Biden behauptet Waffenstillstand in Gaza sei in Sicht, während Palästinenser verhungern

Ein Tag voller Spekulationen über einen Waffenstillstand in Gaza, ausgelöst durch US-Präsident Biden, hat den bösartigen Zynismus aller Beteiligten entlarvt.

Biden hatte vor der Presse erklärt: „Mein nationaler Sicherheitsberater hat mir gesagt, wir seien kurz davor. Wir sind kurz davor, aber noch nicht fertig. Ich hoffe, dass wir bis nächsten Montag einen Waffenstillstand haben werden.“

Diese Behauptungen, bei denen es um das Leben von Millionen Menschen geht, stellte Biden während eines Besuchs in einer Eisdiele auf – mit dem Eishörnchen in der Hand.

Palästinenser in Rafah im Gazastreifen stehen am 16. Februar 2024 Schlange für eine kostenlose Mahlzeit. Das Welternährungsprogramm gab am Donnerstag bekannt, es habe die Lieferung von Nahrungsmitteln in den isolierten Norden des Gazastreifen ausgesetzt [AP Photo/Fatima Shbair]

Später erklärte er gegenüber dem Fernsehmoderator Seth Meyers: „Der Ramadan steht vor der Tür, und die Israelis haben ebenfalls zugestimmt, während des Ramadan nichts zu unternehmen, damit wir Zeit bekommen, alle Geiseln freizubekommen.“

Die Kommentatoren in den Medien berichteten zwar umgehend über diesen „Optimismus“, allerdings wurde bald klar, dass eine Einigung keineswegs „kurz bevorsteht“. Die israelischen Medien wurden umfassend informiert, dass die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht wisse, wovon Biden redet, und dass Netanjahu selbst „überrascht“ worden sei.

Quellen der Hamas erklärten gegenüber Reuters, die Äußerungen seien „verfrüht“, und es müssten „noch immer große Unterschiede überbrückt werden“. Ihr Widerstand beruht darauf, dass der diskutierte „Waffenstillstand“ zeitlich stark begrenzt und für Israel nur dann akzeptabel ist, wenn seine Bodentruppen ihren endgültigen Angriff auf Rafah am Tag nach dem Ende der Waffenruhe beginnen können. Der Zweck wäre, den Konflikt während des am 10. März beginnenden Ramadan möglichst gering zu halten. Auf diese Weise soll eine Explosion von Wut im gesamten Nahen Osten verhindert werden, die die von den USA zusammengestellte anti-iranische Kriegskoalition gefährden würde.

Eine solche Vereinbarung ist angesichts der schwachen Position der Hamas nicht unmöglich. Allerdings stellte Biden seine Behauptungen auch deshalb auf, um seine Chancen bei der Vorwahl in Michigan zu verbessern – wo „Genocide Joe“ wegen seiner Mitschuld an Israels Massenmord und ethnischer Säuberung mit heftigem Widerstand konfrontiert ist.

Die Realität vor Ort ist, dass die Palästinenser in den Hungertod getrieben werden und Israel seinen Krieg ausweitet.

Die Times of Israel berichtete nur wenige Stunden nach Bidens Äußerungen: „Israel hat keine Angst mehr, einen Krieg auszulösen und zieht, was die IRGC [Iranische Revolutionsgarde] in Syrien angeht, die Samthandschuhe aus.“ In dem Artikel wird Carmit Valensi, Leiterin des Nord-Arena-Programms am Institut für nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, mit den Worten zitiert: „Scheinbar nutzt Israel die Kriegsdynamik aus, um seine Aktivitäten gegen den Iran in Syrien zu verstärken.“

Valensi „stellte fest, dass vor Beginn der Kämpfe in Gaza die Tötung von Angehörigen der al-Quds-Einheit – der Expeditionseinheit der Revolutionsgarde – oder von Hisbollah-Funktionären eine rote Linie gewesen wäre, deren Überschreiten einen Krieg auslösen könnte.“ Doch jetzt würden sie „methodisch und unverfroren“ durchgeführt.

Die Vereinten Nationen warnten vor „beunruhigenden Veränderungen bei den Schusswechseln“ an der nördlichen Front Israels mit der Hisbollah im Libanon. „Wir erleben jetzt eine Ausweitung und Intensivierung der Angriffe.“

Währenddessen erreicht der Krieg in Gaza ein neues Ausmaß an Kriminalität. Der UN-Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Michael Fakhri, bezeichnete die Lage am Dienstag in einem Interview mit dem Guardian als „Völkermord“.

Fakhri erklärte: „Menschen vorsätzlich Nahrung vorzuenthalten ist eindeutig ein Kriegsverbrechen. Israel hat seine Absicht angekündigt, das palästinensische Volk ganz oder teilweise zu vernichten, nur weil sie Palästinenser sind. Aus meiner Sicht als Menschenrechtsexperte der Vereinten Nationen handelt es sich jetzt um einen Völkermord.“

Er fuhr fort: „Die Geschwindigkeit, mit der sich Unterernährung unter Kleinkindern ausbreitet, ist ebenfalls erstaunlich. Die Bombenangriffe und die direkten Tötung von Menschen sind brutal, aber diese Hungersnot – und das Auszehren und die Verkümmerung von Kindern – ist quälend und abscheulich. Es wird langfristige Auswirkungen auf die Bevölkerung haben, sowohl physisch als auch kognitiv und moralisch...

Es gibt keinen Grund, den Zugang zu humanitäre Hilfe bewusst zu blockieren oder vorsätzlich kleine Fischerboote, Gewächshäuser und Obstgärten im Gazastreifen zu zerstören – außer, wenn man den Menschen den Zugang zu Nahrung verwehren will.“

Israel hat während seiner Angriffe immer wieder Lebensmittellager, Mühlen und Bäckereien bombardiert, sodass heute nur noch 15 von 100 Bäckereien in Betrieb sind. Im Norden wurde ein Viertel der Landwirtschaftsbetriebe zerstört und zu den verbliebenen wurde der Zugang verwehrt.

Fakhri erklärte: „Wir haben noch nie erlebt, dass eine Zivilbevölkerung so schnell und so vollständig ausgehungert wurde, darüber sind sich Hungerexperten einig... Israels Vorgehen richtet sich nicht nur gegen die Zivilbevölkerung, es will auch die Zukunft des palästinensischen Volks vernichten, indem es seine Kinder schädigt.“

Al Jazeera berichtete über den Hungertod des zwei Monate alten Mahmoud Fattouh am letzten Freitag, der abgemagert und nach Luft ringend ins al-Shifa-Krankenhaus eingeliefert wurde. Der Leiter des Kamal-Adwan-Krankenhauses, Dr. Hussam Abu Safiya, erklärte: „In den letzten Wochen sind viele Kinder gestorben... wenn wir nicht schnellstmöglich die notwendige Hilfe bekommen, werden wir immer mehr Kinder durch Unterernährung verlieren.“

Mehr als 90 Prozent der Kinder zwischen 6 und 23 Monaten, schwangere und stillende Mütter leiden unter extremer Ernährungsarmut. Sie nehmen täglich zwei oder weniger Nahrungsmittelgruppen zu sich – und zwar Nahrungsmittel mit dem niedrigsten Nährwert. Da ihr Immunsystem geschwächt ist, haben 90 Prozent der Kinder unter fünf Jahren mindestens eine Infektionskrankheit. Etwa 70 Prozent hatten in den letzten zwei Wochen Durchfall.

Mehr als 80 Prozent aller Haushalte verfügen nicht über sicheres und sauberes Wasser, und der durchschnittliche Haushalt muss mit nur einem Liter pro Person und Tag auskommen, während das empfohlene Minimum bei 15 Litern liegt. Das ist besonders beunruhigend angesichts der Tatsache, dass immer mehr Säuglinge Folgemilch benötigen.

Der stellvertretende UNICEF-Exekutivdirektor für humanitäre Maßnahmen, Ted Chaiban, warnte letzte Woche: „Dem Gazastreifen steht eine Explosion vermeidbarer Todesfälle von Kindern bevor, die das ohnehin schon unerträgliche Ausmaß der Kindersterblichkeit in Gaza noch verschlimmern würde.

Wir warnen bereits seit Wochen, dass der Gazastreifen am Rande einer Ernährungskrise steht. Wenn der Konflikt jetzt nicht beendet wird, dann wird die sich die Ernährungslage der Kinder noch weiter verschlimmern. Die Folgen werden vermeidbare Todesfälle und gesundheitliche Probleme sein, die die Kinder in Gaza für den Rest ihres Lebens beeinträchtigen und möglicherweise generationsübergreifende Folgen haben werden.“

Die Ergebnisse der UN basieren auf Untersuchungen, die Ende Januar durchgeführt wurden. Das bedeutet, dass die Lage mittlerweile bereits deutlich schlimmer ist, da Israel und seine internationalen Partner die Schlinge seitdem immer enger gezogen haben.

Mehr als ein Dutzend Länder haben die Finanzierung des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) vollständig eingestellt. Der Generalkommissar des UN-Hilfswerks, Philippe Lazzarini, erklärte: „Das letzte Mal, dass das UNRWA Nahrungsmittelhilfe in den nördlichen Gazastreifen liefern konnte, war am 23. Januar.“

Letzte Woche setzte das Welternährungsprogramm (WFP) die Hilfslieferungen in den Norden des Gazastreifens aus, nachdem es zweimal zu Gewalt dagegen gekommen war. Shane Low vom norwegischen Flüchtlingsrat erklärte gegenüber Al Jazeera: „Es gibt keine Garantie für die Sicherheit der Mitarbeiter der humanitären Hilfe, sowohl wegen der israelischen Angriffe auf die Konvois als auch wegen der israelischen Angriffe auf die Polizei, die die Konvois beschützen soll, und natürlich wegen der Verzweiflung über die Knappheit an Hilfe, die ankommt.“

Zwischen dem 1. Januar und dem 15. Februar hat Israel etwa die Hälfte der geplanten Hilfskonvois in den Norden aufgehalten. Die Kontrollpunkte der israelischen Verteidigungskräfte haben die Menge der Hilfslieferungen nach Gaza auch insgesamt verringert. Seit dem 9. Februar sind im Durchschnitt nur 55 Lastwagen pro Tag in die Enklave gelangt, kaum die Hälfte der 100, die laut UN das Minimum zur Deckung der dringendsten Bedürfnisse sind, und ein Fünftel der Hilfsgüter, die vor dem Krieg eintrafen.

Die Lügen der israelischen Regierung, ihre Soldaten würden die Lieferung von Hilfsgütern nicht einschränken, werden von Luftaufnahmen entlarvt, auf denen mehr als 2.000 wartende Lastwagen auf der ägyptischen Seite der Grenze zu sehen sind. Zudem erklärte das WEP, an den Grenzen des Gazastreifens stünden genug Nahrungsmittel bereit, um die ganze Bevölkerung zu ernähren.

Am 9. Februar hatte der Internationale Gerichtshof Israel angewiesen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Lieferung humanitärer Hilfe zu erhöhen. Seitdem ist laut Amnesty International und Human Rights Watch die Zahl der Lastwagen, die in den Gazastreifen fahren durften, um ein Drittel gesunken. Laut Angaben des UNRWA hat sich die Zahl im Februar im Vergleich zum Januar um 50 Prozent verringert.

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