Am Donnerstag herrschte in den Flughallen von elf wichtigen deutschen Airports gähnende Leere: Ein 24-stündiger Warnstreik der Security legte die Flughäfen Berlin-Brandenburg, Frankfurt, Köln-Bonn, Hamburg, Bremen, Hannover, Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig-Halle, Dresden und Erfurt-Weimar lahm. Über tausend Flüge fielen aus, und rund 200.000 Passagiere waren betroffen.
An dem Arbeitskampf beteiligten sich rund 25.000 Beschäftigte in der Fluggast-, Mitarbeiter- und Frachtkontrolle und im Servicebereich, die dringend bessere Löhne und Überstundenzuschläge fordern. Verdi verlangt momentan 2,80 Euro mehr pro Stunde und die Aufstockung des Überstundengeldes auf 30 Prozent schon ab der ersten Überstunde. Das bisher letzte, provokative Angebot des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) sieht Erhöhungen der Tariflöhne von 4 Prozent für 2024 und weitere 3 Prozent für 2025 vor. Die Verhandlungen werden am 6. Februar in Berlin fortgesetzt.
Die Forderungen von Verdi würden, selbst wenn sie vollständig erfüllt werden, den tatsächlichen Bedarf in keiner Weise abdecken. Seit Jahren müssen die Beschäftigten Reallohnsenkungen hinnehmen. Denn an allen Flughäfen außer München und Nürnberg (die nicht bestreikt wurden) sind die Security-Bereiche in den letzten Jahren aus dem öffentlichen Dienst herausgelöst und privatisiert worden – mit der Folge immer schlechterer Löhne, steigender Arbeitsbelastung und von Dauerstress.
Über diese Missstände sprach die World Socialist Web Site in Berlin mit Streikenden. Infolge ihrer unregelmäßigen Schichtzeiten sind die meisten Security-Beschäftigten trotz explodierender Benzinpreise auf das eigene Auto angewiesen. Einige Beschäftigte, die zu weit weg wohnen, müssen eine Flughafen-nahe Zweitunterkunft finanzieren. Hinzu kommt ein ständig wachsender Arbeitsstress. Der Stellenabbau am Beginn der Corona-Pandemie wurde niemals wieder ausgeglichen. Zum permanenten Personalmangel kommt der hohe Krankenstand hinzu, was zu ständigen Zusatzschichten und einem beispiellosen Dauerstress führt.
„Wir werden regelmäßig überplant“, sagte Jordan, ein Mitarbeiter im Flughafen Berlin Brandenburg, den WSWS-Reportern. „Sobald das Flugaufkommen steigt, geht das richtig hoch.“ – „Wir haben Personalmangel ohne Ende“, bestätigt auch Dave, ebenfalls am BER tätig. Er erklärt: „Wir stehen teilweise sechs Stunden ohne Pause am Band.“ Das führe dazu, dass „Leute abwandern ohne Ende“, und zwar nicht nur neue Mitarbeiter, sondern auch Kollegen, die seit zehn und mehr Jahren dabei gewesen seien.
Das Angebot der Unternehmer ist lachhaft, so die einhellige Meinung. „Es deckt nicht annähernd die realen Kosten“, sagt Jordan dazu. „Im Grunde sind wir nur Werkzeug für die, mehr nicht. Keine richtigen Menschen.“
Die Warnstreiks haben, wie schon vor kurzem der Lokführerstreik, ein weiteres Mal die große Macht demonstriert, über die die Arbeiterklasse verfügt. Der Security-Streik fand inmitten einer Streikwelle statt. Nach den Lokführern streikten schon am Dienstag die Ärzte aller Universitätskliniken, und am Freitag werden Bus-, U-Bahn und Straßenbahn-Fahrerinnen und -Fahrer den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) lahmlegen. Auch an einigen Flughäfen wird dann weitergestreikt, weil sich die Bodenverkehrsdienste dem Ausstand anschließen.
Die Streikwelle geht aber weit über Deutschland hinaus. In Finnland streiken am 1. und 2. Februar mehrere Gewerkschaften im Luftverkehr, so dass Finnair 500 Flugstreichungen ankündigen musste. In Frankreich wird es Streikmaßnahmen vom 5. Februar bis zum 9. September gegen die Olympischen Spiele in Paris geben. In Großbritannien finden in den nächsten Tagen gleich mehrere Streiks im Luftverkehr, bei der Bahn und im Londoner U-Bahn-Verkehr statt. Auch in Italien wird es am 5. und 12. Februar landesweite Bahnstreiks geben, und am 9. Februar sollen die Flughäfen Mailand-Malpensa und Linate bestreikt werden. Hinzu kommen in Deutschland, Frankreich, Belgien, Polen und Griechenland noch die Bauernproteste.
Die World Socialist Web Site und die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC) kämpfen für den Aufbau von Aktionskomitees in jedem Bereich, damit diese Kämpfe vernetzt und mit einer sozialistischen Perspektive bewaffnet werden können. Vor allem müssen die Kämpfe, wenn sie Erfolg haben sollen, den Gewerkschaften aus der Hand genommen werden.
Denn auch im Sicherheitsbereich ist die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nicht bereit, den Arbeitskampf für bessere Löhne und Bedingungen entschlossen zu führen. Sie ist, wie der ganze DGB, tief in die deutsche Wirtschaft integriert und mit den etablierten Parteien verbunden. Sie akzeptiert die kapitalistische „Notwendigkeit“, dass die Beschäftigten letztendlich für die Kosten der Kriegs- und Sparpolitik aufkommen müssen.
Mit dem Warnstreik schafft Verdi ein Ventil für die Belegschaften, damit sie ihren Zorn über die Ausbeuterverhältnisse einen Tag lang zum Ausdruck bringen können. Damit wird sich absolut nichts Wesentliches ändern. Das hat sich schon beim letzten ganztägigen Warnstreik vor zwei Jahren gezeigt: Nur wenige Tage später schloss Verdi den neuen Vertrag ab, der weder an dem Hinterherhinken der Löhne, noch an der dauernden Arbeitslast irgendetwas änderte. Auch heute ist sie nicht bereit, die Kämpfe, die sie systematisch von denen anderer Arbeiter isoliert, in irgendeiner Weise effektiv zu führen.
Das ist dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) sehr bewusst. Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des BDLS, der die Forderungen im Sicherheitsbereich rundheraus als „unbezahlbar“ abgelehnt hat, war selbst zu Beginn seiner Karriere zehn Jahre lang beim DGB und bei der SPD als hauptamtlicher Funktionär beschäftigt. Zuerst war er Leiter eines DGB-Projekts für Europäische Bildungsarbeit und Referatsleiter beim DGB-Bundesvorstand, später Referatsleiter beim SPD-Bundesvorstand. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) machte ihn zum Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, ehe er vor 15 Jahren zuerst Direktor von Air Berlin und ab 2011 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft wurde.
Auch die Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle (SPD) ist in der deutschen Wirtschaft integriert und den Kapitalinteressen verpflichtet. Die Verdi-Vizechefin sitzt seit Jahren im Aufsichtsrat der Lufthansa und wurde letztes Jahr als stellvertretende Aufsichtsratschefin erneut bestätigt.
Die WSWS ruft alle, die sich am Aufbau unabhängiger Aktionskomitees beteiligen möchten, dazu auf, sich mit dem Stichwort „Security“ bei uns zu melden. Meldet euch per Whatsapp unter +49-163-337 8340 und registriert euch über das Formular.
Mehr lesen
- Tarifabschluss für die Flughafen-Security bedeutet Lohnverzicht
- Lehnt die Geheimverhandlungen der GDL mit der Deutschen Bahn ab! Nehmt den Streik selbst in die Hand!
- Baut die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees in den Vereinigten Staaten auf! Für eine globale Gegenoffensive der Arbeiterklasse!