1. Die Socialist Equality Party (SEP) ist die britische Sektion der Vierten Internationale, der Weltpartei der sozialistischen Revolution, die 1938 von Leo Trotzki gegründet wurde und heute vom Internationalen Komitee geführt wird. Das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) repräsentiert die Kontinuität des Kampfs von Marx, Engels, Lenin und Trotzki für den Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiterklasse mit dem Ziel, das kapitalistische Profitsystem zu stürzen. Dieses Erbe wird in den Historischen und internationalen Grundlagen der Socialist Equality Party (USA) von 2008 umrissen und stellt die programmatische Grundlage für die Arbeit der SEP in Großbritannien dar.
2. Der Aufbau einer revolutionären Bewegung ist nur auf der Grundlage einer internationalistischen Perspektive möglich. Leo Trotzki betonte 1928:
„In unserer Epoche, welche die Epoche des Imperialismus, d.h. der Weltwirtschaft und der Weltpolitik unter der Herrschaft des Finanzkapitals ist, vermag keine einzige Kommunistische Partei ihr Programm lediglich oder vorwiegend aus den Bedingungen und Entwicklungstendenzen ihres eigenen Landes abzuleiten. (…) In der gegenwärtigen Epoche muss und kann die nationale Orientierung des Proletariats in noch viel größerem Maße als in der vergangenen nur aus der internationalen Orientierung hervorgehen und nicht umgekehrt. Darin besteht der grundlegende und ursächliche Unterschied zwischen der Kommunistischen Internationale und allen Abarten des nationalen Sozialismus.“[1]
3. Diese Worte, die Trotzki mitten im Zusammenbruch des Weltkapitalismus in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts schrieb, gewinnen heute sogar noch größere Bedeutung. Mit dem Finanzcrash von 2008 hat die Systemkrise des Kapitalismus eine neue Stufe erreicht. Die milliardenschweren Rettungspakete, die das globale Finanzsystem retten sollten, haben nationale Wirtschaften an den Rand des Bankrotts getrieben. Die herrschende Klasse nutzt diese Krise für einen Angriff auf die gesellschaftliche Position der Arbeiterklasse. Ihr Ziel besteht nicht nur darin, die Last der Bankenrettungen auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen. In Großbritannien und ganz Europa beabsichtigen die herrschenden Eliten, jeden verbleibenden Rest des Sozialstaats, der nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt wurde, zu beseitigen, und ein Niveau an Ausbeutung einzuführen, wie man es bisher nur von faschistischen Diktaturen oder Militärdiktaturen kannte.
4. Im Zentrum der Krise stehen die USA. Der amerikanische Kapitalismus befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Zerfalls. Sein Niedergang als führende Weltmacht ist der Faktor, der die internationale Politik am stärksten destabilisiert, denn die USA versuchen, ihren Verlust an Wirtschaftsmacht durch Militarismus und koloniale Eroberungskriege zu kompensieren. Die Globalisierung des Wirtschaftslebens bedeutet, dass kein Land vor dem kommenden Sturm gefeit ist. Einmal mehr bestätigt sich der grundlegende Widerspruch im Herzen des kapitalistischen Systems zwischen globaler Produktion und der Aufteilung der Welt in antagonistische Nationalstaaten auf der Grundlage des Privateigentums. Alle Behauptungen, China könne die USA als Motor der Weltwirtschaft ersetzen, haben sich als falsch erwiesen. Die gegenseitige Abhängigkeit facht nur das Wachstum interimperialistischer Antagonismen zwischen den USA, China und den europäischen Mächten an. Sie werden zu Handelskriegen und schließlich zu militärischen Auseinandersetzungen führen.
5. Der Angriff auf den Lebensstandard von Milliarden Menschen führt dazu, dass der Klassenkampf als entscheidende Triebkraft der Weltgeschichte wieder auflebt. Gleichzeitig hat die Globalisierung riesige neue Bataillone an Arbeitern hervorgebracht, die einem gemeinsamen Feind gegenüberstehen und durch Produktionsprozesse über nationale Grenzen hinweg zusammengeschweißt werden. Ihre Kämpfe müssen bewusst vereint und auf die Eroberung der politischen Macht ausgerichtet werden. Der Staatsapparat der herrschenden Klasse muss gestürzt und durch eine Arbeiterregierung ersetzt werden, die das Wirtschaftsleben auf sozialistischer Grundlage neu organisiert.
6. Die Perspektive des proletarischen Internationalismus bedeutet nicht nur, auf die Solidarität zwischen Arbeitern in verschiedenen Ländern zu setzen. Sie muss organisatorische Form annehmen, indem die Vierte Internationale als revolutionäre Führung der Arbeiterklasse aufgebaut wird. Keine nationale Organisation kann eine revolutionäre Orientierung entwickeln oder aufrechterhalten. Das ist nur durch die ständige Zusammenarbeit mit internationalen Gesinnungsgenossen möglich. Alle Tendenzen, die dieses strategische Konzept zurückweisen und sich dabei auf nationale Unabhängigkeit und Aktionsfreiheit berufen, nehmen sich damit nur selbst die „Freiheit“, vor ihrer nationalen Bourgeoisie und dem Weltimperialismus zu kapitulieren.
7. Die Socialist Equality Party ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Kampfs für den Aufbau einer sozialistischen und internationalistischen Partei in Großbritannien. Wer ihre Geschichte untersuchen will, muss sich mit der langen politischen Karriere von Gerry Healy beschäftigen, der wichtigsten Person, welche die britische Arbeiterbewegung hervorgebracht hat. Healy war ein gewaltiger Redner und ein begabter und energischer Organisator. Was ihn jedoch besonders auszeichnete und von all seinen Zeitgenossen unterschied, war seine Entschlossenheit, für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse von den stalinistischen und sozialdemokratischen Apparaten zu kämpfen. Dies tat er unter den ungünstigen Bedingungen, mit denen die trotzkistische Bewegung während der Nachkriegsjahre konfrontiert war.
8. Dass Gerry Healy und die Bewegung, die er führte, später degenerierten, schmälert nicht die Bedeutung seines über zwanzigjährigen prinzipiellen Kampfs. Vielmehr stellt dieser eine wesentliche Grundlage der Arbeit der heutigen Socialist Equality Party dar. Während so viele andere die revolutionäre Perspektive über Bord warfen, spielte Healy jahrelang eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den pablistischen Opportunismus, der die Vierte Internationale zu liquidieren drohte. Es war diese Standhaftigkeit, welche die Kontinuität des Trotzkismus bewahrte. Diese Kontinuität hat nichts damit zu tun, dass er ein „unfehlbarer Führer“ oder Apostel gewesen wäre. Wie in der Geschichte überhaupt, gab es auch in der trotzkistischen Bewegung Konflikte, scharfe Brüche und sogar Spaltungen. Es ist eine Geschichte voller Kämpfe. Aber dieser komplexe Prozess ist notwendig, damit die Arbeiterklasse sich ihrer revolutionären Kraft bewusst wird. Um eine neue Generation von Sozialisten hervorzubringen, muss sie die Geschichte studieren.
Leo Trotzki Die Dritte Internationale nach Lenin, Mehringverlag, 1993, S. 24-25