Berlin: Ukrainer demonstrieren für Verteidigung demokratischer Rechte gegen das Selenskyj-Regime

Die WSWS ruft alle ihre Leser dringend dazu auf, die Petition für die Freilassung von Bogdan Syrotjuk zu unterschreiben.

Vergangenen Sonntag fand in Berlin eine Kundgebung gegen den Krieg in der Ukraine und die Diktatur des Selenskyj-Regimes statt, organisiert von Ukrainern.

Im Aufruftext zur Kundgebung heißt es: „Wir wollen nicht, dass in der Ukraine Männer verschleppt, geschlagen und in Kellern festgehalten werden. Wir fordern offene Grenzen und die Achtung der Menschenrechte. Wir wollen auch der toten Männer gedenken, die nach ihrer Entführung durch das Territoriale Rekrutierungszentrum (TCC) gestorben sind. Wir laden alle ein, viele von Ihnen haben noch Verwandte, Väter, Brüder und Söhne in der Ukraine, die durch die Willkür der Gangsterbehörden in Gefahr sind!“

Die Demonstration zur Verteidigung demokratischer Rechte gegen das Selenskyj-Regime in Berlin

Organisiert wurde die Kundgebung u.a. vom „Bündnis der postsowjetischen Linken“ (BPL), einer Gruppe von überwiegend jungen Exilanten aus Russland, der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjet-Republiken in Deutschland . Die Gruppe hatte bereits im Oktober diesen Jahres ein Statement zur Verteidigung des ukrainischen Sozialisten und Kriegsgegners Bogdan Syrotjuk veröffentlicht, der mittlerweile seit mehr als einem halben Jahr vom Selenskyj-Regime inhaftiert ist.

Reporter von der WSWS waren auf der Demonstration anwesend, verteilten Flugblätter zu Bogdans Inhaftierung und sprachen mit Teilnehmern über die Situation in der Ukraine und eine Perspektive zur Beendigung des Krieges.

Sheka, der ursprünglich aus Charkiw stammt und nur einen Tag vor Beginn des Kriegs nach Deutschland kam, berichtet von der Situation in der Ukraine:

Die ukrainischen Männer müssen sich jetzt gerade verstecken und zu Hause bleiben, weil sie Angst vor dem TCK, dem ukrainischen Militär haben. Auch mein Bruder muss sich verstecken. Er ist erst 21 Jahre jung. Er hat keine Lust, in den Krieg zu gehen und sein Leben zu verlieren.

Die ukrainische Regierung, das ist sehr viel Korruption. Das ist meine Meinung.

Ich hatte Glück, dass ich die Ukraine einen Tag vor dem Krieg verlassen habe. Und ich will, dass alle ukrainischen Männer, die das wollen, aus der Ukraine weggehen können. Ich wünsche ihnen allen Frieden und Wohl.

"Whitewind"

Ein Demonstrant, der sich unter dem Namen „Whitewind“ vorstellt, stammt aus Sibiren. Er ist von dort nach Deutschland gekommen, um der Mobilisierung in Russland zu entgehen. Er erklärt:

Ich sehe einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Krieg in der Ukraine und den Kriegen in anderen Ländern, wie jetzt in Gaza. In jedem Land setzen die Kapitalisten auf den Militarismus, auch hier in Deutschland. Überall sagen die Politiker, der Staat brauche mehr Steuergelder für Waffen, obwohl es überall enorme soziale Probleme für die Arbeiter gibt.

Über den Zusammenhang zwischen dem Krieg in der Ukraine und dem Kapitalismus erklärt er:

Ich habe gehört, dass es Pläne für neue Fabriken hier in Deutschland gibt, um Waffen für die Ukraine zu produzieren. Waffenfirmen wie Rheinmetall können mit dem Krieg riesige Gewinne machen, aber gleichzeitig gibt es ähnliche Pläne, Waffen in Polen herzustellen, wo die Arbeiter für weniger Lohn beschäftigt werden können und die Kosten der deutschen Hersteller unterboten werden. Das alles ist Teil der Logik des kapitalistischen Systems.

Über die mögliche Gefahr der Eskalation des Kriegs hin zu einem Atomkrieg erklärt er:

Es ist eine sehr gefährliche Situation, weil mehrere der kriegführenden Länder über Atomwaffen verfügen. Die einzige Lösung ist eine Bewegung von unten, von Arbeitern in jedem Land gegen den Kapitalismus. Von diesem Standpunkt aus sehe ich die Notwendigkeit, alle Opfer wie Bogdan Sirotyuk zu unterstützen, die wegen ihres Widerstandes gegen den Krieg inhaftiert wurden.

Andrej

Reporter der WSWS hatten ein längeres Gespräch mit Andrej, der vor Beginn des Krieges angefangen hatte, in Deutschland zu studieren, und so der Mobilisierung in der Ukraine entgangen ist. Er beschreibt ausführlich die Situation in der Ukraine:

Im Grunde sind die meisten Ukrainer in ihrem eigenen Land eingesperrt und nicht in der Lage, richtig zu leben. In vielen Fällen können sie ihren Berufen nicht richtig nachgehen. Menschen werden überfallen und auf den Straßen gejagt. Sie werden gewaltsam mobilisiert. Das weiß im Grunde jeder. Was weniger bekannt ist, sind die zahlreichen Fälle von Folterungen und Morden in den ukrainischen Kommissariaten.

Wir sind zum Teil hier, um über diese Fälle zu berichten, sie zu schildern, zu sagen, dass es diese Fälle tatsächlich gibt. Sie werden nicht von russischen Medien oder so dokumentiert, sondern von ukrainischen Medien, auch von ziemlich großen. Darunter auch jene, die zuvor Präsident Selenskyj unterstützt haben.

Die Mainstream-Medien in der Ukraine sind also gut informiert über die Fälle von Folterungen und Morde in ukrainischen Kommissariaten. Leider ist das hier in Deutschland nicht der Fall, hier in der EU.

Wir verstehen natürlich, warum. Wir verstehen, dass dies als Teil des russischen Narrativs gesehen wird. Dennoch können wir die weit verbreiteten Fälle von Folterungen nicht einfach ignorieren.

Dabei zeige sich ein großer Klassenunterschied, wer eingezogen werde und wer nicht.

Eingezogen werden im Grunde die Leute, die es sich nicht leisten konnten, die Bestechungsgelder zu zahlen, die es sich nicht leisten konnten, die Ärzte zu bestechen, damit sie die Tickets ausstellen, mit denen sie sich dem Militärdienst entziehen können.

Im Moment leben wir in einem surrealen Zustand, dass im ukrainischen Staat fast eine Million Polizisten beschäftigt sind. Die Aufgabe dieser Polizisten ist ziemlich klar. Sie sollen die Zwangsmobilisierung durchsetzen und die immer weniger demokratische Regierung von Selenskyj an der Macht halten. Sie sind nicht da, um die „Demokratie“ der Ukraine auf den Straßen zu schützen.

In der Ukraine wird viel darüber diskutiert, warum Menschen mobilisiert und zwangsrekrutiert werden, z.B. fünfzigjährige Menschen, Menschen mit einer schweren Form von Tuberkulose, Menschen mit einigen Formen von Krebs, aber nicht das breite Spektrum der Polizisten, die in der Ukraine zahlreich sind, fast so groß wie die ukrainische Armee selbst. Dies ist eine surreale Situation.

Über die Rolle der pseudolinken Partei, die allesamt den Kriegskurs in der Ukraine unterstützen, erklärt Andrej:

Die Linkspartei, vielleicht sind wir da old-school, aber so wie wir sie sehen, sollte eine linke Partei für egalitäre Transformationen der Gesellschaften stehen, für die Angleichung der Regeln und für einen Staat, in dem die Regeln für alle Menschen gleichermaßen gelten – mindestens. Und darüber hinaus für die Unterstützung derjenigen, die am meisten in Gefahr sind, derjenigen, die am verwundbarsten sind. Und die Schwächsten in der Ukraine sind nicht die Polizisten oder der ukrainische Staat oder sonst etwas, die von den europäischen Parteien, insbesondere den „linken“, mit Priorität unterstützt werden. Die Priorität sollten die ukrainischen Bürger sein, ihre Rechte und so weiter. …

Wir sehen die Verwandlung der Grünen in eine Pro-Kriegs-Partei. Wir sehen das Ignorieren der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine, der Verbrechen gegen weite Teile der ukrainischen Bevölkerung, die dokumentiert sind und von der deutschen Regierung nicht aufgearbeitet werden. Wir sehen sehr deutlich, dass die Parteien, die sich als links darstellen, in Wirklichkeit keine linke Politik betreiben. Wir leben in einer surrealen Situation, in der sowohl Linke als auch Rechte übereinstimmen, dass die Tatsache, dass Russland die Ukraine angreift, es der ukrainischen Regierung im Grunde erlaubt, praktisch die gleichen oder sogar schlimere Methoden anzuwenden, als die russische Regierung sie einsetzt, um ihr Personal zu mobilisieren. In Russland können die Menschen beispielsweise das Land verlassen. Die Russen brauchen ihr Personal nicht zu bestechen, um aus Russland herauszukommen.

Über die Verhaftung Bogdan Syrotjuks wusste Andrej bereits Bescheid und sagte:

Bogdan ist einer der vielen Menschen, die sich in der Situation befinden, dass die Verbreitung des Wortes und das Reden über die Methoden der ukrainischen Regierung dazu führt, dass man strafrechtlich verfolgt wird in Form eines politischen Prozesses. Natürlich ist es surreal, dass sein Fall hier in den deutschen Medien nicht breit dargestellt wird.

Leider ist er nicht der Einzige. Das ist eine ziemlich systematische Art und Weise, mit den oppositionellen Stimmen in der Ukraine umzugehen. Eine der Personen, die uns als Organisation bekannter sind, ist Jurij Schaljaschenko, der ukrainische Pazifist, der im Grunde nur einen Brief an Selenskij schrieb, in dem er den unbewaffneten Widerstand gegen die russische Invasion unterstützte. Daraufhin wurde eine Anklage gegen ihn fabriziert.

Zur Frage, wie der Krieg beendet werden kann, erklärte Andrej:

Es war für uns von Anfang an klar und jetzt ist es für breitere Kreise der europäischen Regierungen und Parteien noch offensichtlicher: Dass der Krieg schließlich in Gesprächen, in einem Friedensabkommen enden wird. Wir sind fassungslos über die Entscheidung der ukrainischen Regierung, die von Boris Johnson persönlich und von den westlichen Regierungen unterstützt und im Grunde genommen fast erzwungen wurde [die Verhandlungen im März 2022 zu beenden].

Die kriegstreiberische Rolle von Boris Johnson persönlich und die mangelnde Bereitschaft, im März 2022 in Istanbul Kompromisse zu schließen, haben teilweise zu der Situation geführt, in der die Ukraine noch mehr Land zu verlieren droht. Sie hat bereits Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende von Menschen das Leben gekostet. Millionen werden aus dem Land vertrieben, Frauen, Kinder.

Dabei stehen hinter dem Krieg klare Interessen, so Andrej:

Es gibt offensichtlich Interessengruppen, die weitere Kriege unterstützen, die Argumente finden und Lobbyarbeit für die weitere Militarisierung betreiben. Das NATO-Budget übersteigt das russische Militärbudget um das Zehnfache. Ich sehe nicht wirklich, wie eine weitere fünf- bis sechsfache Überschreitung die Situation verbessern würde. Ich persönlich und unsere Organisation insgesamt sehen keine militärische Beendigung dieses Krieges oder eine Verbesserung der Situation in der Ukraine.

Als die Reporter der WSWS ihre Perspektive erklären, dass der Krieg nur gestoppt werden kann durch die Mobilisierung und Vereinigung der ukrainischen, russischen und internationalen Arbeiterklasse, sagt Andrej:

Wir hatten in Köln ein Treffen von mehr als 70 Antikriegsaktivisten aus der Ukraine und Russland. Wir kamen zu dem Schluss, dass Frieden „vom Boden“ kommen muss und im Grunde nachhaltiger Frieden und langfristiger Frieden in Europa nur durch Demokratisierung erreicht werden kann, nur durch die Schaffung von Möglichkeiten für den Staat, sich zu demokratisieren.

Die Kundgebung gegen die diktatorischen Herrschaftsformen des Selenskyj-Regimes ist von großer Bedeutung. Sie verdeutlicht die rasch wachsende Opposition der ukrainischen Arbeiterklasse gegen den Krieg. Doch man darf sich keine Illusionen machen: Der Krieg kann nicht gestoppt werden, in dem man Druck ausübt auf eben jene Regierungen, die den Krieg führen. Sie vertreten die Klasseninteressen einer obszön reichen herrschenden Klasse, die sich durch keinen Druck von ihrem Kurs abbringen lassen wird.

Notwendig ist der Aufbau einer sozialistischen Antikriegsbewegung, die die ukrainische, russische und internationale Arbeiterklasse vereint und für den Sturz des Kapitalismus kämpft. Nehmt über das Formular Kontakt mit uns auf und schließt euch diesem Kampf an!

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