Socialist Equality Party (Großbritannien)
Historische und internationale Grundlagen der Socialist Equality Party (Großbritannien)

Der Kampf gegen die Lawrence-Gruppe

97. Der offene Brief wurde zur Grundsatzerklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Das pablistische Internationale Sekretariat reagierte darauf, indem es sämtliche Befürworter ausschloss. Cannon erklärte die Bedeutung der Spaltung:

„Das erste Anliegen der Trotzkisten ist immer die Verteidigung unserer Lehre. Das muss es auch jetzt sein. Soweit das erste Prinzip. Das zweite, das dem ersten zum Leben verhilft, ist der Schutz der historisch geschaffenen Kader gegen jeden Versuch, sie zu zerstören oder auseinander zu treiben. Die offizielle Einheit steht ihrer Bedeutung nach bestenfalls an dritter Stelle. Die Kader der ‚alten Trotzkisten‘ repräsentieren das akkumulierte Kapital des langen Kampfes. Sie sind die Träger der Lehre, die einzigen menschlichen Instrumente, die unsere Lehre – das Element des sozialistischen Bewusstseins – in die Massenbewegung tragen können. Die pablistischen Hofschranzen haben absichtlich versucht, diese Kader zu zerstören, einen nach dem anderen, in einem Land nach dem anderen. Und wir setzen uns – leider mit großer Verzögerung – dafür ein, die Kader gegen diesen perfiden Angriff zu verteidigen. Unsere Verantwortung für die internationale Bewegung lässt uns keine andre Wahl. Revolutionäre Kader sind nicht unzerstörbar. Das hat uns die tragische Erfahrung der Komintern gelehrt.“[33]

98. Pablo und Mandel arbeiteten mit Lawrence zusammen und versuchten, die britische Sektion zu zerstören. Lawrence nahm an einem Fraktionstreffen in Paris teil, worauf er seine Minderheit zur offiziellen Sektion der Vierten Internationale erklärte und eine Konferenz organisierte, die Healy „ausschloss“. In der vierköpfigen Redaktion des Socialist Outlook, in der Healy eine Ein-Mann-Minderheit darstellte, versuchte Lawrence eine offene Unterstützung für den Stalinismus durchzusetzen. Seine Fraktion versuchte auch, die Arbeit in der Parteidruckerei zu sabotieren und sie in den Bankrott zu treiben. In einem Brief vom 21. April 1954 an Leslie Goonewardene von den ceylonesischen Trotzkisten erklärte Healy:

„Von Anfang an zeigte sich der Pablismus in Großbritannien in der Form der Sabotage, die objektiv dem Stalinismus zuarbeitete. Unser Zeitungsverkauf sank von 6000 auf 4500 pro Woche. Sie glaubten, den orthodoxen Trotzkismus vernichten zu können, indem sie mich zeitweilig in der Redaktion und in der Druckerei isolierten. Ihre ganze Strategie war Teil eines sorgfältig verborgenen Plans. Nachdem sie von der überwältigenden Mehrheit der Partei abgewiesen worden waren, versuchten sie, die Nervenzentren unserer Arbeit an den Punkten zu treffen, wo wir Bündnisse mit den Zentristen hatten, und ausgerechnet diese Bündnisse waren auch der Arbeit der Stalinisten im linken Labour-Flügel ein Dorn im Auge.“[34]

99. Wie erbittert der pablistische Angriff geführt wurde, beschreibt Healy so:

„Letzten Donnerstag, morgens um acht, erschien er [Lawrence] in der Druckerei mit einem seiner Anhänger, der für uns als Maschinenwärter arbeitete. Als ich darauf hinwies, dass er sich nicht an die Entscheidungen der Redaktion halte, schlug er mir ohne Warnung ins Gesicht, dass mir das Blut aus der Nase spritzte. Sein Handlanger mischte sich ein, aber da kam auch schon Mike [Banda] zu meiner Rettung und zückte ein Messer gegen Lawrence. Ich nahm es ihm sofort ab, und Lawrence wurde von den anderen Druckern aus dem Büro gedrängt.“[35]

100. Healy kommentierte die politische Bedeutung des Vorfalls wie folgt:

„Wie ihr wisst, sind wir in unserer Gruppe keine Feiglinge. Wir haben in der Vergangenheit manchen Fraktionskampf ausgefochten, aber nie mit Gewalt. Das kam nur vor, wenn wir es mit den Stalinisten zu tun hatten, sonst mit niemandem, und es ist kein Zufall, dass die Pablisten sich nun entsprechend verhalten.“ [36]

101. Lawrence versorgte ein stalinistisches Wochenblatt mit Informationen über die Aktivitäten des „Clubs“ in der Labour Party, und dieses veröffentlichte einen Hetzartikel. Der wurde benutzt, um den Socialist Outlook zu verbieten und seine Anhänger mit Ausschluss zu bedrohen. Die Labour League of Youth, praktisch vom „Club“ kontrolliert, wurde aufgelöst. Der „Club“ organisierte Protesttreffen im ganzen Land. Eine Resolution für den Parteitag der Labour Party gegen das Vorgehen des nationalen Exekutivkomitees gewann 1.700.000 Stimmen, wurde aber von dem rechten Flügel mit Hilfe des Gewerkschaftsblocks abgeschmettert. Vom Rauswurf bedroht, war der „Club“ gezwungen, den Socialist Outlook einzustellen. Eine Verleumdungsklage der Imperial Tobacco Company wurde dann benutzt, um die Presse der Bewegung in den Bankrott zu treiben.

102. Pablos Sektion in Großbritannien hielt sich nicht länger als ein Jahr. Im Juni 1954 kam Lawrence zum Schluss, dass selbst eine so schwache Verbindung zum Trotzkismus ein Hindernis für seine Orientierung auf die stalinistischen Parteien darstellte. Seine Gruppe in der Labour Party unterstützte die stalinistische Niederschlagung der ungarischen Revolution 1956, und er selbst trat im November 1958 in die KP ein, nicht ohne seine trotzkistische Vergangenheit zuvor öffentlich zu widerrufen.[37] Grant und eine kleine Anzahl pablistischer Anhänger in Großbritannien ersetzten Lawrence als britische Sektion des Internationalen Sekretariats und bildeten 1957 die Revolutionary Socialist League. Der Zusammenschluss war Beweis dafür, dass Grants Ansichten sich denen von Pablo und Mandel angepasst hatten. Bereits im Juni 1950 hatte Jimmy Deane, Grants engster Mitarbeiter, geschrieben: „Pablo hat den Wandel geschafft! Erst führt er einen Kampf gegen uns, und am Ende übernimmt er mehr oder weniger unsere Position.“


[33]

Trotskyism Versus Revisionism (1974) New Park Publications, Band 2, S. 106 [aus dem Englischen]

[34]

ibid. S. 80

[35]

ibid.

[36]

ibid.

[37]

Die Art und Weise, wie die Lawrence-Fraktion in der Labour Party reagierte, stellt dem Pablismus ein vernichtendes Zeugnis aus. Sie arbeitete nicht nur mit der britischen KP zusammen, sondern ihr erklärtes Ziel bestand darin, sich gegen jede Kritik an der Niederschlagung die Revolution in Ungarn stark zu machen. So erklärte David Goldhill, ein Anhänger von Lawrence, in den Diskussionen in der KP seien in [den Londoner Stadtteilen] Holborn und St.Pancras viele Mitglieder „vollkommen verwirrt“ gewesen. „Und so weit ich mich erinnern kann, waren es die alten Trotzkisten, die strikt dagegen waren und sagten, man könne diese Revolution nicht unterstützen, das sei eine antikommunistische Revolution, man müsse trotz der schrecklichen öffentlichen Propaganda die Sowjetunion bei diesem Angriff unterstützen. Und ich glaube, wir spürten wirklich, dass es unsre Aufgabe war, die Kommunistische Partei zu stärken, die in dieser Lage Anzeichen vollkommener Desintegration zeigte.“ (zitiert in Red Flag over St Pancras, Bob Pitt, Revolutionary History [aus dem Englischen]).