Perspektive

Der staatliche Mord an Marcellus Williams und der Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe

Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen,
Daß, wollt’ ich nun im Waten stille stehn,
Rückkehr so schwierig wär’, als durch zu gehn.

Macbeth, Dritter Akt, Szene 4

* * *

Am Dienstagabend ermordete der Staat Missouri in seiner Todeskammer hinter verschlossenen Türen Marcellus „Khaliifah“ Williams mit einer Injektion von tödlichem Gift.

Marcellus Williams [Photo: Courtesy of Marcellus Williams’ legal team/Innocence Project]

Die Gnadengesuche von mehr als einer Million Unterzeichnern, die Empörung von Millionen Menschen in aller Welt und die eindeutigen Beweise, dass er zu Unrecht verurteilt worden war, konnten die kalte kapitalistische Justiz nicht aufhalten.

Sechs schwarz gekleidete Faschisten im Obersten Gerichtshof haben dieses Verbrechen gebilligt und zwei Berufungen in letzter Minute abgelehnt. Durch ihr Schweigen billigte die Biden-Harris-Regierung den Mord an Williams. Vizepräsidentin Kamala Harris verteidigte die Todesstrafe vor Gericht, als sie Generalstaatsanwältin von Kalifornien war. Bei Harris’ Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin im vergangenen Monat strich die Demokratische Partei auch jede nominelle Ablehnung der Todesstrafe aus ihrem Wahlprogramm.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Williams am Mord an der Reporterin Felicia Gayle aus St. Louis im Jahr 1998 unschuldig war. Keiner der physischen Beweise – blutige Fingerabdrücke, Fußabdrücke und Haare – brachte ihn mit dem Tatort in Verbindung. Stattdessen wurde er von einem ehemaligen Zellengenossen und einer Ex-Freundin belastet. Diese wollten eine Belohnung von 10.000 Dollar für Informationen einstreichen, die zu einer Verurteilung führen würden. Die Geschworenen in seinem Prozess hörten nie Beweise dafür, dass Gayles Laptop, der im Kofferraum seines Autos gefunden wurde, dort wahrscheinlich von der ehemaligen Freundin platziert worden war.

Williams beteuerte bis zu seinem Tod seine Unschuld. Gegen seine Hinrichtung wehrten sich Gayles Familie, die Geschworenen, die ihn ursprünglich zum Tode verurteilt hatten, und die Staatsanwaltschaft, die ihn verurteilt und versucht hatte, die Verurteilung rückgängig zu machen.

Die Vereinigten Staaten gehören zu den wenigen Ländern, die immer noch routinemäßig Hinrichtungen durchführen und sich damit in die schändliche Gesellschaft von Saudi-Arabien, Ägypten, Iran und China einreihen. In diesem Jahr wurden bislang 16 Männer in acht Staaten hingerichtet. Neun weitere Hinrichtungen sind für dieses Jahr geplant, darunter drei in der nächsten Woche.

Seit der Wiedereinführung der Todesstrafe durch den Obersten Gerichtshof im Jahr 1976 wurden 1.598 Menschen hingerichtet. Am 1. Juli 2024 befanden sich 2.213 Menschen im Todestrakt, einschließlich derjenigen von Bundes- und Militärgefängnissen. Die zum Tode Verurteilten schmachten oft jahrzehntelang und warten in den Händen der Henker auf ihre letzten Augenblicke oder auf eine Begnadigung in letzter Minute.

Es ist sicher, dass Williams nicht der einzige Unschuldige ist, der hingerichtet wurde. Seit 1973 wurden 200 Todeskandidaten entlastet, das sind durchschnittlich 4 Personen pro Jahr, die zu Unrecht verurteilt wurden. Einer der dreistesten Fälle von Unschuldigen, die zu Unrecht zum Tode verurteilt wurden, ist Gary Tyler, der 2016 nach fast 41 Jahren hinter Gittern endlich freigelassen wurde.

Fast 5 Millionen Amerikaner befinden sich in einer Form von Justizvollzug, zwei Millionen von ihnen schmachten in einem barbarischen Netz von Gefängnissen und Haftanstalten. Die Gefangenen sind unmenschlichen Bedingungen und Misshandlungen ausgesetzt, was im Jahr 2020 zu mehr als 6.000 Todesfällen unter Häftlingen führte. Kinder werden regelmäßig wie Erwachsene angeklagt und zu lebenslanger Haft ohne Bewährung verurteilt. Außerhalb der Gefängnismauern streift die Polizei wie eine Besatzungsmacht durch die Straßen, tötet jedes Jahr mehr als 1.000 Menschen und misshandelt tausende weitere, ohne dass dies Konsequenzen hat.

Nach jeder Massenerschießung in einer Schule, einem Gotteshaus oder einem Lebensmittelladen erklären Präsident Biden und andere routinemäßig, dass es „keinen Platz für Gewalt in Amerika“ gibt. Damit ist jedoch gemeint, dass der amerikanische Staat und die herrschende Klasse beabsichtigen, das Gewaltmonopol aufrechtzuerhalten, um Widerstand in der Arbeiterklasse zu unterdrücken – sei es Widerstand gegen ihren Völkermord in Gaza oder gegen die Todeskammern.

Joseph Kishore, Präsidentschaftskandidat der Socialist Equality Party, stellte mit Blick auf die Hinrichtung von Marcellus Williams fest:

Die Barbarei der Todesstrafe offenbart die wahre Natur des amerikanischen politischen Systems. Es ist ein System, das auf Gewalt, Unterdrückung und der Verweigerung demokratischer Grundrechte beruht. Die Macht des Staates, seine eigenen Bürger hinzurichten, oft ohne schlüssige Beweise oder ein faires Verfahren, spiegelt die allgemeine Gewalt des amerikanischen Imperialismus wider, der in seinem Streben nach globaler Vorherrschaft Millionen Menschen getötet hat.

Das Fortbestehen der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten ist ein weiterer Beweis für die Kriminalität und Gewalt des kapitalistischen politischen und wirtschaftlichen Systems, dem der Schmutz aus jeder Pore quillt.

Trump und die Republikaner sind dabei, eine faschistische Bewegung aufzubauen, in deren Zentrum bösartige Angriffe auf Einwanderer und Flüchtlinge stehen. Die Demokraten sind nicht in der Lage und nicht bereit, die Interessen der breiten Masse der Bevölkerung anzusprechen, und sind mit dem Blut eines eskalierenden globalen Krieges getränkt.

Die Gewalt, mit dem der amerikanische Imperialismus seine Interessen im Ausland durch Krieg und Völkermord verfolgt, findet unweigerlich auch ihren Ausdruck im Charakter der Klassenbeziehungen im Inneren des Landes.

Als die polnisch-deutsche Revolutionärin Rosa Luxemburg vor mehr als einem Jahrhundert die Abschaffung der Todesstrafe forderte, stellte sie fest:

Das bestehende Strafsystem, das durch und durch den brutalen Klassengeist und die Barbarei des Kapitalismus atmet, muss einmal mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Eine grundsätzliche Reform des Strafvollzugs muss sofort in Angriff genommen werden. Ein völlig neues, dem Geiste des Sozialismus entsprechendes kann freilich erst auf dem Fundament einer neuen wirtschaftlichen und sozialen Ordnung errichtet werden. Wurzeln doch Verbrechen wie Strafe stets in letzter Linie in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft. 

Der Kampf für die Abschaffung der Todesstrafe, für ein Ende der Polizeimorde und die Beendigung von Völkermord und Krieg erfordert einen Kampf gegen das kapitalistische System, in dem diese Gewalt wurzelt.

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