USA: Vanderbilt University relegiert Studierende wegen pro-palästinensischer Sitzblockade – vermehrte Angriffe auf die Meinungsfreiheit an den Universitäten

Den Studenten, die am 26. März an der Vanderbilt University den Flur vor dem Büro des Kanzlers Daniel Diermeier besetzt hatten, wurde am Freitag mitgeteilt, dass Disziplinarmaßnahmen gegen sie verhängt wurden. Drei Studenten, die sich angeblich mit Gewalt an Sicherheitspersonal vorbeigedrängt hatten, um das Verwaltungsgebäude zu betreten, wurden der Universität verwiesen. Ein weiterer Student, der unter dem Vorwand eines Termins versucht hatte, das Gebäude zu betreten, wurde für ein Semester suspendiert.

Mehr als 20 weitere Studenten, die den Flur vor dem Büro des Kanzlers besetzt hatten, erhielten 15 Monate Bewährung. Ihr Vergehen wird außerdem in ihren offiziellen Universitätsakten vermerkt.

Studierende vor der Knowland Hall an der Vanderbilt University

Die Verweise in Vanderbilt sind nur die bisher schwersten Sanktionen einer Welle von repressiven Maßnahmen von Universitätsverwaltungen in allen Regionen der USA mit dem Ziel, den wachsenden Widerstand gegen den israelischen Völkermord in Gaza und gegen die uneingeschränkte Unterstützung durch die Biden-Regierung zu unterdrücken.

Allein in den letzten Tagen wurden am Pomona College in Südkalifornien, an der University of North Carolina-Charlotte, an der Columbia University in New York City und vielen weiteren Hochschulen Studenten verhaftet oder anderweitig belangt. An der University of Michigan bereitet die Verwaltung die Umsetzung neuer Richtlinien vor, die faktisch jeden Protest auf dem Universitätsgelände verbieten würden. Die University of Michigan war in der Vergangenheit ein Zentrum des linken, demokratischen und kriegsfeindlichen politischen Aktivismus von Studenten.

Diese Maßnahmen erfordern eine massive Reaktion der Arbeiter im ganzen Land. Die Angriffe auf Studentenproteste sind Angriffe auf alle Arbeiter. Die Polizeistaatsmethoden, die gegen Studenten eingesetzt werden, werden gegen die gesamte Arbeiterklasse gerichtet werden, wenn sie den Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze, des Lebensstandards und der demokratischen Rechte sowie gegen den imperialistischen Krieg aufnimmt.

Anfang letzter Woche sind die Studenten der Vanderbilt University vor einem Scheingericht aus Funktionären der Universität erschienen. Dabei wurde ein manipuliertes Video der Demonstration gezeigt; sie selbst durften keine Beweise zu ihrer Verteidigung vorlegen.

Etwa 60 Studenten nahmen an der 22-stündigen Demonstration in der Kirkland Hall teil, die organisiert wurde, um gegen die einseitige Entscheidung der Universität zu protestierten, die Abstimmung über eine Abänderung der Verfassung der Studentenvertretung zu verhindern. Dieser Änderungsantrag würde bedeuten, dass die Studentenvertretung Gelder von Unternehmen abzieht, die Israels Besetzung von Palästina finanzieren.

Ein Schild mit der Aufschrift „Lasst uns abstimmen“, das von protestierenden Studenten zurückgelassen wurde

Zusätzlich zu den mehr als zwei Dutzend Studenten, die in die Kirkland Hall eingedrungen waren, besetzten weitere 30 Studenten die Treppe vor dem Gebäude. Die Studenten berichteten, während der Demonstration sei ihnen der Zugang zu den Toiletten, Nahrung und Wasser verweigert worden.

Die Petition der Kampagne Boycott, Divestment and Santions (BDS) wurde von der überwältigenden Mehrheit der Studenten unterstützt und erhielt doppelt so viele Unterschriften wie erforderlich, um die Initiative voranzubringen.

Die Strafen wurden verhängt, obwohl an der gesamten Universität großer Rückhalt für die Studenten und ihren Protest herrscht. In einem offenen Brief, der von mehr als 150 Mitgliedern der Fakultät unterzeichnet wurde, wird geschildert, wie weit die Universität ging, um die Versuche der Studenten zu verhindern, gegen Israels Völkermord in Gaza zu protestieren und Unterstützung für ihr Referendum zu gewinnen, mit dem sie die Mittel der Studentenvertretung von Israel abziehen wollen.

Die Mitglieder der Fakultät schrieben: „Wir sind besorgt, dass diese Regeln willkürlich, wechselnd und ungleichmäßig gegen studentische Aktivisten und andere Mitglieder der Gemeinschaft angewandt werden. Wir sind außerdem der Meinung, dass das Kriterium, Studentenproteste dürften den Betrieb der Universität nicht ,stören‘, äußerst vage und weit gefasst ist.“

Derweil reichte die Vanderbilt University Divinity School eine Petition ein, die an die dortige Unterdrückung von Studentenprotesten zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung und den Ausschluss des Divinity-Studenten James Lawson wegen seiner Teilnahme an der Sitzblockade der Mensa in Nashville in den 1960ern erinnert.

Ein Schild an der Knowland Hall der Vanderbilt University, das den Zugang zum Gebäude beschränkt

Im Vorfeld der Sitzblockade in der Kirkland Hall hatte die Universität mehrfach zuvor genehmigte Proteste und Veranstaltungen der Vanderbilt Divest Coalition (VDC), der Gruppe hinter der BDS-Initiative, abgesagt. Studenten, die Flugblätter zur Unterstützung des BDS-Referendums gepostet hatten, wurden wegen Fehlverhaltens verwarnt. Erst später entdeckten sie, dass eine unveröffentlichte Karte durch eine Aktualisierung der Zonen, in denen Proteste verboten sind oder still erfolgen müssen, ihre Proteste und Reden im Freien zu einem Verhaltensverstoß gemacht hatte.

Ein Student aus dem Umfeld der Proteste erklärte gegenüber der World Socialist Web Site, die Verwaltung würde die sozialen Medien von Mitgliedern der VDC aktiv überwachen. Studenten, die als Muslime oder Unterstützer Palästinas identifiziert wurden, würden von Universitätspersonal aufgehalten und über ihre Beziehung zur VDC befragt. Er erklärte: „Sie suchen nach den Anführern.“

Kanzler Diermeier ist eine rechte Persönlichkeit und hat in einer schrillen Kolumne im Wall Street Journal seine Angriffe auf Studenten gerechtfertigt. Er ist der geschäftsführende Direktor von Diermeier Consulting Associates LLC, das sich auf Krisenmanagement, Reputationsmanagement und regulative und politische Strategien konzentriert. Zu den Klienten des Kanzlers gehören Shell, ExxonMobil, BP und das FBI.

Der Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäußerung an der Vanderbilt University ist Teil der landesweiten brutalen Unterdrückungsmaßnahmen gegen pro-palästinensische Studenten:

• Am Pomona College in Claremont (Kalifornien) wurden 19 Studenten verhaftet, nachdem sie am Freitag das Büro der Präsidentin besetzt hatten. Der Protest begann, nachdem das College ein von Studenten errichtetes pro-palästinensisches Protest-Kunstwerk abgebaut hatte, das seit dem 28. März dort stand.

Laut der Polizei von Claremont wurden 18 Studenten wegen Hausfriedensbruchs angeklagt, und einer wegen Behinderung der Justiz, nachdem Beamte in Kampfausrüstung aus Claremont, Pomona, Azusa und La Verne aufgetaucht waren.

Die Protestveranstaltung wurde von der Organisation Pomona Divest Apartheid organisiert, die vom College fordert, dass sie sich von Israels Krieg in Gaza distanziert. Im Rahmen der Studentendemonstration wurde auch eine Kunstinstallation mit dem Titel „Apartheid-Mauer“ aufgestellt, die zu Beginn des Tages gewaltsam entfernt worden war.

Laut Medienberichten hatten sich am Freitag um 16 Uhr mehr als 100 Demonstranten vor der Alexander Hall versammelt; bis zu 40 Demonstranten waren in das Büro der Präsidentin G. Gabrielle Starr eingedrungen. Als die Polizei eintraf, verließ etwa die Hälfte der Studenten das Büro, der Rest blieb.

Pomona Divest Apartheid veröffentlichte eine Erklärung gegenüber FOX 11, in der es hieß: „Die heutige Eskalation durch die Leitung des Pomona College, die zur Verhaftung von Studenten führte, stellt eine klare Entscheidung des Pomona College dar, Studenten in Gefahr zu bringen und ihr Recht auf freie Meinungsäußerung zu unterdrücken, statt sinnvoll mit den hunderten Studenten ins Gespräch zu kommen, die ihre Politik ablehnen.“

Präsidentin Starr erklärte am Freitagabend, den verhafteten Studenten drohe die Suspendierung. Allen Studenten der anderen Claremont Colleges drohe zudem die Disziplinierung durch die eigenen Hochschulen und Hausverbot am Pomona College.

• An der Columbia University wurden laut der Studentenzeitung Columbia Spectator mindestens vier Studenten suspendiert, weil sie am 24. März an einer nicht genehmigten Diskussion mit dem Titel Resistance 101 teilgenommen hatten. Präsidentin Dr. Minouche Shafik kündigte die Disziplinarmaßnahmen am Freitag an und behauptete, die Studenten hätten mit „bekannten“ Anhängern des Terrorismus an der Diskussionsrunde teilgenommen.

Die New Yorker Daily News berichtete, dass die Vorsitzenden von mehr als 100 Studentengruppen, die der Koalition Columbia University Apartheid Divest angehören, von den Ermittlern zur Veranstaltung Resistance 101 E-Mails erhalten haben und die Studenten aufgefordert wurden, private Textnachrichten mit ihnen zu teilen. Die Gruppe beschrieb diese Forderungen als „bedrohlich“ und als Versuch, Studenten „einzuschüchtern“.

In der Daily News hieß es außerdem, der leitende Geschäftsführer Cas Halloway habe letzte Woche erklärt, die Universität habe die Strafverfolgungsbehörden über die Veranstaltung informiert und eine „externe Firma unter der Leitung erfahrener ehemaliger Strafermittlern“ beauftragt, eine Untersuchung durchzuführen.

Der Angriff auf die Rechte von Studenten an der Columbia ist Teil der Vorbereitungen Shafiks und zweier weiterer Kuratoren auf die Aussage vor einem Untersuchungsausschuss des Kongresses zu Antisemitismus am 17. April.

• An der University of North Carolina in Charlotte verurteilte die Verwaltung eine Resolution der Student Government Association (SGA) vom 29. März, in der die Universität aufgefordert wird, die Finanzierung eines archäologischen Forschungsprojekts in Israel einzustellen, bis es einen Waffenstillstand gibt.

In der Resolution der SGA heißt es u.a., sie erkenne offiziell an, dass Israel in Gaza einen Völkermord begeht, und fordert „die University of North Carolina in Charlotte [auf], auf sämtliche Gelder des Staats Israel zu verzichten, zumindest bis dieser einen Waffenstillstand in Gaza vereinbart und angemessene Maßnahmen eingeleitet sind, um den Staat Israel und andere Akteure für ihre Rolle beim Völkermord an den Palästinensern zur Rechenschaft zu ziehen“.

Die Universitätsleitung reagierte auf die Resolution, indem sie eine Erklärung an die Queen City News schickte, in der es hieß, die SGA „sei mehrfach auf die Verpflichtung der Universität zur Wahrung der institutionellen Neutralität hingewiesen worden“, und dass die Resolution „nicht mit dieser Verpflichtung übereinstimmt und von der Verwaltung nicht umgesetzt werden wird“.

In der Erklärung wird die Forderung der SGA fälschlich mit Antisemitismus und Gewalt auf dem Campus gleichgesetzt. Es wird außerdem behauptet, die Universität sei verpflichtet, „Gespräche in einer Art und Weise [zu unterstützen], die allen Mitgliedern der Universitätsgemeinschaft Respekt, Fairness und Würde bietet. Sie wird sofort auf jede Aktion reagieren, die ihre Fähigkeit beeinträchtigt, ein sicheres Umfeld zum Leben, Lernen und Arbeiten zu bieten.“

Studentengruppen erklärten, die Finanzierung der Lizenz für eine Ausgrabungsstätte in Israel stelle einen Verstoß gegen die von der Verwaltung behauptete Neutralität dar. Ein Mitglied von Social Justice for Southwest Asia and North Africa (SJ4WANA) erklärte: „Ihr Vorgehen spricht eine andere Sprache. Und ich glaube, wenn sie wirklich neutral sind, sollten sie keine anderen Regierungen finanzieren, vor allem nicht Israel.“

Für den 25. April ist eine Sitzung des Kuratoriums der UNC Charlotte anberaumt; Studenten erklärten, sie wollten daran teilnehmen, um dafür zu sorgen, dass das Gremium auf ihre Bedenken eingeht.

Die International Youth and Students for Social Equality verurteilen die wachsende Welle von Angriffen auf die Meinungsfreiheit von Studenten, die gegen den von den USA unterstützten Völkermord an den Palästinensern protestieren. Die Unterdrückung von Resolutionen und die Verhaftungen sowie Disziplinarmaßnahmen gegen Studenten zielen darauf ab, den weit verbreiteten Widerstand gegen die Kollaboration der Universitätsleitungen mit der US-Regierung, dem Militär und Unternehmen mit Verbindungen zu Israels Politik der ethnischen Säuberung in Gaza zum Schweigen zu bringen.

Die unnachgiebige Haltung der Universitätsverwaltungen und -kuratorien gegenüber den Forderungen der Studenten sowie der Einsatz von Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Studenten zeigt, dass Appelle an die akademische Welt wie auch an sämtliche Fraktionen des herrschenden Establishments die blutigen Kriege in Gaza und in anderen Teilen der Welt nicht stoppen werden.

Der Kampf für ein Ende des imperialistischen Kriegs kann nicht durch Appelle von Studenten an Repräsentanten der Universitäten oder an die Demokraten und Republikaner in der US-Regierung geführt werden, auf Gelder aus Israel zu verzichten. Imperialistische Kriege und die Barbarei des Völkermords in Gaza können nur durch die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen das gesamte kapitalistische System beendet werden. Dieser revolutionären Kraft müssen sich die Studenten zuwenden.

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