733 Millionen Menschen auf der Welt mussten im Jahr 2023 hungern

Laut dem jüngsten Bericht zum Stand von Ernährungssicherheit und Ernährung in der Welt (State of Food Security and Nutrition in the World, SOFI) mussten im Jahr 2023 erschreckende 733 Millionen Menschen hungern. Das entspricht einem Elftel der Weltbevölkerung und einem Fünftel der Bevölkerung Afrikas.

Die Zahl der Hungernden weltweit ist seit drei Jahren in Folge gleich geblieben und liegt um 152 Millionen höher als im Jahr 2019.

Dass sich im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts trotz beispielloser wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen bei der Produktion und Verteilung von Lebensmitteln so viele Menschen nicht ernähren konnten, ist eine vernichtende Anklage gegen das kapitalistische System.

Der jährliche Bericht wurde von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), dem UN-Welternährungsprogramm (WFP) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlicht. Diese Organisationen sind Teil der internationalen Ordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Durchsetzung des Friedens geschaffen wurde, und dienen als tragende Säulen für die räuberischen Ziele der USA und anderer imperialistischer Mächte. Daher konzentrieren sie sich auf die finanziellen „Lösungen“, die die Banken und globalen Nahrungsmittelkonzerne am besten bereichern können.

Die UN-Organisationen veröffentlichten den Bericht anlässlich des Ministertreffens der Taskforce der Globalen Allianz gegen Hunger und Armut, einer Organisation der G20-Staaten, das am 24. Juli in Brasilien stattfand. Die offizielle Gründung der Allianz ist für November 2024 geplant, wenn die Staats- und Regierungschefs der zwanzig reichsten Länder der Welt zum G20-Gipfel zusammenkommen. Das macht deutlich, wie Hunger, Armut und Unterernährung unter dem Deckmantel von Philanthropie, Humanität und sozialem Anliegen als Möglichkeiten für Geschäfte betrachtet werden.

Kinder essen Haferbrei, der an einer Nahrungsmittelausgabe in Mudzi (Simbabwe) zubereitet wurde. In Simbabwe leiden Millionen Menschen unter einer Dürre, die durch El Niño verursacht wurde, und Kinder sind am stärksten gefährdet. Aufgenommen am 2. Juli 2024. [AP Photo/Aaron Ufumeli]

Mehr als die Hälfte der hungernden Weltbevölkerung lebt in Asien, doch die schlimmsten Bedingungen herrschen in Afrika. Dort steigt der Prozentsatz an Hungernden weiter (20,4 Prozent). Im Jahr 2023 litten in Asien 384,5 Millionen Menschen Hunger, und in Afrika waren es 298,4 Millionen. Von 2022 bis 2023 hat die Zahl der Hungernden in Westasien, der Karibik und den meisten Regionen Afrikas zugenommen.

Der Bericht geht über das Thema Hunger hinaus und macht auf die weit verbreitete Ernährungsunsicherheit und Mangelernährung aufmerksam.

Im Jahr 2020 gab es angesichts der Corona-Pandemie einen starken Anstieg der Zahl der Menschen, die von mäßiger oder schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen waren, vor allem in Afrika, wo 58 Prozent der Bevölkerung unter mäßiger oder schwerer Ernährungsunsicherheit leiden. Vier Jahre später hat sich die Gesamtzahl nicht wesentlich verändert und liegt weiterhin bei 2,33 Milliarden Menschen oder 29 Prozent der 8,1 Milliarden Menschen auf der Welt. Mehr als 864 Millionen leiden unter schwerer Ernährungsunsicherheit, d.h. sie hatten zeitweise einen ganzen Tag oder länger nichts zu essen.

Das Ausmaß der Unterernährung ist nicht zurückgegangen, sondern vielmehr auf ein Niveau gestiegen, das mit dem von 2008–09 vergleichbar ist. Der Bericht erwähnt jedoch nicht, dass damals mehr als eine Milliarde Menschen hungerten, weil die Lebensmittelpreise in die Höhe geschossen waren. Die Ursache lag darin, dass die Lebensmittelkonzerne ihre Produkte horteten, Hedgefonds damit spekulierten und dass Finanzinstitutionen in den Jahren 2007–08 an kriminellen Aktivitäten beteiligt waren. Die Folge waren Hungertote, Lebensmittelunruhen sowie soziale Unruhen in armen und entwickelten Ländern, die u.a. zum Sturz der haitianischen Regierung führten und zum Arabischen Frühling von 2011 beitrugen.

Der Bericht warnt, dass im Jahr 2030 etwa 582 Millionen Menschen unter chronischer Unterernährung leiden werden, wenn die derzeitigen Trends anhalten, die Hälfte davon in Afrika. Diese Zahlen machen alle Konzepte zunichte, die UN könnte ihre Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal, SDG 2) erreichen, bis 2030 den Hunger aus der Welt geschafft zu haben. Das Null-Hunger-Ziel, das im Jahr 2015 ausgerufen wurde, sollte „den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und verbesserte Ernährung gewährleisten und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern.“

Wie der Bericht erklärt, gehen Mangelernährung und gesunde Ernährung über das Thema Ernährungsunsicherheit hinaus und betreffen ein Drittel der Weltbevölkerung. Auf der Grundlage neuer Daten und einer neuen Methodologie zu Lebensmittelpreisen zeigt der Bericht, dass sich im Jahr 2022 mehr als 2,8 Milliarden Menschen keine gesunde Ernährung leisten konnten, vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen. Dort können sich 71,5 Prozent der Bevölkerung keine gesunde Ernährung leisten, verglichen mit 6,3 Prozent in

Ländern mit höherem Einkommen. In Afrika ist dieser Anteil erheblich gestiegen, während er überall sonst unter das Niveau von vor der Pandemie gesunken ist.

Laut einem aktuellen Bericht des UN-Kinderhilfswerks UNICEF ist bei einem von vier Kindern unter fünf Jahren weltweit die Ernährung so stark eingeschränkt, dass sein Wachstum, seine Gehirnentwicklung und seine Überlebenschancen gefährdet sind. Viele dieser Kinder leben in den von der UN so bezeichneten „Hunger-Hotspots“ wie Palästina, Haiti und Mali, wo sich der Zugang zu Nahrungsmitteln in den kommenden Monaten voraussichtlich verschlechtern wird. Schätzungsweise 181 Millionen Kinder aus fast 100 Ländern nehmen täglich höchstens nur zwei Lebensmittelgruppen zu sich – meistens Milch mit einem stärkehaltigen Nahrungsmittel wie Reis, Mais oder Weizen.

Der SOFI-Bericht weist auf die Koexistenz von Unterernährung mit Übergewicht und Fettleibigkeit hin, die in allen Altersgruppen stark zugenommen hat. Während Dünne und Untergewicht in den letzten zwanzig Jahren zurückgegangen sind, hat Fettleibigkeit – die das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöht – zugenommen. Unter Erwachsenen stieg die Zahl der Fettleibigen von 12,1 Prozent im Jahr 2012 auf 15,8 Prozent im Jahr 2022. Bis 2030 wird ein Anstieg auf 1,2 Milliarden Menschen prognostiziert.

Übergewicht und Fettleibigkeit haben zugenommen aufgrund der enormen Erhöhung der Produktion und des Konsums von verarbeiteten und ultra-verarbeiteten Nahrungsmitteln, die große Mengen Salz, gesättigte Fettsäuren und/oder Konservierungsstoffe enthalten, sowie von gezuckerten Getränken, die durch Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte vertrieben werden, die zum Teil kaum etwas anderes verkaufen. Dies nimmt nicht nur in den städtischen Gebieten zu, sondern auch in den ländlichen Gebieten Afrikas, u.a. durch Mechanisierung der landwirtschaftlichen Produktion und höhere Einkommen aus nicht-landwirtschaftlicher Beschäftigung sowie längeren Arbeitszeiten und Wegen zur Arbeit, die den Konsum von Fertignahrung begünstigen.

Das International Food Policy Research Institute (IFPRI) zitierte Studien, die zeigen, dass die steigende Nachfrage nach verarbeiteten Lebensmitteln auf die rapide Ausweitung der Lebensmittelverarbeitung und der modernen Verteilungs- und Verpackungssysteme in den Lieferketten zurückgeht, die sowohl kleine und mittlere Unternehmen (SME) als auch die riesigen Lebensmittelkonzerne umfassen.

Die großen Lebensmittelkonzerne haben in Afrika und anderswo in hochautomatisierte Fabriken zur Lebensmittelverarbeitung investiert. Das indonesische Unternehmen Indofood lässt beispielsweise in Nigeria abgepackte Snacks und verzehrfertige Produkte wie Ramen-Nudeln der Marke Indomie herstellen.

Die kleinen und mittleren Unternehmen, die an der Verarbeitung von Nahrungsmitteln, dem Großhandel, dem Transport und dem Einzelhandel in der Lieferkette beteiligt sind, beschäftigen schätzungsweise 20 Prozent der Land- und 25 Prozent der Stadtbevölkerungen in Afrika. Viele afrikanische Staaten sind mit starkem Widerstand der großen Lebensmittelkonzerne mit großer Marktmacht konfrontiert, die jeden Versuch verhindern,

Zuckersteuern, die Kennzeichnung ungesunder Nahrungsmittel und Verbote von ungesunden Nahrungsmitteln in Schulen einzuführen, um die Nachfrage nach ungesunden hochverarbeiteten Nahrungsmitteln zu verringern.

Der SOFI-Bericht sagt kaum etwas über die Auswirkungen der Land- und Wasserraubaktivitäten der Golfstaaten am Horn von Afrika, mit denen diese die Lebensmittelversorgung ihrer steigenden Bevölkerungen sichern wollen. So wurde beispielsweise ein Großteil der fruchtbarsten Region des Sudan – die Bundesstaaten Khartoum, Nil und Nord, die einst die einheimischen Bauern ernährten – aufgekauft, insbesondere nach der Nahrungsmittelkrise 2008 und der Einführung von wirtschaftsfreundlichen Gesetzen 2013. Das Land wurde für hochgradig mechanisierte Nahrungsmittelproduktion für den Export umgewandelt, häufig über Abkommen mit Agrarunternehmen wie dem US-Konzern Cargill.

In anderen Regionen am Horn von Afrika und in Ostafrika, in denen Landwirtschaft und Weidewirtschaft vorherrschen, haben Veränderungen in Bezug auf den Besitz, die Aufzucht und den Export von Vieh zu gewaltsamen Vertreibungen und der Militarisierung der Viehzucht geführt, die für einen rapide expandierenden Exportmarkt produzieren, sowie zur Vertreibung und Verelendung der einheimischen Bevölkerung. Sie ist oft gezwungen, in Elendsvierteln am Rande der Städte oder in riesigen Lagern für Binnenvertriebene zu leben, die kaum mehr als Zwangsarbeitslager sind. Im Sudan haben die ethnischen und Stammesrivalitäten, die durch militarisierte Viehzucht verschärft wurden, möglicherweise eine Rolle im anhaltenden Bürgerkrieg zwischen den Militärs in Darfur und Kordofan gespielt.

Im Bericht der UN-Organisationen wird erklärt, dass sich Ernährungsunsicherheit und Unterernährung aufgrund der Inflation der Nahrungsmittelpreise, der Konflikte, des Klimawandels und der immer häufigeren und schwereren Wirtschaftsabschwünge verschlimmern. Allerdings wird nichts davon in konkreten Begriffen erklärt, die die daran beteiligten wirtschaftlichen Prozesse darlegen: Welche Rolle die Aktivitäten der Lebensmittelkonzerne und -händler und die multilateralen Organisationen unter dem Dach der UN spielen, und inwieweit gefügige Regierungen daran beteiligt sind. Noch viel weniger werden die (wenigen) finanziellen Gewinner und die (vielen) Verlierer benannt.

Dies würde deutlich machen, dass nur ein Frontalangriff auf den Reichtum und die Macht der Wirtschafts- und Finanzoligarchie die immensen sozialen und wirtschaftlichen Krisen der Menschheit lösen kann. Wenn neue Produktionstechniken rational und wissenschaftlich eingesetzt würden, könnten sie die Welt ernähren und den globalen Hunger, die Armut und die Schwerstarbeit auf den Feldern beenden. Dies erfordert die Massenmobilisierung der internationalen Arbeiterklasse, die den gesamten enormen Reichtum der Gesellschaft produziert, um die Staatsmacht zu erobern und die Neugestaltung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens auf der Grundlage der menschlichen Bedürfnisse, der Gleichheit und des Sozialismus zu organisieren.

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