Israel beschleunigt ethnische Säuberung des Gazastreifens, weitet Boden- und Luftangriffe auf den Süden aus

Palästinenser betrachten sich die Zerstörung durch einen israelischen Bombenangriff auf das Flüchtlingslager Chan Yunis, Gazastreifen, 1. Dezember 2023 [Photo: Mohammed Dahman/WSWS]

Am Dienstag meldete das israelische Militär, es habe das Stadtzentrum von Chan Yunis im Süden des Gazastreifens erreicht. Ein hochrangiger General sprach vom „intensivsten Tag“ der Kämpfe seit Beginn des völkermörderischen Angriffs des Netanjahu-Regimes auf die Palästinenser. Wahllose Luftangriffe begleiteten die Bodenoffensive auf die Stadt, deren Bevölkerung in den letzten Wochen um Hunderttausende angestiegen ist, weil palästinensische Flüchtlinge aus dem Norden des Gazastreifens hinzugekommen sind.

Am fünften Tag des brutalen Angriffs des zionistischen Regimes, das die einwöchige Feuerpause einseitig beendet hatte, erklärten die Vereinten Nationen, dass es aufgrund der Brutalität und des Ausmaßes der Boden- und Luftangriffe nirgendwo im Gazastreifen mehr „so genannte sichere Zonen“ für Zivilisten gebe.

UNICEF-Sprecher James Elder erklärte, die vom israelischen Militär vorgeschlagenen „sicheren Zonen“ seien „nicht real, nicht vernünftig und nicht möglich. Und ich glaube, das ist den Behörden bewusst.“ Der Leiter des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, erklärte, die Hilfsoperationen stießen „an ihre Belastungsgrenze“, und Israels anhaltende Belagerung des Gazastreifens könne zur „Hauptquelle von Todesfällen“ werden.

Dass Zivilisten keinen Zufluchtsort haben, verdeutlichte eine Serie von verheerenden Luftangriffen auf Chan Yunis am Dienstag. Bei einem Angriff in der Ortschaft Deir el-Balah nördlich von Chan Yunis, der sich laut Augenzeugen gegen „einen ganzen Wohnblock“ richtete, wurden mindestens 45 Männer, Frauen und Kinder getötet. Weitere 50 Zivilisten wurden Berichten zufolge am Dienstag bei Angriffen vor dem Vormarsch israelischer Truppen auf Chan Yunis getötet.

Zehntausende sind bereits aus Chan Yunis in die südlichste Stadt Rafah geflohen, in der vor Israels Angriff etwa 280.000 Menschen lebten. Schätzungen zufolge könnten in der Stadt an der ägyptischen Grenze bald mehr als eine Million Menschen zusammengepfercht sein. Das UNRWA warnte, es gebe nicht genug Vorräte, um alle Vertriebenen mit humanitärer Hilfe zu versorgen. Viele von ihnen waren bereits zu Beginn der Bombardierung aus dem Norden nach Chan Yunis und die umliegenden Orte vertrieben worden.

Adnan Abu Hasna, ein Vertreter des UNRWA, beschrieb die höllischen Bedingungen, die bereits jetzt in Rafah herrschen: „Zehntausende Familien leben auf der Straße und suchen unter allen möglichen Dingen [Schutz] – Nylonfetzen und Holzstücken. Jetzt regnet es. Das wird zur Katastrophe führen.“

Neben der Gefahr durch die Luftangriffe und schweren Waffen der Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) wächst auch die Gefahr durch unbehandelte Krankheiten rapide an. Die Vereinten Nationen meldeten am Dienstag einen Ausbruch von Hepatitis A in einer ihrer Flüchtlingseinrichtungen. Nur neun der ursprünglich 35 Krankenhäuser im Gazastreifen sind noch in Betrieb, zudem herrscht ein chronischer Mangel an medizinischer Ausrüstung und sauberem Trinkwasser.

Die Medienstelle der Regierung von Gaza bezifferte am Dienstag die Zahl der Todesopfer seit Beginn der israelischen Bombardierung des Gazastreifens auf 16.248 Menschen. Mehr als 7.000 sind als vermisst gemeldet und vermutlich unter den Trümmern der Gebäude verschüttet, die bei Luftangriffen zerstört wurden. Unter den Todesopfern befinden sich 7.112 Kinder, 4.885 Frauen, 286 medizinische Fachkräfte (darunter Sanitäter und Ärzte) sowie 81 Journalisten und Medienbeschäftigte. Mindestens 43.616 Menschen wurden durch die Bombardierung verletzt.

In der gleichen Erklärung beschrieb die Medienstelle die faktische Einstellung der Hilfslieferungen in den Gazastreifen nach der Wiederaufnahme der israelischen Militäroperationen als „Todesurteil“ für 2,3 Millionen Menschen. Berichten zufolge kommen nur etwa 100 Lastwagen mit Hilfsgütern pro Tag über den Grenzübergang Rafah in den Gazastreifen, d.h. 20 Prozent der 500 Lastwagen, die vor dem Krieg täglich eingetroffen sind.

Die Entwicklung der israelischen Militäroperationen folgt einem eindeutigen Plan: Der Gazastreifen soll zum Großteil ethnisch gesäubert und ein großer Teil oder sogar die gesamte Bevölkerung in die ägyptische Wüste Sinai vertrieben werden. Dieser Plan wurde in Dokumenten der israelischen Regierung und Kommentaren rechtsextremer Personen aus Ministerpräsident Benjamin Netanjahus Regierungskoalition beschrieben. Die Strategie des zionistischen Regimes genießt die bedingungslose Unterstützung der imperialistischen Mächte, vor allem der USA, ohne deren militärische und politische Unterstützung Israels Flächenbombardements des Gazastreifens und seine wahllosen Massaker an Zivilisten nicht möglich wären.

Am Dienstagabend umrissen Netanjahu, Verteidigungsminister Yoav Gallant und Kriegskabinettsminister Benny Gantz auf einer Pressekonferenz die Absichten ihres Regimes in einer Sprache, die auch ein Nazi-Führer im Zweiten Weltkrieg hätte verwenden können. Netanjahu schäumte: „Wir rechnen mit all denjenigen ab, die die Töchter unseres Volkes entführt, ermordet, massakriert, vergewaltigt und verbrannt haben oder daran beteiligt waren. ... Wir werden nicht vergessen und nicht vergeben.“ In Chan Yunis und Jabalia „erzitterte der Boden“ während der Operationen der IDF, „wir haben beide umstellt... jetzt gibt es keinen Ort mehr, an den wir nicht hinkommen“.

Netanjahu schilderte seine Vorstellung von einem Ende des Angriffs: „Dann wird es keine Kräfte mehr geben, die Terror unterstützen, die für den Terror ausbilden, die den Terror und die Familien von Terroristen finanzieren.“ Der Gazastreifen „muss demilitarisiert werden, und die einzige Kraft, die das gewährleisten kann, ist die IDF. Keine internationale Streitmacht kann die Verantwortung dafür übernehmen.“

Mit Bezug auf die Zerstörung der meisten Wohngebäude im Norden des Gazastreifens fügte Gallant in ähnlicher Weise hinzu: „Was in Gaza-Stadt passiert ist, passiert jetzt auch in Chan Yunis ... mit beeindruckenden Ergebnissen.“ Gantz betonte, Israel sei bei seinen Operationen an keine Beschränkungen gebunden: „Nur Israel wird sein Schicksal bestimmen.“ Selbst nach dem offiziellen Ende der Kampfhandlungen würden die Operationen der IDF „monate- und jahrelang weitergehen ... um die Realität zu stabilisieren“.

US-Präsident Joseph Biden machte am Dienstag bei einer Spendenveranstaltung in Boston deutlich, dass er die Völkermordpläne des Netanjahu-Regimes uneingeschränkt unterstützt. Er machte die Hamas für das Ende der Feuerpause verantwortlich, weil sie sich geweigert habe, einige der weiblichen Geiseln freizulassen, und erklärte: „Wir werden nicht aufhören – wir werden nicht aufhören, bis wir sie alle nach Hause gebracht haben, und das wird ein langer Prozess werden.“

Biden ist der Top-Repräsentant des US-Imperialismus, der in den letzten 30 Jahren im gesamten Nahen Osten, Nordafrika und Zentralasien blutige Kriege geführt, ganze Gesellschaften zerstört und Millionen Menschen getötet hat. Das letzte, worum er sich Sorgen macht, ist das Überleben von etwa 138 Geiseln, die noch immer im Gazastreifen festgehalten werden.

Israels ethnische Säuberungsaktion in Gaza ist der Höhepunkt einer seit 75 Jahren andauernden Vertreibung und Unterdrückung der Palästinenser im Rahmen des zionistischen Projekts. Der amerikanische Imperialismus ist entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen, um Voraussetzungen für einen Krieg in der gesamten Region zu schaffen. Die Biden-Regierung hat bereits zu Beginn des Konflikts zwei Flugzeugträger-Kampfgruppen und ein atomwaffenfähiges U-Boot in die Region entsandt. Damit droht sie dem Iran und ihren Rivalen im Kampf um die Vormachtstellung über den ölreichen und geostrategisch wichtigen Nahen Osten.

Bidens Eingeständnis, die gewaltsame Vertreibung der Palästinenser durch Israel sei ein „langer Prozess“, verdeutlicht, dass Washington keine Skrupel hat, die IDF noch wochen- und monatelang unschuldige Zivilisten massakrieren zu lassen, wenn es damit seine Hegemonialstellung in der Region konsolidieren kann. Israel ist ein wichtiger Bestandteil der Neuaufteilung der Welt durch die USA auf Kosten ihrer Rivalen, vor allem Chinas und Russlands.

Nach wie vor besteht die Gefahr der Eskalation zu einem regionalen Flächenbrand. Seit die IDF den Angriff auf den Gazastreifen wieder aufgenommen haben, verschärfen sich auch die Kampfhandlungen an der nördlichen Grenze zum Libanon. Am Dienstag berichtete das libanesische Militär, dass einer seiner Soldaten bei einem israelischen Angriff getötet worden sei, der sich angeblich gegen eine Stellung der Hisbollah gerichtet haben soll. Es war das erste gemeldete Todesopfer der libanesischen Armee während des grenzüberschreitenden Konflikts seit dem 7. Oktober, als Israel zahlreiche Ziele im südlichen Libanon angriff, und die Hisbollah Raketen in den Norden Israels abfeuerte.

Die IDF veröffentlichten eine ihrer seltenen Erklärungen, in der es heißt: „Die libanesischen Streitkräfte waren nicht das Ziel des Angriffs.“ Die UN-Behörde UNIFIL, die seit Israels Rückzug im Jahr 2000 die Grenze bewacht, beschrieb die verstärkten Schusswechsel in den letzten Tagen als „alarmierend“.

Um den Völkermord im Gazastreifen zu beenden und einen Krieg in der gesamten Region zu verhindern, bedarf es der unabhängigen politischen Intervention der Arbeiterklasse in den großen imperialistischen Zentren, in Israel und im gesamten Nahen Osten.

Für Millionen von Arbeitern und Jugendlichen, die sich weltweit an den Protesten gegen den Völkermord im Gazastreifen beteiligen, ist es jetzt wichtig, dass sie sich an die Arbeiterklasse wenden und sie zu einer breiten Mobilisierung aufrufen, um die Lieferung und Produktion aller erdenklichen militärischen Ausrüstungen an Israel zu stoppen. Arbeiter müssen auf den Aufruf der palästinensischen Gewerkschaften zu Solidaritätsstreiks in allen Ländern reagieren. Notwendig ist ein internationaler Generalstreik gegen die völkermörderische Politik des Netanjahu-Regimes und seine imperialistischen Hintermänner. Dies muss auf der Grundlage eines internationalistischen und sozialistischen Programms geschehen, um Krieg und alle Formen von Unterdrückung zu beenden.

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