Die Rolle von iranischem Öl und Gas in den US-Kriegsplänen gegen China

Die USA und Israel stehen am Rande eines  Kriegs gegen den Iran. Die Biden-Regierung hat zwar öffentlich erklärt, sie wolle keine „Eskalation“, hat aber deutlich gemacht, dass sie Israel unterstützen wird, egal was Netanjahu tut. Fast alle Bomben, die auf Gaza und den Libanon fallen, sind in den USA hergestellt und von der Biden/Harris-Regierung umsonst an Israel geliefert worden.

Erdgasraffinerie im iranischen South-Pars-Gasfeld in Aslouyeh an der Nordküste des Persischen Golfs, 19. November 2015 [AP Photo/Ebrahim Noroozi]

Für Netanjahu, dem nach dem Ausscheiden aus dem Amt mehrere Strafverfahren drohen, bietet dieser Moment die Gelegenheit, das seit langem gehegte groteske Ziel der herrschenden Klasse Israels zu verwirklichen: Das iranische Regime durch einen Krieg zu zerstören. Die Financial Times warnte am letzten Wochenende: „Es ist nicht völlig auszuschließen, dass Israel versucht, das iranische Regime zu stürzen.“ Die Zeitung schrieb, Netanjahu habe letzte Woche erklärt: „Wenn der Iran endlich frei ist - und dieser Moment wird viel früher kommen, als die Leute denken - dann wird alles anders sein.“

Die Trump-Fraktion der herrschenden Klasse der USA hat ihre uneingeschränkte Unterstützung für einen derartigen Krieg bekundet. Trumps Schwiegersohn, der ehemalige Berater für Nahost-Fragen Jared Kushner, schrieb auf X einen langen Text, in dem er dafür eintrat, dass Israel und die USA das iranische Regime stürzen: „Der Iran ist jetzt vollständig entlarvt. ... Es ist unverantwortlich, diese Gelegenheit nicht in vollem Umfang zu nutzen, um die Bedrohung zu neutralisieren.“

Andere Teile der herrschenden Klasse haben zwar Besorgnis über die eskalierende Situation geäußert, doch die Logik ihrer Position – bedingungslose Unterstützung für Israels Vorgehen – bringt sie auf denselben Weg in Richtung eines Kriegs gegen den Iran. Bei den Demokraten bestehen möglicherweise taktische Differenzen mit Trump darüber, wie das iranische Regime zu stürzen sei, aber von der Aussicht darauf sind beide Parteien begeistert.

Die Beseitigung des iranischen Regimes ist nicht nur ein allgemeines, geopolitisches Ziel des US-Imperialismus, sondern auch ein entscheidender Schritt in seiner wirtschaftlichen und militärischen Konfrontation mit seinem wichtigsten Gegner: China. Alle Fraktionen der amerikanischen herrschenden Klasse unterstützen Israel bedingungslos, weil sie wissen, dass die Kontrolle über den rohstoffreichen Nahen Osten und die Entmachtung der Ajatollahs ihre Stärke und Flexibilität in einem Krieg gegen China erheblich steigern wird.

Die Bedeutung der iranischen Kohlenwasserstoffe

Der Iran ist ein großes Land, etwa so groß wie Spanien, die Ukraine und Frankreich zusammen, und hat 89 Millionen Einwohner. Das sind fast viermal so viele Einwohner wie der Nachbarstaat Irak, in den die USA im Jahr 2003 einmarschiert sind; außerdem hat er ein viel hochentwickelteres Militär und eine komplexere Wirtschaft.

Der Iran hat eine lange Geschichte kolonialer Unterwerfung. Dazu gehören die britische Kontrolle über seine Ölindustrie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der Putsch von 1953, mit dem die CIA und der MI6 die Verstaatlichung seiner Ölindustrie verhindern wollten und die jahrzehntelange blutige Herrschaft des von den USA unterstützten Schahs.

Es ist allgemein bekannt, dass der Reichtum des Iran überwiegend aus dem Öl stammt. Der Iran produziert etwas mehr als drei Millionen Barrel Öl pro Tag, was etwa drei Prozent der Weltproduktion entspricht. Weniger bekannt ist jedoch das Potenzial für eine Ausweitung der iranischen Ölförderung. Nur drei andere Staaten der Welt verfügen über größere kommerziell nutzbare Ölreserven: Saudi-Arabien, Russland und der Irak. Zudem besitzt der Iran nach Russland die zweitgrößten Erdgasreserven der Welt.

Öl und Erdgas sind nach wie vor die energetische Grundlage der Weltwirtschaft. Trotz aller Bemühungen, neue alternative Energien zu fördern, bleicht die „Energiewende“ im Kapitalismus eine halbherzige und widersprüchliche Angelegenheit. Wenn die USA und Europa in Elektrofahrzeuge und kritische Mineralien investieren, ist ihr Hauptanliegen nicht, den Klimawandel zu stoppen, sondern ihre wirtschaftliche und geopolitische Vormachtstellung gegen China abzusichern, das in diesem Bereich vorne liegt. Öl und Gasstellen liefern noch immer 57 Prozent der weltweiten Energie, weitere 27 Prozent kommen aus Kohle und nur ein Prozent aus Solarenergie – ein Rekordwert.

Angesichts der überlegenen Rolle, die Öl und Gas weiterhin spielen, sind Länder die über große, billige Rohstoffreserven verfügen, von entscheidender Bedeutung für geopolitische Überlegungen. Es ist bemerkenswert, dass Russland, der Irak und der Iran nach Saudi-Arabien über die weltweit größten billigen Ölreserven verfügen. Jedes dieser Länder war im letzten Vierteljahrhundert ein wichtiges Ziel des US-Imperialismus. Die USA haben den Irak überfallen und stehen jetzt am Rande eines Kriegs gegen Russland und den Iran, die die zweit- und drittgrößten Öl- und Gasreserven besitzen.

Zudem haben alle drei Länder eine relativ unterentwickelte Ölindustrie, zum Teil weil sie von Wirtschaftssanktionen unterdrückt und an den Rand gedrängt wurden. Daher fehlen ihnen wichtige Kapitalströme und moderne Technologie, die für die Förderung notwendig sind. Das zeigt sich besonders im Irak, wo die amerikanischen und europäischen Ölkonzerne nach der brutalen US-Invasion die Fördermenge deutlich von zwei Millionen auf heute fast fünf Millionen Barrel pro Tag erhöht haben.

Die Rolle des US-Ölbooms in der imperialistischen Strategie

Vor 10 oder 15 Jahren hätte der gegenwärtige Angriff der USA und Israels viel schwerwiegendere Auswirkungen auf die globalen Märkte gehabt. In den letzten Tagen sind die Ölpreise um etwa zehn Prozent gestiegen, der stärkste Anstieg in den letzten zwei Jahren seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine. Allerdings hat eine dramatische Verschiebung auf den globalen Öl- und Gasmärkten die Auswirkungen abgemildert.

Die USA verzeichneten in den letzten 15 Jahren durch hydraulisches Fracking den größten Öl- und Gasboom der Weltgeschichte. Diese Methode erlaubte es den USA, ihre Förderung von etwa fünf Millionen Barrel auf über 13 Millionen pro Tag zu erhöhen. Dies entspricht etwa 15 Prozent des weltweiten Ölangebots und ist die einzige größere internationale Angebotszunahme in diesem Zeitram.

Heute befindet sich die herrschende Klasse der USA, was die Kontrolle über die globale Öl- und Gasförderung angeht, in einer völlig anderen Situation als in den späten 1990ern und frühen 2000ern, als sie die Invasion in den Irak plante. Dadurch dass der US-Imperialismus die Öl- und Gaspreise durch Fracking unter Kontrolle halten konnte, konnte er den Verlust von Öl aus Libyen, Russland und dem Iran auf dem Weltmarkt verkraften. Das ermöglichte den USA und ihren Nato-Verbündeten, diese Länder unter Druck zu setzen und den Sturz ihrer Regime zu planen. (Im Falle Libyens war es ein „erfolgreicher“ Plan, der zu einem permanenten Bürgerkrieg geführt hat.)

Der US-Ölboom wird jedoch nicht ewig dauern. Laut großzügigen Schätzungen wird er noch weitere zehn Jahre anhalten und dann rapide zurückgehen.

Lenin erklärte 1916 in seinem maßgeblichen Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, wie wichtig es ist, dass der Imperialismus seinen aktuellen Bedürfnissen immer einen Schritt voraus bleibt:

Je höher entwickelt der Kapitalismus, je stärker fühlbar der Rohstoffmangel, je schärfer ausgeprägt die Konkurrenz und die Jagd nach Rohstoffquellen in der ganzen Welt sind, desto erbitterter ist der Kampf um die Erwerbung von Kolonien.

Man könnte noch hinzufügen, dass Rohstoffe auch zur Neige gehen und dass sich die „Jagd“ dadurch noch weiter verschärft.

Wo sind die künftigen, für die Weltwirtschaft so wichtigen Vorräte an Öl und Erdgas, die noch ausreichen werden, wenn andere Quellen – wie das amerikanische Fracking – versiegen? Sie befinden sich weiterhin im Nahen Osten und in Russland, wobei der Iran, Russland, der Irak und Saudi-Arabien zu den wichtigsten künftigen Quellen gehören.

China und die USA

Es muss betont werden, dass die zunehmende militärische und wirtschaftliche Kollision mit der Entwicklung Chinas eine wichtige Triebkraft des US-Imperialismus ist. Die USA und ihre Verbündeten lehnen es grundsätzlich ab, dem chinesischen Kapitalismus einen „Platz am Tisch“ der am weitesten entwickelten kapitalistischen Länder einzuräumen.

China diente den großen Konzernen der Welt jahrzehntelang als Produktionsstätte für billige Waren. Doch aufgrund seiner eigenen internen Entwicklung – vor allem im Bildungswesen und bei fortschrittlicheren Fertigungsverfahren – hat China Industriezweige unter eigener Kontrolle aufgebaut, die eine ernsthafte Herausforderung für die amerikanischen und europäischen Unternehmen darstellen.

Am deutlichsten wird das in der Autoindustrie: Chinesische Elektrofahrzeuge sind weiter entwickelt und billiger als US-amerikanische und haben ein starkes Wachstum verzeichnet. Chinas Autoexporte, die nur ein Bruchteil der Exporte von Japan den USA und Deutschland waren, haben sich in nur wenigen Jahren so weit entwickelt, dass sie jetzt alle überholen.

Die USA und ihre Verbündeten haben ihre frühere Rhetorik vom „Freihandel“ völlig über Bord geworfen und versuchen chinesische Konzerne um jeden Preis daran zu hindern, eine wichtige Rolle in der Weltwirtschaft zu spielen. Angesichts ihrer eigenen wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Widersprüche versuchen die USA, ihre noch immer dominante militärische und finanzielle Stärke zu nutzen, um den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas zu behindern.

Neben dem Profit besteht ein zentraler Grund für die Kontrolle über geostrategisch wichtige Rohstoffe wie Öl und Mineralien darin, anderen Ländern den Zugang zu diesen wichtigen Energie- und Rohstoffquellen zu verwehren und sie damit unter Druck zu setzen.

Dass China innerhalb seines Landes über einen Großteil der weltweit kritischen Mineralienverarbeitung verfügt, stellt ein Problem für die Kriegspläne des US-Imperialismus dar. Doch während China einen relativen Vorteil bei kritischen Mineralien hat, sind die USA bei Öl und Gas im Vorteil– zumindest für die nächsten fünf bis zehn Jahre.

In einer Studie der RAND Corporation über die Frage, wie die USA einen Krieg gegen China gewinnen könnten, hieß es: „Wenn China in einem Krieg gegen die USA durch kritische Engpässe verwundbar ist, dann ... beim Öl, von dem es etwa 60 Prozent importiert und über eine strategische Reserve von nur zehn Tagen verfügt.“ Tatsächlich ist es wahrscheinlich, dass einer der Gründe, warum Chinas so schnelle Pionierarbeit in der Elektrofahrzeug-Technologie geleistet hat, das Bewusstsein der herrschenden Klasse für diese ernsthafte Schwäche.

China bezieht nahezu seine gesamten Ölimporte aus dem Nahen Osten. Jetzt, da dieses Öl aufgrund des Fracking-Booms nicht mehr in die USA fließt, schicken Saudi-Arabien, der Iran, Russland, der Irak und die VAE ihr Öl nach China. China importiert die enorme Menge von 11,4 Mio. Tonnen Öl pro Tag und ist damit der größte Ölimporteur der Welt, und China ist der größte Importeur von iranischem Öl.

Öl und der Dritte Weltkrieg

Die geopolitische Lage sieht im Ganzen folgendermaßen aus:

  • Die USA kontrollieren derzeit die globalen Öl- und Gasmärkte mehr als jedes andere Land.
  • Diese Dominanz ist jedoch auf etwa fünf bis zehn Jahre befristet; danach wird diese Kontrolle aufgrund des Rückgangs beim Fracking stark nachlassen.
  • Die USA planen angesichts dieser wirtschaftlichen Bedrohung eine militärische Konfrontation mit China, deren Mittelpunkt Taiwan bildet.
  • China ist strategisch verwundbar, wenn es um Öl geht. Es benötigt täglich Lieferungen riesiger Ölmengen aus dem Nahen Osten. Der größte Abnehmer von iranischem Öl ist China.
  • Der Nahe Osten und Russland werden langfristig die Hauptquellen der Welt für Öl und Erdgas sein. Der Iran verfügt über einige der größten noch nicht erschlossenen Öl- und Gasvorkommen.

Zusammengefasst ist es offensichtlich, dass die Öl- und Gasvorkommen des Iran für die USA und ihre Partner von großem Interesse sind. Zwar fließen in die Kriegsplanungen auch viele andere Faktoren ein, allerdings ist es kein Zufall, dass die rohstoffreichsten Länder der Welt die Hauptangriffsziele des US-Imperialismus sind.

Netanjahus Drohungen, der Iran werde „bald frei sein“, ist Ausdruck der Tatsache, dass Israel als Kettenhund der USA einen Blankoscheck zur Neugestaltung des Nahen Ostens erhalten hat. Die herrschende Klasse Israels hat ihre eigenen Interessen, aber letzten Endes wird die israelische Kriegsmaschinerie von den geostrategischen Interessen der USA in der Region finanziert, bewaffnet und angetrieben.

Das ist die kalte geostrategische Logik hinter dem amerikanisch-israelischen Krieg gegen den Iran und seine Stellvertreter im Nahen Osten. Die USA wollen ihre Kontrolle über diese wichtige Region stärken und vertiefen, während sie einen potenziellen Krieg gegen China vorbereiten.

Wer von Israels Amoklauf in der Region und der blutbesudelten, heuchlerischen Rolle der USA angewidert ist, für den ist es wichtig zu verstehen, dass dieser Krieg keine „politische Entscheidung“ ist. Der Kapitalismus treibt den amerikanischen Imperialismus durch sein nationalistisches Streben nach Profiten um jeden Preis auf einen Konflikt zu, der das Leben von Milliarden Menschen bedroht. Einen anderen Ausweg sieht die amerikanische herrschende Klasse nicht, um ihrer wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise zu entkommen, egal wie irrational und gefährlich dieser Kurs ist.

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