Israel tötet bei Luftangriff in Nord-Gaza 93 Menschen und verbietet UN-Hilfsorganisation

Die Bombardierung eines fünfstöckigen Wohngebäudes in der Stadt Beit Lahiya durch die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) am Dienstag, bei der 93 Menschen, darunter 25 Kinder, getötet wurden, war das bisher schwerste einzelne Massaker seit Beginn der ethnischen Säuberung des nördlichen Gazastreifens in diesem Monat.

Palästinenser trauern um Angehörige, die bei der israelischen Bombardierung des Gazastreifens getötet wurden. Aufgenommen in der Leichenhalle eines Krankenhauses in Deir al-Balah am 29. Oktober 2024 [AP Photo/Abdel Kareem Hana]

An diesem Tag wurden mindestens 143 Menschen durch israelische Luftangriffe im gesamten Gazastreifen getötet, laut Al Jazeera die meisten – 132 Menschen – im Norden.

Da der palästinensische Zivilschutz aufgrund von Angriffen israelischer Truppen fast völlig funktionsuntüchtig ist, liegen Dutzende von Menschen unter den Trümmern begraben, wo sie höchstwahrscheinlich sterben werden, während sie auf Rettung warten.

Das Gesundheitsministerium von Gaza erklärte: „Eine Reihe von Opfern liegt noch immer unter den Trümmern und auf den Straßen, und die Krankenwagen und der Zivilschutz können sie nicht erreichen.“

Mahmoud Basal, ein Sprecher des palästinensischen Zivilschutzes, erklärte: „Es gibt Appelle und dringende Aufrufe an die Kräfte des Zivilschutzes, die Verwundeten zu retten.“ Doch die Zivilschutzkräfte seien entweder von israelischen Soldaten verhaftet oder „durch die israelische Aggression im nördlichen Gazastreifen gewaltsam vertrieben“ worden.

Der Zeuge Ismail Ouaida erklärte in einem von Reuters verifizierten Video: „In diesem Haus lebten Dutzende von Märtyrern [d. h. Tote] und Dutzende von Vertriebenen. Das Haus wurde ohne Vorwarnung bombardiert. Wie Sie sehen, liegen die Märtyrer hier und hier, und an den Wänden hängen Körperteile.“

Eine weitere Überlebende, eine palästinensische Mutter, erklärte gegenüber Al Jazeera: „Meine beiden Söhne wurden samt ihren Familien getötet. Auch meine ledige Tochter wurde getötet, und meine andere Tochter mit ihren fünf Kindern, alle getötet. Was haben sie verbrochen? Was haben diese Unschuldigen getan, um so abgeschlachtet zu werden?“

Das Gesundheitsministerium erklärte am Dienstag, dass die Verwundeten nicht medizinisch versorgt werden können, da die Ärzte in der Gegend von israelischen Truppen mit vorgehaltenen Waffen zur Evakuierung gezwungen wurden. Weiter hieß es: „Lebensgefährlich Verletzte, die nicht behandelt werden, werden ihrem Schicksal erliegen und sterben.“

Der Sprecher des US-Außenministeriums Matthew Miller bezeichnete die Bombardierung in vollendeter Heuchelei als „schrecklichen Vorfall mit schrecklichem Ergebnis“. In Wirklichkeit steht das Massaker vollkommen in Einklang mit der Politik der USA. Die Biden-Regierung hat Israel mehr als 14.000 2.000-Pfund-Bomben geliefert, mit denen die IDF systematisch dichtbesiedelte Gebiete angegriffen haben, mit dem bewussten Ziel, so viele Menschen wie möglich zu töten.

Letzte Woche traf sich US-Außenminister Antony Blinken mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, um über den so genannten „Plan der Generäle“ zu sprechen, der eine ethnische Säuberung des nördlichen Gazastreifens vorsieht. Obwohl Netanjahu sich weigerte, sich öffentlich von dem Plan zu distanzieren, gab Blinken nach dem Treffen eine pauschale Unterstützungserklärung ab, in der er Israels „Recht auf Selbstverteidigung“ bekräftigte.

Die offizielle Zahl der Todesopfer in Gaza liegt mittlerweile bei über 43.000. Zehntausende werden noch vermisst und sind wahrscheinlich unter den Trümmern begraben. Das Magazin The Lancet veröffentlichte Anfang des Jahres einen Artikel, in dem die tatsächliche Zahl der Toten, einschließlich derjenigen durch Hunger und Krankheit, auf über 186.000 geschätzt wird.

Das Massaker in Beit Lahiya ist Teil der systematischen Bestrebungen Israels, den nördlichen Gazastreifen durch Bombardierung und Aushungern ethnisch zu säubern und alle verbliebenen Einwohner zu töten. In den letzten drei Wochen wurden im Rahmen dieser Aktion im nördlichen Gazastreifen mehr als 700 Menschen getötet. Anfang des Monats lebten dort noch 400.000 Menschen. Mittlerweile wird die Zahl auf etwa 100.000 geschätzt, wobei die Verbliebenen völlig ohne Lebensmittel, Treibstoff oder medizinische Versorgung sind.

Im Vorfeld des Massakers von Dienstag hatte das israelische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das der Hilfsorganisation UNRWA die Tätigkeit in Gaza untersagt, was die verbliebenen humanitären Operationen in der Region noch weiter einschränkt. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini beschrieb die Entscheidung als „nichts anderes als eine kollektive Bestrafung“ und erklärte, das Gesetz verstoße gegen die UN-Charta und die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Staates Israel.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte in einem Brief an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der Schritt werde für die Palästinenser „verheerende Folgen“ haben. „Israel ist als Besatzungsmacht weiterhin verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Bedürfnisse der Bevölkerung erfüllt werden.“

Stéphane Dujarric, ein Sprecher von Guterres, erklärte: „Das UNRWA ist das wichtigste Werkzeug für die lebenswichtige Versorgung der palästinensischen Flüchtlinge in den besetzten Palästinensergebieten, und es gibt keine Alternative zum UNRWA. Das UNRWA ist unverzichtbar.“

James Elder, ein Sprecher des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, warnte: „Wenn das UNRWA nicht tätig sein darf, würde dies vermutlich zum Zusammenbruch des humanitären Systems in Gaza führen. … Eine derartige Entscheidung, so plötzlich gefällt, bedeutet, dass eine neue Methode gefunden wurde, Kinder zu töten.“

Die Menge an Hilfslieferungen in den Gazastreifen ist laut den UN auf den niedrigsten Stand seit Beginn des Völkermords gesunken. Zwischen dem 1. und dem 22. Oktober sind nur 704 Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern in den Gazastreifen gekommen, verglichen mit den bereits extrem niedrigen Zahlen von 3.000 Lastwagenladungen im September. Der Direktor für Frieden und Sicherheit bei Oxfam America, Scott Paul, erklärte: „Die Gebiete, die gerade entvölkert werden, haben nichts bekommen.“

Laut der IPC (Integrated Food Security Phase Classification), einer globalen Initiative zur Messung der Ernährungssicherheit, sind fast 800.000 Menschen in Gaza von Hunger in „notfallmäßigem“ oder „katastrophalem“ Ausmaß bedroht. Das Welternährungsprogramm der UN warnte: „Bis November könnten mehr als 90 Prozent der Bevölkerung von Gaza unter schwerer Ernährungsunsicherheit leiden.“ In einer Erklärung des Welternährungsprogramms hieß es, diesen Monat seien nur 5.000 Tonnen Nahrungsmittel in den Gazastreifen gelangt.

Die Krankenhäuser stehen vor einem totalen Zusammenbruch. Der Direktor des Kamal-Adwan-Krankenhauses im nördlichen Gazastreifen, Hussam Abu Safia, erklärte gegenüber Al Jazeera: „Das Krankenhaus hat keine Vorräte mehr, keine Medikamente und kein Personal. ... Das liegt daran, dass viele unserer Fachärzte und Chirurgen verhaftet wurden. Jetzt sind nur noch ich und ein einziger Kinderarzt da, der keine chirurgischen Eingriffe bei Verwundeten durchführen kann. Vor allem liegen Patienten und Verwundete überall auf dem Boden des Krankenhauses verteilt.“

Gleichzeitig rückten israelische Truppen im Libanon weiter nach Norden vor, wobei im gesamten Land 77 Personen bei Angriffen getötet wurden. Al Jazeera schrieb in einem Bericht vor Ort: „Am Montag bombardierte das israelische Militär wie wild die südlibanesische Küstenstadt Tyros und traf Wohngebäude. Die Stadt verwandelte sich in ein typisches israelisches Horrorszenario. Israel gibt sich größte Mühe, das Leben aus Tyros herauszubomben.“ Am Dienstag wurden die Angriffe auf Baalbek im Nordosten des Landes ausgeweitet. Beide Städte gehören zu den ältesten dauerhaft bewohnten städtischen Gebieten der Menschheit und gehören zum UNESCO-Welterbe.

Am Dienstag drohten israelische Regierungsvertreter mit weiteren Angriffen auf den Iran, nachdem am Wochenende bereits militärische Einrichtungen bombardiert wurden. Der Chef des israelischen Generalstabs, Herzi Halevi, erklärte: „Wir werden einmal mehr wissen, wie wir den Iran erreichen können, mit Kapazitäten, die wir dieses Mal noch nicht einmal genutzt haben.“

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