entsprechenden Gesetze änderte. Dem vierten sollte im letzten Jahr mit einem Gesetz den Boden entzogen werden, das es dem Angeklagten erlaubt, den Gerichtsort zu wechseln, wenn er die Richter für befangen hält. Das neue Gesetz wurde von der rechten Parlamentsmehrheit verabschiedet, obwohl Millionen dagegen auf die Straße gingen. Der Plan, das Verfahren zu verlegen und damit der sicheren Verjährung anheim zu geben, scheiterte aber an den Richtern des Kassationsgerichts, die sich weigerten, dem Befangenheitsantrag gegen die Mailänder Richter nachzugeben.
An diesem Montag, eine Woche nach dem Urteil gegen Previti, trat Berlusconi im SME-Verfahren erstmals selbst vor die Schranken des Gerichts. In einer einstündigen Erklärung drehte er den Spieß um. Nicht er, sondern sein Konkurrent de Benedetti habe damals Schmiergelder fließen lassen, um den Lebensmittelkonzern zu einem viel zu niedrigen Preis von der Staatsholding IRI zu erwerben. An deren Spitze stand damals - welche Überraschung - Romano Prodi, der gegenwärtige EU-Präsident und mögliche Gegenkandidat Berlusconis bei der nächsten Wahl.
Er habe auf Bitten seines Freundes, des damaligen Regierungschefs Bettino Craxi, völlig selbstlos in der Angelegenheit interveniert, um finanziellen Schaden für den italienischen Staat abzuwenden, behauptete Berlusconi. Dafür habe er Anerkennung und kein Gerichtsverfahren verdient. Craxi, der seine letzten Lebensjahre wegen heftigen Korruptionsvorwürfen im tunesischen Exil verbrachte, ist mittlerweile tot und kann Berlusconis Behauptungen nicht mehr bezeugen.
Der Fall SME könnte Berlusconi noch einigen Ärger bereiten. Das Urteil wird für Anfang Juli erwartet, wenn Italien turnusgemäß den EU-Vorsitz übernimmt. In Regierungskreisen wird deshalb erwogen, den Prozess per Gesetz auszusetzen. Begründet werden soll dies mit dem übergeordneten staatlichen Interesse, einen Ansehensschaden für Italien im Ausland zu vermeiden.