In dieser Woche haben die USA und Großbritannien den Einsatz von Nato-Langstreckenwaffen tief in Russland genehmigt. Sie haben damit eine „rote Linie“ überschritten, die nach Angaben russischer Regierungsvertreter zu militärischen Vergeltungsmaßnahmen führen würde, einschließlich des möglichen Einsatzes von Atomwaffen.
Am Sonntag erlaubte US-Präsident Joe Biden dem ukrainischen Regime in Kiew, ATACMS-Raketen zur Bombardierung Russlands einzusetzen. Dann erklärte der britische Premierminister Keir Starmer, der sich seit September öffentlich für dieses Vorgehen in Washington eingesetzt hat, dass London Kiew erlauben würde, Russland mit seinen Storm-Shadow-Raketen zu bombardieren. Kiew feuerte am Dienstag ATACMS-Raketen und am Mittwoch Storm Shadows ab.
In Europa und international müssen die Alarmglocken läuten. Die Bombardierung eines anderen Landes ist eine Kriegshandlung. Unabhängig davon, ob eine Kriegserklärung vorliegt oder nicht, herrscht zwischen den wichtigsten atomar bewaffneten Mächten der Welt faktisch der Kriegszustand.
Die russische Regierung hat auf diese provokativen Angriffe mit immer offeneren Warnungen vor einer militärischen Antwort reagiert. Washington und seine Nato-Verbündeten in Europa sind weit davon entfernt, sich zurückzuziehen und verschärfen ihre Angriffe auf Russland weiter.
Starmer hat deutlich gemacht, dass ihn die Gefahr eines Atomkriegs nicht davon abhalten wird, Russland zu bombardieren. Er wurde zu der vom Kreml im September angekündigten Änderung seiner Nukleardoktrin befragt, die russische Nuklearschläge auf atomar bewaffnete Staaten wie Großbritannien erlaubt, wenn sie andere Länder aufrüsten, um Russland zu bombardieren. Starmer bezeichnete die russischen Warnungen, auf Angriffe auf sein Territorium zu reagieren, als „unverantwortliche Phrasen“ und erklärte, dass die russischen Drohungen, mit Atomwaffen zu antworten, „uns nicht von unserer Unterstützung für die Ukraine abhalten werden.“
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock befürwortete die Bombardierung Russlands und wies Warnungen vor einem Atomkrieg mit den Worten zurück: „Wir lassen uns nicht einschüchtern, egal, was immer wieder Neues herumposaunt wird.“ Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot sagte, die Bombardierung Russlands sei bereits „eine Option, die wir in Betracht ziehen würden“, und behauptete, die Bombardierung Russlands durch die USA und Großbritannien sei „nichts Neues.“
Russland hat bereits Vergeltungsmaßnahmen ergriffen. Am Donnerstag feuerte es eine ballistische Mittelstreckenrakete, die von ukrainischen und Nato-Quellen als „Orestnik“-Variante der Rubezh-Rakete RS-26 identifiziert wurde, auf die Millionenstadt Dnipro ab. Normalerweise würde eine solche Rakete vier unabhängig voneinander manövrierbare nukleare Sprengköpfe tragen, von denen jeder 20-mal stärker ist als die US-Atombombe, die Hiroshima zerstörte. Mit einer Reichweite von 5.800 Kilometern kann sie jede Stadt oder Militärbasis in Europa zerstören. Diese Rakete war jedoch unbewaffnet und beschädigte ihr Ziel, eine ukrainische Raketenfabrik, einfach dadurch, dass sie mit einer Geschwindigkeit von 12.000 Kilometern pro Stunde aufprallte.
In einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache erklärte der russische Präsident Wladimir Putin, dass dieser Schlag eine Warnung an die Nato sei. „Als Reaktion auf den Einsatz amerikanischer und britischer Langstreckenwaffen haben die russischen Streitkräfte am 21. November dieses Jahres einen kombinierten Schlag durchgeführt. ... Unter Gefechtsbedingungen wurde ein Test eines der neuesten russischen Mittelstrecken-Raketensysteme durchgeführt.
„Wir haben das Recht, unsere Waffen gegen militärische Einrichtungen jener Länder einzusetzen, die den Einsatz ihrer Waffen gegen unsere Einrichtungen zulassen“, so Putin weiter. „Wir sind auf jede Entwicklung vorbereitet. Wenn jemand noch daran zweifelt, sollte er das nicht tun. Es wird immer eine Antwort geben.“
Es ist völlig leichtsinnig, Russlands Erklärungen als Bluff abzutun. In welcher Form auch immer, Russland wird angesichts der immer aggressiveren Aktionen der Nato-Mächte Vergeltung üben.
Am Donnerstag prangerte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, die US-Raketenbasis in Redzikowo in Polen an und bezeichnete sie als „eklatante Provokation.“ Sie sagte, die Basis sei als „vorrangiges Ziel für eine mögliche Zerstörung“ identifiziert worden.
Der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, David North, erläuterte die gefährliche Logik der Eskalation in einem Kommentar, den er am Donnerstag auf X veröffentlichte:
Wenn Putin Starmer direkt warnen würde, dass ein weiterer Einsatz der Storm-Shadow-Raketen gegen Russland ohne Frage zu direkten Vergeltungsmaßnahmen gegen Großbritannien führen wird, würde Großbritannien weitere Angriffe nicht abbrechen.
Zu diesem Zeitpunkt müssen die USA und die Nato davon ausgehen, dass Russland aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem bedeutenden militärischen Vergeltungsschlag reagieren wird. Die Vermeidung einer solchen Vergeltungsmaßnahme ist jedoch nicht mehr von entscheidender Bedeutung. Die Vereinigten Staaten und die westlichen Großmächte sind entschlossen, Russland zu besiegen, und werden nicht nachgeben. Und wie es scheint, ist Putin nun zu dem Schluss gekommen, dass er einen direkten Konflikt mit seinen „westlichen Partnern“ nicht vermeiden kann.
Die Situation ist außerordentlich gefährlich – und die Gefahr wird durch die Tatsache vergrößert, dass die breite Öffentlichkeit keine Ahnung zu haben scheint, dass wir am Rande eines katastrophalen Krieges stehen.
Als Biden 2022 darüber debattierte, ob Panzer in die Ukraine geschickt werden sollten, warnte er vor der Gefahr eines „Armageddon.“ Er sagte, er kenne den russischen Präsidenten „ziemlich gut“ und erklärte, dass Putin „nicht scherzt, wenn er über den Einsatz taktischer Atomwaffen spricht.“ Nun hat Biden trotz Putins Drohungen mit einer Eskalation die Bombardierung Russlands gebilligt.
Die europäischen Mächte, die fast drei Jahre lang an der Seite von Biden gegen Russland gekämpft haben, sind besorgt über Trumps Drohung, die militärische Unterstützung der USA für Kiew zu reduzieren und Zölle zu erheben, um europäische Exporte nach Amerika zu blockieren. Der estnische Außenminister Margus Tsahkna fordert europäische „Bodentruppen“ in der Ukraine, ähnlich wie es der französische Präsident Emmanuel Macron in diesem Winter getan hat. Die europäischen Mächte drängen auf eine Eskalation des Krieges, um ihre eigenen imperialistischen Interessen unabhängig von den USA durchzusetzen.
Der sich abzeichnende dritte Weltkrieg, von dem der Krieg gegen Russland ein Teil ist, ist ein Raubkrieg. „Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Kampf um die Rohstoffe“, stellt die Agentur Germany Trade and Invest (GTAI) fest und verweist auf „große Vorkommen an Eisen, Titan und Lithium, die nun zum Teil von Russland kontrolliert werden.“
Noch größere Reichtümer an kritischen Mineralien, aber auch an Öl und Gas, würden den europäischen Mächten zufallen, wenn sie Russland unterwerfen könnten. Ihre Entscheidung, keine günstigen russischen Energielieferungen mehr zu beziehen, hat Europa in den Ruin getrieben. Wie Reuters berichtet, sind seither die Strompreise für die Industrie in Deutschland um 280 Prozent, in Frankreich, Italien und den Niederlanden um über 200 Prozent und in Spanien um 103 Prozent gestiegen. Europa verliert Fabriken und Arbeitsplätze, weil diese Energiepreiserhöhungen dazu geführt haben, dass europäische Waren weltweit nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Und so rief der polnische Präsident Andrzej Duda Anfang dieses Jahres dazu auf, Russland zu zerschlagen und in 200 machtlose ethnische Kleinstaaten aufzuteilen. Mit der Behauptung, in der heutigen Welt gebe es „keinen Platz mehr“ für Russland, erklärte er provokativ:
Russland wird oft als das Gefängnis der Nationen bezeichnet, und das aus gutem Grund. Es beherbergt über 200 ethnische Gruppen ... Russland ist bis heute das größte Kolonialreich der Welt, das im Gegensatz zu den europäischen Mächten nie den Prozess der Entkolonialisierung durchlaufen hat und nie in der Lage war, mit den Dämonen seiner Vergangenheit fertig zu werden. In der modernen Welt gibt es keinen Platz mehr für den Kolonialismus.
Ein weiterer Faktor, der die Kriegseskalation der europäischen Bourgeoisie vorantreibt, ist die Verschärfung des Klassenkampfs. Die europäischen Staaten, die nach jahrzehntelangen Bankenrettungen unter einer massiven Schuldenlast taumeln, planen jeweils Dutzende von Milliarden Euro an Kürzungen bei wichtigen Sozialprogrammen, um sie in Militärausgaben umzuleiten, selbst wenn die Wut der Arbeiterklasse über Massenentlassungen wächst. Nach massiven Streiks in den letzten zwei Jahren sind die europäischen Regierungen bei den Arbeitern zutiefst unpopulär und verhasst.
Russische Militärschläge könnten als Vorwand dienen, um die Gesellschaft weiter zu militarisieren, Streiks zu verbieten, die Wehrpflicht wieder einzuführen und die von breiten Massen der arbeitenden Bevölkerung abgelehnte Austeritäts- und Kriegspolitik zu verschärfen.
Die tief verwurzelte Opposition gegen den imperialistischen Krieg unter Arbeitern in der Ukraine, Russland, Europa, Amerika und international muss aktiviert und für einen Kampf gegen ihre „eigenen“ kapitalistischen Regierungen mobilisiert werden.