Am Tag der Wahlen 1979 hatte sich die WRP mit ihren Plänen gebrüstet, in den nächsten Wahlen genügend Kandidaten aufzustellen, um eine eigene Regierung bilden zu können. Aber als Thatcher im Mai 1983 vorgezogene Neuwahlen beschloss, da erfuhren die überraschten Leser der News Line, die sich an diese ehrgeizigen Pläne erinnerten, aus der Ausgabe vom 10. Mai 1983: „Die Workers Revolutionary Party gibt stolz bekannt, dass sie in Wahlbezirken in England, Schottland und Wales 21 Kandidaten aufstellen wird“ – also nur ein Drittel so viel Kandidaten wie vor vier Jahren. Die WRP lieferte allerdings keine Analyse über diese schwerwiegende Änderung ihrer politischen Strategie.
Die Erklärungen der WRP während des ganzen Wahlkampfes bewiesen, dass sie aus dem Fiasko 1975-79 nicht das Geringste gelernt hatte. Im Mai-Juni 1983 war ihre politische Linie sogar noch eklektischer und widersprüchlicher als in der vorherigen Wahlkampagne.
Die News Line vom 10. Mai enthielt eine Erklärung des Politischen Komitees: „Klassenwahl zum Rauswurf der Tories“. Sie stellte fest, dass Thatcher im Falle ihrer Wiederwahl „ein Programm in Gang setzen“ würde, „das darauf abzielt, die Geschichte umzukehren und Großbritannien in die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurückzuversetzen.“ Die Erklärung warnte weiter:
Die herrschende Klasse steht vor der Aufgabe, die Gewerkschaften physisch zu vernichten, Sklavenlöhne in der Wirtschaft durchzusetzen und die sozialen Dienste sowie die NHS (staatliche Krankenversicherung) abzubauen. Keine politische Opposition kann mehr geduldet werden. Die Tories planen, bald Gesetze zu verabschieden, die den Gewerkschaftsbeitrag für die Labour Party außer Kraft setzen, so dass diese finanziell ausgeblutet wird. Gleichzeitig werden die Gewerkschaften für angeblich ‚illegale‘ Streiks zu Geldstrafen verurteilt und ihre Kassen beschlagnahmt werden.
Es ist unglaublich, aber trotz dieser Analyse konnte es die WRP-Führung nicht über sich bringen, energisch dazu aufzurufen, die Labour Party wieder an die Macht zu bringen. Ihre Hauptlinie bestand vielmehr darin, das Ausweichen vor den unmittelbaren Aufgaben der Arbeiterklasse mit hochtrabenden Reden zu vertuschen:
Wir sagen, dass die Antwort darauf die Mobilisierung der Arbeiterklasse unter der Führung der Workers Revolutionary Party ist, um das überholte kapitalistische System zu zerschlagen und ein sozialistisches Großbritannien mit einer Planwirtschaft unter Arbeiterkontrolle und -leitung zu errichten.
Es ist schwer zu sagen, ob die Verfasser dieses Machwerks Idioten, Zyniker, Kriminelle oder eine Mischung aus allem waren. Erstens sprechen sie von der Mobilisierung der Arbeiterklasse unter der Führung der WRP, obwohl der Einfluss der Partei während der vorangegangenen vier Jahre derart drastisch zurückgegangen war, dass sie nur noch ein Drittel der Kandidaten von 1979 aufstellen konnte. Zweitens war unbestreitbar, dass die Arbeiterklasse in ihrer überwältigenden Mehrheit politisch immer noch von der Sozialdemokratie beherrscht wurde. Die WRP warnte also, dass im Falle von Thatchers Wiederwahl die Zerstörung der Arbeiterbewegung drohe; und gleichzeitig war klar, dass sie nicht in der Lage war, bedeutende Teile der Arbeiterklasse unter ihrem eigenen Banner gegen diese Gefahr zu mobilisieren. Und doch sah sie unter diesen Umständen keine dringende Notwendigkeit, für den Sieg der Labour Party einzutreten.
Im Kampf gegen den Faschismus in Deutschland kämpfte Trotzki gegen den Ultimatismus der Stalinisten gegenüber der Sozialdemokratie, obwohl die Kommunistische Partei mehrere Millionen Arbeiter hinter sich hatte. Aber die WRP führte nur ein paar Hundert Arbeiter – von denen selbst auf Ebene der Vertrauensleute nur ein paar Dutzend irgendwelche Positionen in den Gewerkschaften bekleideten – und stellte keine Forderungen an die Labour Party.
Dies war die politische Idiotie eines – im Falle Healys – senilen Linksradikalismus. Aber was sollen wir von der folgenden Erklärung halten?
Die Wahlen können diese historischen Fragen nicht lösen. Es bedarf der Klassenaktion unter der revolutionären Führung der WRP und der Zerschlagung des kapitalistischen Staates, um die Ziele der sozialistischen Revolution zu erreichen. Trotzdem werden die nächsten vier Wochen für die gesamte Arbeiterklasse entscheidend sein – vier Wochen der intensiven politischen Diskussion in der gesamten Arbeiterbewegung, in denen die Workers Revolutionary Party ihr demokratisches Recht nutzen wird, zu mobilisieren, zu organisieren und die Auflage der täglichen News Line zu steigern. (Betonung im Original)
Nach der Warnung, dass die Arbeiterorganisationen unmittelbar in ihrer Existenz bedroht wären, wenn die Tories gewinnen würden, stellte die Erklärung beiläufig fest, dass das Wahlergebnis nicht besonders wichtig sei. Nein, die Hauptsache war, dass die WRP vier Wochen mit intensiven Diskussionen beschäftigt sein würde. Dies war äußerster Zynismus, denn die WRP nahm offensichtlich ihre eigenen Warnungen nicht ernst. Was konnten sie den Arbeitern während der vier Wochen Diskussion denn erzählen: „Euer Leben ist in Gefahr, wenn Thatcher gewinnt. Aber das Wahlergebnis ist unwichtig!“
Der einzige Aufruf, Labour zu wählen, erschien als Politische Fußnote unter der Anweisung an die Arbeiter in 21 auserwählten Bezirken, WRP wählen.
Wir wollen uns den politischen Inhalt der WRP-Linie während der Wahlen 1983 genauer ansehen. Während der drei vorhergehenden Jahre hatte sie engste Beziehungen zu Labour-Linken im Londoner GLC und mit Teilen der Gewerkschaftsbürokratie gepflegt. 1981 hatte die WRP darauf bestanden, dass die Labour-Mehrheit im Bezirksrat von Lambeth und dem Stadtrat von Groß-London so wichtig für das Schicksal der Arbeiterklasse sei, dass Streiks beendet werden und Steuererhöhungen akzeptiert werden sollten, damit diese Labour-Politiker ihre Ämter behalten könnten. Die WRP beharrte darauf, diese gewählten Politiker müssten auf ihren Posten bleiben, um den Kampf gegen die Tories anführen zu können. Und dennoch war bei nationalen Wahlen, in denen die WRP warnte, ein Wahlsieg der Tories werde zu gewaltigen Angriffen auf die Arbeiterbewegung führen, die Stimmabgabe für Labour nicht länger von Bedeutung.
Noch merkwürdiger war folgender Widerspruch: Obwohl die WRP bereits ein praktisches Bündnis mit beachtlichen Teilen der Labour-Party und der Gewerkschaftsbürokratie geschlossen hatte, forderte sie keinen offensiven Kampf, um die Tories hinauszuwerfen – und verlangte auch nicht, dass Livingstone, Knight und ihre Verbündeten die Massen auf der Grundlage sozialistischer Politik mobilisieren, was noch wichtiger gewesen wäre.
Hier kommen wir zum kriminellen Element in der Politik der WRP. Solange die Tories an der Macht blieben, konnten die Freunde der WRP unter den linken Labour-Politikern ein angenehmes Leben als kritische Kritiker der Regierung führen und ihre eigenen Verrätereien und ihre Unfähigkeit mit bedeutungslosen, radikal klingenden Anklagen gegen die Tories verkleiden. Die WRP ihrerseits konnte nach Belieben ihre opportunistischen Beziehungen zu diesen Salon-Bolschewisten fortsetzen, ohne sie vor den Massen entlarven zu müssen. Diese für beide Seiten angenehme und gemütliche Beziehung wäre durch eine Rückkehr der Labour-Party an die Macht bedroht worden.
Daraus kann man nur eine politische Schlussfolgerung ziehen: 1983 war die WRP nicht im Geringsten daran interessiert, die Labour-Party wieder an der Macht zu haben. Für die Aufrechterhaltung ihrer reaktionären, zentristischen Bündnisse mit den linken Labour-Reformisten und verschiedenen Gewerkschaftsbürokraten hätte ein Sieg von Labour „nichts Gutes verheißen“. Es wäre eine Situation entstanden, in der die WRP entweder gezwungen gewesen wäre, offen ihre Freunde unter den Linken herauszufordern, oder riskiert hätte, vor der gesamten Arbeiterklasse restlos entlarvt zu werden.
Der Sieg der Tories im Juni 1983 war für Healy eine Erleichterung. Er konnte sich wieder seinem alten Spiel widmen, ein Anti-Tory-Bündnis mit dem GLC und Teilen der Gewerkschaftsbürokratie ... gegen die Arbeiterklasse aufzubauen. Sobald die Wahlen vorüber waren, kehrte Healy sofort zu der bankrotten opportunistischen Linie zurück, mit der er die WRP zwischen 1981 und 1983 in ein Anhängsel der Labour-Bürokratie im GLC verwandelt hatte. Eine Erklärung des Zentralkomitees der WRP vom 11. Juni 1983, „Der einzige Weg vorwärts nach den Wahlen“, erklärte Folgendes:
Die Verteidigung der Arbeitsplätze wird einhergehen mit dem Kampf, den Stadtrat von Groß-London (GLC) und die Stadträte in den sechs Großstädten zu verteidigen, die die Tories abschaffen wollen. Im Mittelpunkt des Tory-Planes steht der Wunsch, die sozialen Dienste auf kommunaler Ebene zu beseitigen und Hunderttausende darin beschäftigte städtische Bedienstete zu entlassen. Er greift außerdem die Rechte und den Lebensstandard der Arbeiter in den großen Wohnsiedlungen der Innenstadt an. Die von Labour kontrollierten Stadträte müssen die Führung ergreifen und die Gewerkschaften und alle lokalen Gemeindeorganisationen auffordern, Community Councils zu bilden, um den Widerstand der Klasse gegen die Diktatur der Tory-Zentralregierung zu stellen. Die Gewerkschaften, deren Grundrechte erneuten und noch rücksichtsloseren Angriffen der Tory-Regierung ausgesetzt sein werden, müssen sich an diesem Kampf beteiligen. (News Line, 13 Juni 1983.)
Dies war nichts anderes als eine Neuauflage des alten verräterischen Plans, alle Teile der Arbeiterklasse dem Staat und dessen Agenten unter den Labour-Linken unterzuordnen. Der Hinweis auf die Gewerkschaften war besonders zynisch: wenn Healy davon sprach, dass sich die Gewerkschaften „an diesem Kampf beteiligen“ müssen, dann meinte er – wie wir am Fall der U-Bahn-Arbeiter gesehen haben –, dass sie jeder Konfrontation mit den Labour-Statthaltern des kapitalistischen Staates aus dem Weg gehen und von der Verteidigung ihrer Mitglieder Abstand nehmen sollten.
Schließlich ist keine Einschätzung der WRP-Wahlkampagne vollständig, wenn sie nicht auf Alex Mitchells einzigartigen Beitrag zum Verständnis des Charakters der Kommunistischen Partei und der Labour Party eingeht. Im Verlauf einer langatmigen „Betrachtung“ über die Probleme, mit denen die WRP während des „Volksmarsches für Arbeitsplätze“ (der mitten in der Wahlkampagne 1983 stattfand) zu kämpfen hatte, kam Mitchell zu folgender tiefer Einsicht:
Dies bringt uns zu dem zentralen politischen Unterschied zwischen den Reformisten der Labour Party und den Stalinisten. Die Sozialdemokraten (Labour-Politiker) verraten die Arbeiterklasse, aber die Stalinisten tun es bewusst. Sie sind eine Partei des organisierten Verrats gegen die Interessen der Arbeiterklasse. (News Line, 16. Mai 1983, der gesamte Abschnitt ist im Original fett gedruckt.)
Diese Betrachtung liefert viel Stoff zum Nachdenken. Wenn die Labour-Politiker tatsächlich nicht bewusst verraten, könnte es dann nicht möglich sein, sie zu überzeugen, für die Arbeiterklasse zu kämpfen, wenn man ihnen nur ihre Fehler begreiflich macht? Und was die Stalinisten anbelangt, so erscheint es vor dem Hintergrund dieses Kommentars noch seltsamer, dass Mitchell nur drei Wochen später leidenschaftlich die Kontrolle der Kommunistischen Partei über den Morning Star verteidigte.