Perspektive

Parteitag der US-Demokraten: Biden warnt vor zweitem Trump-Putsch

Präsident Biden spricht während des Parteitags der Demokratischen Partei in Chicago, 19. August 2024 [AP Photo/Matt Rourke]

Die Rede von US-Präsident Joe Biden auf dem Parteitag der Demokraten am Montagabend erschien geradezu unwirklich. Die Beschreibung der Bilanz seiner vierjährigen Amtszeit war ein Trugbild. Seine Schilderung der heutigen sozialen und wirtschaftlichen Lage hatte keinen Bezug zu der Lebensrealität der großen Mehrheit der Bevölkerung.

Biden machte jedoch eine Aussage, die von immenser Bedeutung war. Gegen Ende seiner Rede erklärte er, dass die kommende Wahl die erste seit Trumps Putschversuch vom 6. Januar 2021 sein wird. „An diesem Tag“, sagte er, „haben wir fast alles verloren, was uns und unser Land ausmacht. Und diese Bedrohung, das ist keine Übertreibung, diese Bedrohung ist immer noch sehr lebendig.“

Biden erklärte:

Donald Trump sagt, er werde sich weigern, das Wahlergebnis zu akzeptieren, wenn er wieder verliert. Denkt darüber nach. Er verspricht ein Blutbad, wenn er verliert, so seine Worte. Und er sagt selbst, dass er vom ersten Tag an ein Diktator sein wird.

Als wolle er der Skepsis seiner Zuhörer entgegenwirken, fügte er hinzu:

Übrigens, der Kerl meint es ernst. Nein, ich mache keine Witze. Denkt einmal darüber nach. Wenn jemand anderes das in der Vergangenheit gesagt hätte, hätte man ihn für verrückt gehalten, man hätte gedacht, es sei übertrieben, aber er meint es ernst.

Man muss davon ausgehen, dass er als Präsident der Vereinigten Staaten diese Warnung nicht nur auf die öffentlichen Äußerungen von Trump stützt, sondern auch auf Geheimdienstinformationen, die er erhalten hat.

Es gibt mehrere bemerkenswerte Aspekte im Zusammenhang mit Bidens Äußerungen. Erstens die Reaktion bzw. Ignoranz auf dem Parteitag selbst. Der amerikanische Präsident und Vorsitzende der Demokratischen Partei erklärte, er glaube, dass der Kandidat der Republikanischen Partei das Ergebnis der Wahlen, die in nur zweieinhalb Monaten stattfinden, nicht akzeptieren und im Fall einer Niederlage Gewalt im ganzen Land schüren werde.

Man könnte erwarten, dass dies auf dem Parteitag eine ernstere Stimmung verbreiten würde. Doch nichts dergleichen. Bidens Äußerungen wurden kommentarlos übergangen, und der Parteitag fortgesetzt, als ob nichts geschehen sei.

Zweitens wurde in den Medien praktisch nichts darüber berichtet. Die New York Times, Washington Post und Politico haben diesen Teil der Rede nicht einmal erwähnt. Der Times-Kolumnist David Brooks bezog sich zwar nicht ausdrücklich auf die Warnung vor Trump, geißelte aber Biden dafür, dass er „ohne ein Lächeln“ und „schimpfend“ auftrat, statt „überschwänglich und fröhlich“ zu sein. Weiter schrieb Brooks: „Wut und Empörung sind nicht der Geist, nach dem Amerika jetzt durstet.“

Offensichtlich will die herrschende Klasse nicht darüber diskutieren, dass die Wahlen unter den Bedingungen eines rasanten Zusammenbruchs der gesamten politischen Struktur der Vereinigten Staaten stattfinden. Oder besser gesagt: Sie will die Bevölkerung nicht darauf aufmerksam machen.

Um auf Bidens Rede zurückzukommen: Biden warnte zwar, dass Trump während und nach der Wahl Gewalttaten vorbereite, deutete aber nicht an, dass er etwas dagegen unternehmen würde. Die einzige Lösung, die er vorschlug, war eine Stimmabgabe für Kamala Harris, obwohl er gerade erklärt hatte, dass Trump ihr Wahlergebnis nicht akzeptieren würde.

Biden wies nicht auf die grundlegende Tatsache hin, dass er, anders als vor vier Jahren, vom Wahltag bis zur Amtseinführung noch Präsident der Vereinigten Staaten sein wird. Er hat nicht angedeutet, dass er die Befugnisse seines Amts nutzen wird, um sicherzustellen, dass kein Staatsstreich gelingen wird.

Sowohl die Reaktionen auf Bidens Äußerungen als auch sein eigener Auftritt sind Ausdruck der politischen Dynamik dieser Präsidentschaftswahlen. Die Gefahr, die von Trump und der Republikanischen Partei ausgeht, ist sehr real. Der Ex-Präsident hat versprochen, im Falle seiner Rückkehr an die Macht das Militär im ganzen Land einzusetzen, um Einwanderer zu verhaften und den Widerstand der Bevölkerung gewaltsam zu unterdrücken. Er spricht für Teile der Oligarchie, die mit jedem Anschein rechtsstaatlicher Herrschaftsformen gebrochen haben und sich dem Faschismus und Autoritarismus zuwenden.

Doch innerhalb der herrschenden Klasse, einschließlich der Demokratischen Partei, gibt es keinen nennenswerten Flügel, der sich für die Bewahrung demokratischer Herrschaftsformen einsetzt. In den letzten vier Jahren war die zentrale Priorität der Biden-Regierung die Verschärfung der Kriegspolitik. Sie schürte den Nato-Krieg gegen Russland in der Ukraine, der jetzt in eine neue und gefährliche Phase eintritt, und unterstützte den Völkermord des israelischen Regimes in Gaza.

Um diese Kriege zu führen, suchte Biden eine parteiübergreifende Einigung mit den Republikanern. Schon nach dem Putschversuch vom 6. Januar forderte er eine „starke“ Republikanische Partei. Selbst als er vor einem zweiten Staatsstreich warnte, war Biden darauf bedacht, ausschließlich Trump als Gefahr darzustellen, nicht die Republikanische Partei.

Das liegt daran, dass die Demokratische Partei dieselben sozialen Interessen und dasselbe Wirtschaftssystem vertritt wie Trump und die Republikaner. Ungeachtet ihrer Unterschiede sind sie beide Parteien der Unternehmens- und Finanzoligarchie.

Im Gegensatz zu dem Trugbild der Gesellschaft, das Biden in seiner Rede zeichnete, sind unter seiner Ägide die Reallöhne der Arbeiter enorm gefallen. Unter seiner Regierung wanderten gigantische Dollar-Summen aus dem gesellschaftlichen Bereich in die Taschen der Finanzoligarchie. Dieser größte Transfer von Ressourcen in der Geschichte der USA übertrifft sogar die Finanzkrise von 2008. Das Vermögen der US-Milliardäre ist in den vier Jahren der Biden-Harris-Regierung um 88 Prozent gestiegen (Stand: März 2024). Dieser Rekordwert erklärt, warum Trump in der Lage ist, die breite Unzufriedenheit auszunutzen, die im politischen Establishment keinen Ausdruck findet.

In der Resolution der Socialist Equality Party (US), die auf ihrem nationalen Parteitag Anfang des Monats verabschiedet wurde, heißt es: „Die grundlegenden objektiven Ursachen für die Hinwendung der herrschenden Klasse zu Faschismus und Diktatur sind: 1) die weltweite Eskalation des imperialistischen Kriegs und 2) die extreme Zunahme der sozialen Ungleichheit.“

Genau diese Prozesse haben sich in den vier Jahren der Biden-Regierung enorm verstärkt.

Es wäre der größte Irrtum zu glauben, dass man demokratische Rechte verteidigen und die Gefahr von Diktatur bekämpfen kann, indem man die Demokratische Partei unterstützt. Wie die SEP-Resolution erklärt:

Selbst wenn Trump bei den Wahlen im November eine Niederlage erleidet und es ihm auch nicht gelingt, einen Staatsstreich durchzuführen, treiben die objektiven wirtschaftlichen und sozialen Widersprüche des amerikanischen Imperialismus die herrschenden Eliten in die Diktatur – mit oder ohne Trump. Der Trumpismus ist ein Symptom einer systemischen Krise, die im Rahmen des Kapitalismus nicht demokratisch gelöst werden kann.

Die Verteidigung demokratischer Rechte ist untrennbar mit der Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen die Konzern- und Finanzoligarchie verbunden. Dies erfordert einen vollständigen politischen Bruch mit der Demokratischen Partei. Der Faschismus kann nicht durch die Demokratische Partei besiegt werden, sondern nur durch den Kampf gegen beide Parteien und das kapitalistische Profitsystem.

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