Am 6. Dezember fiel Refaat al-Ar'eer – Englischlehrer, Autor, Übersetzer und Aktivist für die Rechte der Palästinenser – in Gaza einem gezielten Bombenangriff der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) zum Opfer. Der brutale Mord hat weltweit Empörung ausgelöst. Dr. al-Ar’eer, Professor an der Islamischen Universität in Gaza, die inzwischen von den IDF zerstört wurde, ist einer von über 17.400 Palästinensern, die in den letzten zwei Monaten von den IDF getötet wurden.
Der Mord an al-Ar’eer ist eine der abscheulichsten Gräueltaten, mit denen die israelische Regierung alle Gegner ihres Völkermords terrorisieren und einschüchtern will. Laut der Menschenrechtsgruppe Euro-Med Monitor starben am letzten Mittwoch neben al-Ar’eer auch sein Bruder und seine Schwester sowie vier seiner Neffen und Nichten. Ein „chirurgischer Angriff“ der israelischen Luftwaffe traf das Wohnhaus in Gaza, in dem sich die Familie aufhielt.
Al-Ar’eer, genannt die Stimme von Gaza, war ein talentierter Autor und beliebter Lehrer, der Tausende Palästinenser dafür begeisterte, Englisch zu lernen, Shakespeare zu lesen und trotz der israelischen Besatzung die Menschlichkeit der jüdischen Bevölkerung zu begreifen. Vor seiner Ermordung gab al-Ar’eer zwei Bücher heraus, Gaza Writes Back und Gaza Unsilenced, und verfasste Beiträge für mehrere andere Bücher, darunter Light in Gaza: Writing Born of Fire, erschienen 2022. Er schrieb regelmäßig für palästinensische und linke News-Websites, darunter Electronic Intifada, und hat nach der israelischen Militäraktion „Operation Protective Edge“ im Jahr 2014 die Organisation „We Are Not Numbers“ mitbegründet, um jungen überlebenden Palästinensern beizustehen und vor allem auch, um der Welt die Geschichte der militärischen Besatzung zu erklären.
„Refaat in Gaza“ war, wie z. B. auch der Fotojournalist Motaz Azaiza und die Filmemacherin Bisan Owda, einer von vielen Palästinensern, die Arbeitern und Jugendlichen auf der ganzen Welt bekannt sind, weil sie direkt aus dem Gazastreifen berichten, die Lügen der kapitalistischen Presse durchbrechen und die Realität der israelischen Kriegsverbrechen aufzeigen.
Zu Refaats letzten Beiträgen auf X/Twitter gehören ein Gedicht, das er letzten Monat verfasste, und ein Posting, in dem er die Rolle der Regierung Biden und der Demokratischen Partei bei dem Gemetzel anprangert. Insgesamt haben diese Beiträge bislang über 35 Millionen Views erhalten und wurden über 145.000 Mal retweeted – ein Maß für die Trauer und Wut, die der Mord an al-Ar’eer ausgelöst hat.
Es steht nun zweifelsfrei fest, dass die IDF gezielt palästinensische Journalisten und Akademiker töten.
Vier Tage vor der Ermordung von Dr. al-Ar’eer wurde Professor Sufian Tayeh, ein renommierter Wissenschaftler auf dem Gebiet der physikalischen und angewandten Mathematik und Präsident der Islamischen Universität von Gaza, zusammen mit seiner Familie bei einem israelischen Luftangriff getötet.
Die Morde an den beiden Akademikern folgten prompt auf das Ende der sogenannten „humanitären Pause“. Am selben Tag erschien ein Bericht über den israelischen Militärschlag vom 13. Oktober, bei dem der Reuters-Journalist Issam Abdallah getötet und sechs weitere Personen verletzt worden waren. In diesem Bericht wiesen Amnesty International, Human Rights Watch, Reuters und Agence France-Presse nach, dass es sich um einen gezielten israelischen Panzerangriff gehandelt hatte. Mit Stand vom 8. Dezember hat das Committee to Protect Journalists den Tod von 63 Journalisten, überwiegend Palästinensern, seit dem 7. Oktober bestätigt.
Millionen Menschen auf der ganzen Welt trauern um al-Ar’eer, doch in den westlichen Leitmedien, darunter die New York Times, die Washington Post und die Los Angeles Times, ist mehr als 36 Stunden nach Bekanntwerden seines Todes noch kein Artikel erschienen. Ihr Schweigen zu seiner Ermordung und zur gezielten Tötung von palästinensischen Journalisten, medizinischem Personal und Wissenschaftlern in den letzten zwei Monaten entlarvt sie als bloße Stenographen der US-Regierung und ihrer Verbündeten.
Die Ermordung von al-Ar’eer durch die Regierung des Faschisten Benjamin Netanjahu – unter direkter Mitverantwortung der Regierung Biden und der Nato-Mächte – ist nicht nur ein Kriegsverbrechen, sondern auch eine Drohung an die Gegner des Völkermords auf der ganzen Welt. Die israelische herrschende Klasse, die sich als „Amerikas stärkster Verbündeter im Nahen Osten“ begreift, fürchtet die weltweite Massenbewegung gegen den Krieg und weiß, dass ihre Lüge, der Zionismus sei gleichbedeutend mit dem Judentum, in der Weltöffentlichkeit nicht verfängt – so sehr die kapitalistischen Regierungen auch versuchen, Kriegsgegner als Antisemiten zu kriminalisieren. Aus dieser Situation heraus greift Netanjahu zur Ermordung politischer Gegner und sogar objektiver Beobachter.
Die arbeitende Bevölkerung weltweit muss den Amoklauf der israelischen Regierung als Warnung verstehen. Angesichts von Massenwiderstand erheben die kapitalistischen Regierungen Völkermord und die gezielte Ermordung unbewaffneter politischer Gegner und ihrer Familienangehörigen zur offiziellen Staatspolitik.
Der Mord an al-Ar’eer ist eine Eskalation des weltweiten Angriffs auf demokratische Rechte, an deren Spitze die USA und ihre Verbündeten stehen. Er steht in der Kontinuität der Verfolgung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange, der derzeit im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh auf seine Auslieferung an die USA wartet. Ähnliche Maßnahmen, wie sie gegen al-Ar’eer und Assange eingesetzt wurden, werden auf höchster Regierungsebene in Washington, London, Paris, Berlin, Rom und Tel Aviv zur Unterdrückung der innenpolitischen Opposition diskutiert. Ein solches Vorgehen wird vom gesamten politischen Establishment in den USA und international unterstützt.
Die Verbrechen der USA und ihres zionistischen Verbündeten sind Vorboten für noch schlimmere Angriffe. Gleichzeitig unterstreichen sie, dass es vergeblich ist, an eben die Politiker zu appellieren, die am Völkermord in Gaza beteiligt sind.
Seit mehr als zwei Monaten gehen Millionen von Menschen rund um die Welt auf die Straße, um ein Ende des Völkermords zu fordern. Sie wollen, dass die Ressourcen der Gesellschaft in die Verbesserung der sozialen Verhältnisse fließen und nicht der Bereicherung von Kriegsprofiteuren dienen. In den USA haben Biden und die Demokratische Partei diese Forderungen zurückgewiesen, die Zahl der palästinensischen Todesopfer heruntergespielt, die Kriegsverbrechen der IDF beschönigt und mehrere Resolutionen verabschiedet, in denen sie ihre uneingeschränkte Unterstützung für das zionistische Projekt erklären.
Angesichts einer wachsenden Streikwelle und unfähig, den Niedergang des amerikanischen Kapitalismus gegenüber seinen Konkurrenten, namentlich China, umzukehren, nutzen die herrschende Klasse der USA und ihre Nato-Verbündeten den Völkermord in Gaza als Sprungbrett für künftige Kriegsverbrechen und Angriffe auf demokratische Rechte.
Um ihre Agenda für den Dritten Weltkrieg durchzusetzen, fördert die Bourgeoisie in der ganzen Welt das Wachstum faschistischer und rechtsextremer Kräfte, die gegen die wachsende Massenbewegung gegen Krieg eingesetzt werden sollen.
Die Antikriegsbewegung darf nicht an die Kriegsverbrecher appellieren, sondern muss sich auf die Arbeiterklasse stützen, die einzige gesellschaftliche Kraft, die in der Lage ist, den Krieg zu beenden und das kapitalistische System zu stürzen – die Quelle von Krieg, Armut und Faschismus.