Über den mysteriösen Hintergrund des 58-jährigen Ryan Routh sind weitere Informationen bekannt geworden. Routh, ein überzeugter Befürworter des US/Nato-Kriegs gegen Russland in der Ukraine, hatte den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump am letzten Sonntag auf seinem Golfplatz in West Palm Beach observiert und versucht, ihn zu töten.
Am Montag wurden im Southern District von Florida die formellen Anklagedokumente veröffentlicht. Laut der achtseitigen Anklageschrift wurde Rouths Handy am 15. September um 1:59 Uhr nahe der bewaldeten Grenze des Golfplatzes geortet. Aufzeichnungen von T-Mobile deuten darauf hin, dass sich Routh und das Handy dort etwa zwölf Stunden lang aufhielten, bis 13:31 Uhr.
In der Anklageschrift wird bestätigt, dass der Secret Service auf Routh schoss, als dieser auf Lauer lag. Anschließend stellte die Polizei eine Digitalkamera, zwei Taschen, darunter ein Rucksack mit einer Keramikfliese, eine schwarze Plastiktüte mit Nahrungsmitteln und ein „geladenes, dem Typ SKS ähnliches Gewehr, Kaliber 7,62x39, mit Zielfernrohr“ sicher. Der Verfasser der Anklageschrift, FBI Special Agent Mark Thomas, schrieb, er sei auf der Grundlage seiner „Ausbildung und Erfahrung“ zu dem Schluss gekommen, dass das sichergestellte Gewehr „nicht im Bundesstaat Florida hergestellt wird“.
Angesichts von Rouths Vorstrafenregister, dessen Einträge sich über Jahrzehnte erstrecken, ist es hochgradig verdächtig, dass er überhaupt eine Waffe besaß.
In der Anklageschrift wird bestätigt, dass Routh bereits im Dezember 2002 in Greensboro (North Carolina) wegen „Besitzes einer Waffe, die eine große Zahl von Todesopfern und schwere Zerstörung verursachen kann“, verurteilt worden war. Die örtliche Zeitung Greensboro News & Record berichtete damals, Routh sei nach einer Verkehrskontrolle um 22 Uhr der Polizei entkommen und habe sich im Gebäude seiner damaligen Firma United Roofing verbarrikadiert.
Nach dreistündiger Belagerung wurde Routh verhaftet, und die Polizei stellte ein vollautomatisches Maschinengewehr sicher (daher die Anklage wegen Besitzes einer „Waffe, die eine große Zahl von Todesopfern und schwere Zerstörung verursachen kann“). Die Anklageschrift bestätigte auch, dass Routh acht Jahre, nachdem er sich mit einem Maschinengewehr verbarrikadiert hatte, „in mehreren Anklagepunkten wegen Besitzes gestohlener Waren“ schuldig gesprochen wurde. Beides sind schwere Straftaten, wobei die erste mit einer fast fünfjährigen und die zweite mit einer 39-monatigen Haftstrafe bewehrt sind.
Nach seiner Verurteilung im Jahr 2002 wegen Besitzes der oben erwähnten Waffe musste sich Routh jedoch lediglich einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen und erhielt eine Bewährungsfrist von 60 Monaten unter Einbeziehung eines Bewährungshelfers.
Von 2002 bis 2010 wurde Routh wegen zahlreicher anderer Vergehen angeklagt, darunter Tragen einer versteckten Waffe, Fahrerflucht, Ausstellen ungedeckter Schecks und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Allerdings hat er dafür offenbar keine längere Zeit hinter Gittern verbracht.
Am Donnerstag veröffentlichte die Greensboro News & Record ein Interview mit dem pensionierten Polizeibeamten Eric Rasecke, der erklärte, er habe Routh gut genug gekannt, um ein „enges freundschaftliches Verhältnis“ mit ihm einzugehen.
Rasecke erklärte weiter, er habe im Laufe der Jahre „eine Veränderung an seinem Geisteszustand und seiner Erscheinung“ festgestellt, für die er Drogenkonsum verantwortlich machte: „Er verlor viel Gewicht, seine Augen fielen ein, seine Zähne faulten, er zitterte und war abgemagert, hypersensibel... alles deutete darauf hin, dass er Crack nahm.“
Er war nicht nur der örtlichen Polizei bekannt, sondern auch das FBI bestätigte am Montag, es habe zuvor einen Hinweis auf Routh erhalten. FBI Special Agent Jeffrey Veltri, der die Dienststelle in Miami leitet, bestätigte ebenfalls am Montag, dass ein Hinweisgeber das FBI im Jahr 2019 vor Routh gewarnt habe. Laut dem Informanten sei er „ein Schwerkrimineller, der eine Schusswaffe besitzt“.
Veltri schrieb, der Hinweis konnte damals nicht verifiziert werden, allerdings habe das FBI „die Information an die örtlichen Strafverfolgungsbehörden in Honolulu weitergegeben“.
Routh hatte zwar 2016 für Trump gestimmt, wandte sich jedoch während dessen Amtszeit deutlich vom ehemaligen Präsidenten ab, größtenteils weil Routh einen großen Krieg gegen Russland befürwortete. Zwischen 2019 und 2020 spendete er mehr als 120 Dollar an Politiker der Demokratischen Partei. Bei seinen Spenden gab er an, er sei „arbeitslos“.
Trotz dieses Hintergrunds war es Routh möglich, nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 das Land zu verlassen. Nachdem er Söldner für den Krieg in der Ukraine rekrutiert hatte und anschließend zurückgekehrt war, ließ sich Routh mit dem Gründer der World Central Kitchen, José Andrés, einem gut vernetzten Promi-Chefkoch in Washington, fotografieren.
Wie bereits zuvor berichtet, wurde Routh von großen Medien wie der New York Times, Semafor und Newsweek Romania interviewt. Auch die Taiwan News führte am 8. Juni 2022 ein Interview für einen Artikel mit ihm.
Darin behauptete Routh, er habe der International Foreign Legion geholfen, „Freiwillige für die Alpha-, Bravo- und Charlie-Einheiten in Charkiw“ zu rekrutieren. Der Verfasser des Berichts, Keoni Everington, schrieb: „Bislang war Routh als Unterstützer bei der Rekrutierung von 70 Freiwilligen für den Kampf gegen Russland involviert.“
Doch rekrutierte Routh nicht nur Freiwillige für das ukrainische Militär. Er trat während seines Aufenthalts in Kiew auch in einem Propagandavideo für das neonazistische Asow-Bataillon auf.
Am 16. September bestätigte Asow in einem Post auf X/Twitter, dass Routh bei „einer Kundgebung zur Unterstützung der Garnison von Mariupol“ anwesend war, aber angeblich „keine Beziehung zu Asow hat und nie hatte“. Weiter hieß es, jegliche „Verbreitung dieses Narrativs“ spiele „der russischen Propaganda in die Hände und bringt die 12. Spezialkräfte-Brigade Asow der Nationalgarde der Ukraine sowie die Sicherheits- und Streitkräfte der Ukraine im Allgemeinen in Verruf“.