Am Donnerstag haben die Spannungen zwischen Israel und dem Iran einen neuen Höhepunkt erreicht, nachdem die USA vor einem „unmittelbar bevorstehenden“ Angriff Teherans gewarnt hatten. Das iranische Regime hat seit dem israelischen Bombenangriff auf seine Botschaft in Syrien Anfang April, bei dem hochrangige Mitglieder des iranischen Militärs getötet worden waren, mit Vergeltung gedroht.
Der israelische Außenminister Israel Katz drohte am Donnerstag: „Wenn der Iran von seinem Staatsgebiet aus angreift, wird Israel reagieren und den Iran angreifen.“
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte in einer Rede vor Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Tel Nof: „Wir befinden uns in schwierigen Zeiten. Wir sind mitten in einem Krieg in Gaza, der mit voller Wucht weitergeht. Darüber hinaus setzen wir unsere unermüdlichen Bemühungen für die Rückkehr unserer Geiseln fort, bereiten uns aber auch auf Herausforderungen an anderen Fronten vor.“
„Wir haben ein einfaches Prinzip etabliert: Wer uns angreift, den greifen wir an. Wir sind bereit, unserer Verantwortung für Israels Sicherheit gerecht zu werden, bei der Verteidigung und beim Angriff.“
Laut israelischen Nachrichtensendern hat die Luftwaffe des Landes vor kurzem gemeinsam mit Zypern bei Militärübungen „einen Angriff auf den Iran simuliert.“ Die Israelischen Verteidigungskräfte sind in höchster Alarmbereitschaft, der Wochenendurlaub wurde gestrichen und das Heer hat zusätzliche Reservisten für die Luftabwehr einberufen.
Der ranghöchste US-General, Erik Kurilla, traf in Israel zu Gesprächen mit Verteidigungsminister Yoav Gallant ein, dem US-Außenminister Antony Blinken am Mittwochabend in einem Telefonat die uneingeschränkte Unterstützung Washingtons für Israel bei einem Konflikt mit dem Iran zugesichert hatte. Präsident Joe Biden hatte zuvor am selben Tag bei einer Pressekonferenz erklärt: „Wie ich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bereits erklärt habe, ist unser Eintreten für Israels Sicherheit gegen diese Bedrohung durch den Iran und seine Stellvertreter eisern, eisern.“
Der republikanische Senator Marco Rubio, ein Mitglied des Geheimdienstausschusses, beschrieb die Lage als „die gefährlichste im Nahen Osten seit 1973“ und warnte: „Der Iran will von seinem eigenen Staatsgebiet aus einen Großangriff auf Israel starten. Israel wird darauf sofort mit einem noch härteren Gegenangriff im Iran reagieren.“
Während die USA und die europäischen Mächte den Iran drängen, auf solche Provokationen zu reagieren, fordern sie von Teheran eine „Zurückhaltung“, die sie von ihrem Verbündeten Israel niemals erwarten würden. Der amerikanische Nahost-Beauftragte Brett McGurk wies die Außenminister von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar und dem Irak an, mit Teheran zu sprechen und die Regierung zum Nachgeben zu drängen.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock rief zu maximaler Zurückhaltung auf, um eine weitere Eskalation in der Region zu verhindern.
Tatsächlich sind es jedoch die imperialistischen Mächte, die ständig und vorsätzlich die Eskalation vorangetrieben haben. Sie haben Israel Waffen geliefert und diplomatische wie militärische Unterstützung zugesagt, um einen Völkermord in Gaza zu verüben und dreiste Angriffe auf seine Gegner im Libanon und Syrien zu führen. Letzten Dezember erklärte Gallant, Israel führe einen „Mehrfrontenkrieg“ an „sieben Schauplätzen.“
Gleich zu Beginn des israelischen Kriegs schickten die USA zwei Flugzeugträger-Kampfgruppen ins östliche Mittelmeer, um Israel vor Vergeltungsmaßnahmen zu schützen. Diese Flotte hat am Mittwoch elf Drohnen abgefangen, die von den mit dem Iran und den Palästinensern verbündeten Huthi im Jemen abgeschossen wurden.
Die unverhohlensten Kriegstreiber in Israel und den imperialistischen Zentren haben Israel zu einem direkten Angriff auf den Iran gedrängt.
Der ehemalige israelische Botschafter in den USA, Danny Ayalon, erklärte: „Diese scharfen Spannungen sind etwas Neues hier. Der Iran droht zum ersten Mal mit direkten Angriffen auf Israel und nicht über Stellvertreter. ... Ich glaube, ein Angriff auf den Kopf der Schlange im Iran und in Teheran ist wohl der effektivste Weg, den Iran zurückzudrängen und wieder in Schach zu halten.“
Der ehemalige britische Oberst Richard Kemp vom Daily Telegraph argumentierte: „Das Vereinigte Königreich sollte bereit sein, direkt militärisch gegen den Iran vorzugehen... oder [Israel] alles Notwendige zu liefern, um ihm zu helfen, zurück zu schlagen.“
Der ehemalige US-Sicherheitsberater unter Donald Trump, John Bolton, klagte in der gleichen Zeitung, Israel habe „die Offensive gegen Rafah viel zu lange hinausgezögert...“
„Die restlichen Guerilla- und Terrorkräfte der Hamas zu beseitigen, wird viel Zeit in Anspruch nehmen, aber ihre Zerschlagung bedeutet, dass Israel freier und weniger gefährdet ist, wenn es die Hisbollah schonungslos konfrontieren muss. Oder jetzt die Konfrontation mit dem Iran und seinem Atomwaffenprogramm, bevor der Iran über eine zuverlässige, lieferbare Kapazität verfügt.“
Die israelischen Streitkräfte verdoppeln bereits ihre Einsätze in Gaza, wobei das Hauptziel das Flüchtlingslager Nuseirat im Zentrum von Gaza ist. Raouf Abed aus dem benachbarten Ort Deir el-Balah erklärte gegenüber Al Jazeera: „Es kam mir vor, als würde die Besatzungsarmee einen neuen Krieg beginnen.“
Über die Angriffe aus der Luft und vom Meer aus erklärte er: „Es gab ununterbrochen Explosionen, die Geräusche kamen aus unterschiedlichen Richtungen. Jedes Mal wenn wir auf einen Waffenstillstand hoffen, verschärft Israel die Aggression, als wollten sie die Hamas unter Druck setzen, indem sie uns, die Zivilisten, angreifen.“
Der Al Jazeera-Journalist Tareq Abu Azzoum berichtete: „Die Situation vor Ort ist schrecklich und chaotisch, da das israelische Militär seine Angriffe ausweitet. ... Es toben Kämpfe in den Dörfern und den Städten, die an das Flüchtlingslager Nuseirat grenzen.“
„Wir können sehen, dass das israelische Militär mit schwerem Artilleriebeschuss am Boden und Luftunterstützung durch Kampfflugzeuge und Überwachungsdrohnen ganze Stadtviertel zerstört.“
Azzoums Kollege Hani Mahmud erklärte: „Die Menschen sind plötzlich unter schwerem Bombardement eingeschlossen, was zu großer Panik geführt hat. Die Leute versuchen, aus dem Lager Nuseirat und anderen Teilen des zentralen Gebiets zu fliehen. Die Situation wird mit jeder Stunde schwieriger.“
Weitere Angriffsziele waren das Flüchtlingslager Dschabaliya und Gaza-Stadt im Norden des Gazastreifens, sowie die Stadt Rafah im Süden, in die sich die Mehrheit der Bevölkerung geflüchtet hat.
In Rafah wurde eine Gruppe von sechs Personen, die ihre Familie zum Fest des Fastenbrechens besuchen wollte, von israelischen Kampfflugzeugen getötet. In Gaza-Stadt wurden weitere sechs Menschen bei einem Bombenangriff auf den Firas-Markt getötet.
Ein Unicef-Hilfskonvoi, der versucht hatte, in den Norden zu gelangen, wurde von israelischen Truppen beschossen, die Palästinenser angriffen. Die Sprecherin Tess Ingram erklärte, es seien Schüsse auf Zivilisten abgefeuert worden, die dann in die andere Richtung liefen, und mehrere hätten das Fahrzeug getroffen. „Es war schockierend, dass uns das auf einer koordinierten Mission in einem ausgewiesenen Aufenthaltsgebiet passierte. Kollegen von uns befanden sich außerhalb des Fahrzeugs und hätten leicht verwundet oder getötet werden können.“
An der Front zum Libanon griffen israelische Flugzeuge einen Militärkomplex der Hisbollah nahe der Grenzstadt al-Dahira sowie die südlibanesische Stadt Tayr Harfa an.