Israel beschießt Flüchtlingslager Dschenin und setzt Angriff auf Westjordanland fort

Israel hat am Dienstag seine Militäroperationen im Westjordanland verstärkt, die seit über einer Woche andauern. Damit hat das Netanjahu-Regime eine zweite Front im Völkermord gegen die Palästinenser eröffnet.

Der palästinensische Aktivist Khairi Hanoon schwenkt die palästinensische Flagge, als ein Konvoi gepanzerter israelischer Militärfahrzeuge während einer Razzia in Tulkarem im Westjordanland vorbeifährt, 3. September 2024 [AP Photo/Majdi Mohammed]

In einem Bericht von Al Jazeera heißt es: „Verhaftungen, Gewalt und Zerstörung wurden gemeldet, als das israelische Militär weitere Razzien im besetzten Westjordanland durchführte.“

Der iranische Fernsehsender Press TV berichtete, dass die israelischen Streitkräfte ein 16-jähriges palästinensisches Mädchen in der Stadt Dschenin im Norden des Westjordanlands erschossen haben, wo die Zionisten seit vergangenem Mittwoch ihre Angriffe konzentrieren. In dem Bericht heißt es, dass die israelischen Streitkräfte „ihr über eine halbe Stunde lang den Zugang zu medizinischer Versorgung verweigerten und sie nach Angaben des Palästinensischen Roten Halbmonds verbluten ließen“.

Ein Video auf der Plattform X zeigt, wie Militärfahrzeuge am Sonntag über die Leiche eines 82-jährigen Mannes fahren. Er wurde am Freitag in Dschenin von den israelischen Verteidigungskräften (IDF) angeschossen und verblutete, da medizinischem Personal die Hilfeleistung verwehrt wurde.

Fotos aus Dschenin zeigen, dass israelische Militärfahrzeuge die Hauptstraßen der Stadt in Schutt und Asche gelegt haben, so dass sie nun unpassierbar sind. Zudem haben die IDF eine Ausgangssperre über das palästinensische Flüchtlingslager Dschenin verhängt. Bewohner dürfen das Lager weder betreten noch verlassen, so die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.

Press TV berichtete außerdem, dass israelische Truppen „den Leichnam eines 58-jährigen Palästinensers nur Stunden nach seiner Entführung den Gesundheitsbehörden in Kafr Dan übergeben haben. Das Opfer wurde als Ayman Rajeh Abed identifiziert.“

Weiter heißt es: „Seine Leiche wurde in Handschellen eingeliefert und wies Folterspuren auf, so Wissam Bakr, der Direktor des Regierungskrankenhauses von Dschenin.“

In einem Gespräch mit der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntag verglich der Bürgermeister von Dschenin, Nidal al-Obaidi, die laufende israelische Militäroperation in Dschenin mit einem „Erdbeben“ und schätzte den bisher entstandenen Schaden auf rund 500 Millionen Schekel (135,2 Millionen Dollar).

Der Bürgermeister sagte weiter: „Die israelischen Streitkräften haben eine enorme Verwüstung verursacht, darunter Schäden an der Infrastruktur, die Zerstörung von Wasser- und Kommunikationsleitungen und gezielte Angriffe auf Stromtransformatoren.“

Unterdessen wurden zum zweiten Mal in der vergangenen Woche Militäroperationen im Flüchtlingslager Tulkarem im Süden durchgeführt. Laut Wafa wurde der palästinensische Teenager Mohammed Kanaan von einem israelischen Scharfschützen getötet. Die Al-Jazeera-Reporterin Nida Ibrahim sagte, der junge Mann sei in den Nacken geschossen worden, als er mit seinem Vater zum Gebet in eine Moschee ging. Sein Vater sei ebenfalls angeschossen worden, und zwar in den Unterleib.

Israel hat Berichten zufolge weitere Militärangriffe im Westjordanland durchgeführt. Soldaten stürmten die Birzeit-Universität nördlich von Ramallah und beschlagnahmten „Eigentum und Publikationen“. Al Jazeera berichtete auch: „Ein junger Mann wurde bei einer Razzia in Qalqilya, einer Stadt im Nordwesten des Gebiets, verwundet, nachdem israelische Streitkräfte das Feuer eröffnet hatten.“

Nach Angaben palästinensischer Gesundheitsbehörden wurden seit Beginn der israelischen Offensive 30 Menschen im Westjordanland getötet. Die Palestinian Prisoner’s Society  meldete, dass innerhalb von 24 Stunden bis Dienstag 22 Personen im Westjordanland verhaftet wurden. Damit hat sich die Gesamtzahl der Verhaftungen in der vergangenen Woche auf 70 erhöhte. Seit Oktober letzten Jahres wurden im Westjordanland mehr als 10.000 Palästinenser festgenommen.

Seit dem 7. Oktober 2023 wurden im Westjordanland mindestens 682 Palästinenser durch israelische Streitkräfte und Angriffe faschistischer Siedler getötet. Mehr als 3.000 Palästinenser wurden vertrieben und ihre Häuser durch die israelische Armee zerstört. Die Vereinten Nationen haben seit Beginn des Völkermords im Gazastreifen 1.250 Angriffe israelischer Siedler auf Palästinenser verzeichnet. Die Vertreibungen und Siedlerangriffe verdeutlichen, dass das Ziel hinter der Offensive im Westjordanland eine ethnische Säuberung ist.

Mit 2.183 Quadratmeilen ist das Westjordanland das größere der beiden von Israel illegal besetzten palästinensischen Gebiete. Es ist etwa 15 Mal so groß wie der Gazastreifen, 2,9 Millionen Palästinenser leben hier. Im Osten grenzt das Westjordanland an den Jordan und das Tote Meer und im Süden, Westen und Norden an Israel.

Das Flüchtlingslager Dschenin ist ein Zentrum des palästinensischen Widerstands gegen die israelische Besatzung. Es wurde 1953 als Unterkunft für Palästinenser errichtet, die während der Nakba 1948 vor den zionistischen Schergen geflohen waren oder aus ihren Häusern vertrieben wurden.

Die Bevölkerungsdichte im Lager Dschenin ist mit 33.000 Einwohnern pro Quadratmeile mehr als doppelt so hoch wie in Gaza. Die Arbeitslosigkeit im Lager liegt bei einem Fünftel. Die Lebensbedingungen sind katastrophal; es gibt Wasser- und Strommangel und keine Kanalisation.

Das Westjordanland wurde 1948 annektiert und zunächst von Jordanien beherrscht, bis zur Besetzung durch Israel im Sechstagekrieg 1967. Seitdem haben die Vereinten Nationen und der Internationale Gerichtshof (IGH) sowohl das Westjordanland als auch den Gazastreifen wiederholt als „besetzte Gebiete“ bezeichnet und gefordert, dass das Recht der Palästinenser auf Souveränität in diesen Gebieten anerkannt wird. Im Juli 2024 erklärte der IGH, dass Israels „anhaltende Präsenz in den besetzten palästinensischen Gebieten illegal ist“.

Am Montag fanden Massendemonstrationen in Israel statt. Die Demonstranten verurteilten die Weigerung der Regierung, einen Geiselaustausch mit der Hamas im Gazastreifen zu vereinbaren. Vor diesem Hintergrund hielt der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu in Tel Aviv eine Rede, bei der eine Karte Israels zeigte, auf der das Westjordanland nicht verzeichnet war.

Als er vor der wandgroßen digitalen Landkarte – ohne die Westbank – stand, erwähnte Netanjahu die Offensive im Westjordanland mit keinem Wort. Dafür verteidigte er die Ablehnung eines Waffenstillstands und die Fortsetzung des Völkermords in Gaza.

Netanjahus Präsentation diente zweifellos dazu, die Forderungen faschistischer Kräfte innerhalb der politischen Elite Israels zu beschwichtigen, etwa den israelischen Siedlungsministers Orit Strock, der die Regierung am Montag aufforderte, noch weiter zu gehen und den Kriegszustand im Westjordanland auszurufen.

Parallel wird das barbarische Massaker im Gazastreifen mit Unterstützung der USA fortgesetzt. Allein in den letzten Tagen wurden 33 Palästinenser getötet.

Al Jazeera berichtete, dass bei einem israelischen Luftangriff auf ein Haus im Viertel Daraj in Gaza-Stadt mehrere Menschen verletzt wurden, darunter auch Kinder. „Zuvor hatten wir berichtet, dass bei einem israelischen Angriff auf ein Haus in Gaza-Stadt, im Norden des Gazastreifens, neun Menschen getötet worden waren“, so Al Jazeera.

Laut der Nachrichtenagentur Wafa appellierte Majid Abu Ramadan, Gesundheitsminister der Palästinensischen Autonomiebehörde, erneut an die internationale Gemeinschaft, Druck auf Israel auszuüben, damit es die Luftangriffe einstellt. Den Behörden müsse die Durchführung einer groß angelegten Impfkampagne gegen Polio im Gazastreifen ermöglicht werden.

Ramadan erklärte, dass insgesamt 1,6 Millionen Impfdosen eingetroffen sind. Diese Menge reiche aus, um alle Kinder im Alter von bis zu 10 Jahren mit jeweils zwei Dosen zu impfen. Die israelische Blockade und die Angriffe in Gaza haben dazu geführt, dass die Kinderlähmung nach 25 Jahren wieder in den Gazastreifen zurückgekehrt ist. Deshalb versuchten die Vereinten Nationen und die örtlichen Gesundheitsbehörden jetzt, eine Impfkampagne zu starten.

Das US-Justizministerium hat am Dienstag Anklage gegen den Hamas-Führer Yahya Sinwar und andere Hamas-Funktionäre im Zusammenhang mit dem Aufstand vom 7. Oktober 2023 in Israel erhoben. Die vor einem Bundesgericht in New York eingereichte Strafanzeige umfasst sieben Anklagepunkte, darunter Verschwörung zur materiellen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation, Verschwörung zur Ermordung von US-Bürgern und Verschwörung zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen mit Todesfolge.

Doch diese Anklage eines US-Gerichts ist der Gipfel des Zynismus. Die amerikanische Regierung – ob unter Demokraten oder Republikanern – hat in den letzten 30 Jahren ununterbrochen kriminelle imperialistische Angriffskriege geführt, in denen über 2 Millionen Menschen auf dem Balkan, im Nahen Osten, in Afrika und in der Ukraine gestorben sind.

Loading