Am Freitagmorgen hat Israel seinen völkermörderischen Angriff auf den Gazastreifen wieder aufgenommen, nur wenige Minuten nach Ablauf der siebentägigen „operativen Pause“. Bis zum Ende des Tages wurden Berichten zufolge mindestens 178 weitere Palästinenser getötet und 589 verletzt. Am Sonntag erklärte der Generaldirektor des Medienbüros der Regierung in Gaza gegenüber Al Jazeera, dass in den letzten 24 Stunden mehr als 700 Palästinenser im Gazastreifen getötet worden seien.
Auch im Libanon wurden Menschen durch israelischen Artilleriebeschuss getötet, als jenseits der Grenze die bewaffneten Auseinandersetzungen wieder begannen.
Die Netanjahu-Regierung warf der Hamas vor, sie hätte den Waffenstillstand gebrochen – was nur die jüngste in einer langen Liste von Lügen ist. Israel behauptete, die Hamas habe sich nicht an die Zusage gehalten, alle Frauen und Kinder in ihrer Gewalt freizulassen, als sie am Freitag acht Geiseln freigab. Erst danach gab es erneut Raketenbeschuss auf Israel, deren Urheberschaft noch nicht geklärt ist.
Die Hamas antwortete darauf, es gäbe keine weiteren solchen Geiseln, die ausgetauscht werden könnten. Sie hatten angeboten, die Leiche von Shiri Bibas, ihrem zehn Monate alten Sohn Kfir und seines vier Jahre alten Bruders Ariel zu übergeben, die von einer israelischen Bombe getötet wurden. In einer Erklärung hieß es: „Die Hamas hat zudem angeboten, die Leichen der Familie Bibas zu übergeben und ihren Vater [Yarden] für ihre Beerdigung freizulassen, sowie zwei zionistische Gefangene.“ Allerdings hätten die israelischen Behörden darauf nicht reagiert.
Die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) hatten bereits beschlossen, ihre Militäraktion wiederaufzunehmen, komme was wolle. Es hieß, sie „verliere ihren Schwung“. Der Vorwurf, die Hamas habe ihren Teil der Abmachung nicht eingehalten, war eine durchsichtige Rechtfertigung für dieses Vorgehen.
Finanzminister Bezalel Smotrich hatte nur einen Tag zuvor angekündigt, Israel werde seine Feinde „mit Gottes Hilfe überall … jagen und vernichten“. Der Vorwand für diesen Wutausbruch war ein Anschlag in Jerusalem, bei dem zwei angebliche Hamas-Mitglieder an einer Bushaltestelle vier Personen getötet hatten, bevor sie von einem bewaffneten Zivilisten beschossen und von IDF-Soldaten getötet wurden.
Der Minister für die nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, erklärte stolz, der Vorfall zeige, dass er Recht damit hatte, Zivilisten mit Sturmgewehren auszurüsten. Der „heldenhafte Schütze“ starb am Freitag an mehreren Schusswunden, die ihm IDF-Soldaten beigebracht hatten, die ihn fälschlicherweise für einen feindlichen Kämpfer hielten.
Netanjahu donnerte: „Alle Hamas-Terroristen werden sterben – in Jerusalem, im Gazastreifen, im Westjordanland und überall.“ Damit machte er deutlich, dass das, was im Namen der Eliminierung der Hamas geplant ist, die ethnische Säuberung nicht nur des Gazastreifens, sondern des Westjordanlands und Israels selbst ist.
Die Regierung macht keinen Hehl aus dem brutalen und verbrecherischen Charakter der zweiten Phase des Angriffs der IDF, die jetzt begonnen hat. Regierungssprecher Eylon Levy erklärte gegenüber der Presse in der Manier eines Gangsters: „Die Hamas hat entschieden, unsere Frauen festzuhalten, also wird sie jetzt die Mutter aller Prügel beziehen.“
Verteidigungsminister Yoav Gallant erklärte mit Blick auf das Blutbad vom Freitag: „Die Ergebnisse sind beeindruckend. Die Hamas versteht nur Gewalt und deshalb werden wir weitermachen, bis wir die Ziele des Kriegs erreichen.“
Israel plant, nach dem Norden des Gazastreifens auch den Süden zu verwüsten. Im Fokus steht dabei die Stadt Chan Yunis, wo sich laut Israel das Hauptquartier der Hamas befinden soll. Die Stadt war bereits mehrfach zum Ziel tödlicher Angriffe geworden. Nun wurden Flugblätter abgeworfen, in denen die Bevölkerung aufgefordert wird, die Stadt zu verlassen, die als „gefährliche Kampfzone“ bezeichnet wird.
Angesichts der Tatsache, dass 1,8 Millionen der insgesamt 2,3 Millionen Einwohner des Gazastreifens bereits vertrieben wurden und der Großteil der Bevölkerung des Nordens im Süden zusammengepfercht ist, können sie nirgendwo hin. Die IDF hat die Zivilisten angewiesen, sich in Richtung der Grenze zu Ägypten bei Rafah zu begeben, womit sie die Befürchtung bestätigt, dass Israel die Palästinenser gänzlich aus dem Gazastreifen in die Wüste Sinai vertreiben will.
Der Al Jazeera-Journalist Zoran Kusovac erklärte dazu: „Der Süden ist jetzt so überfüllt, dass bei einer umfassenden israelischen Bodenoffensive die Gefahr besteht, dass der Bevölkerung des Gazastreifens keine andere Wahl mehr bleibt, als zu versuchen, über den Grenzzaun nach Ägypten durchzubrechen.“
„Ägypten hat seit Beginn des Konflikts gewarnt, es werde keine Flüchtlinge aufnehmen, da es politische Destabilisierung und Sicherheitsrisiken fürchtet“, erklärte Kusovac weiter. „Angesichts dieser Tatsache könnte es sich im schlimmsten Fall gezwungen sehen, mit dem Einsatz von Gewalt zu reagieren.“
Die Weltgesundheitsorganisation verglich die humanitäre Lage im Gazastreifen mit einem „Horrorfilm“. Während des Waffenstillstands kamen täglich etwa 150 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen, weniger als ein Drittel der durchschnittlich 500 pro Tag, die vor dem 7. Oktober eintrafen. Dabei werden mindestens 200 pro Tag als notwendig erachtet, um die grundlegendsten Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen. Mit der Wiederaufnahme der Bombenangriffe sind die Lieferungen erneut zum Stillstand gekommen.
Internationale Organisationen haben eindringliche Warnungen ausgesprochen. Der UNICEF-Sprecher James Elder fragte in einer Pressekonferenz im größten noch in Betrieb befindlichen Krankenhaus des Gazastreifens, kurz nach einem israelischen Luftangriff in knapp 50 Metern Entfernung: „Hat die Menschheit die Kinder von Gaza aufgegeben?“
„Ich kann nicht oft genug betonen“, so Elder weiter, „wie sehr die Kapazität der Krankenhäuser in den letzten sieben Wochen reduziert wurde. Wir können nicht noch mehr Kinder mit Kriegsverletzungen aufnehmen, mit Verbrennungen, übersät von Granatsplittern, gebrochenen Knochen. Durch die Untätigkeit derjenigen, die Einfluss haben, sterben Kinder. Dies ist ein Krieg gegen Kinder.“
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Im Krankenhaus von al-Nasr warnte der Chirurg Paul Ley vom Internationalen Roten Kreuz: „Wir sind bereits überlastet. In einem Krankenhaus, das für 300 Patienten gebaut wurde, haben wir rund 2.000 und mehr als die Hälfte von ihnen muss operiert werden. Aber wir haben nicht genug Medikamente und Anästhetika. Es gibt wenig Schmerzmittel, und wir müssen Techniken anwenden, die schon seit vielen Jahren nicht mehr angewandt wurden, weil sie als gefährlich gelten.“
Der Leiter des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge UNRWA, Philippe Lazzarini, sprach von einer „erschütternden menschlichen Tragödie“ und einem „Wettlauf gegen die Zeit... schon jetzt werden Krankheiten zu einer genauso großen Bedrohung wie die Bombenangriffe.“
Er beschrieb den Süden des Gazastreifens als „komplett überfüllt... Er kann so viele Menschen einfach nicht versorgen. Denken Sie daran, dass die Menschen aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden geschickt wurden, weil es dort angeblich sicherer ist. Aber ein großer Teil wurde im Süden getötet.“
Er verurteilte die „Belagerung einer ganzen Bevölkerung“ als „kollektive Bestrafung“ und verwies auf „eine Million Menschen in UN-Einrichtungen, 100.000 davon im Norden... Obwohl ihre Standorte bekannt sind, wurden fast 100 Einrichtungen direkt oder indirekt getroffen.“
Eine gemeinsame Untersuchung der israelischen Nachrichtenportale 972+Mag und Local Call, deren Ergebnisse am Donnerstag veröffentlicht wurden, bestätigt, dass bewusst und in beispiellosem Ausmaß Angriffe auf Zivilisten durchgeführt wurden.
Ein Informant erklärte gegenüber den Journalisten: „Die Zahlen stiegen von Dutzenden ziviler Todesopfer, die bei früheren Operationen als Kollateralschaden im Rahmen eines Angriffs auf einen hohen [Hamas-]Vertreter [zulässig waren], auf Hunderte von zivilen Todesopfern als Kollateralschaden.“
Für die Auswahl der Angriffsziele wurde ein KI-Programm unter der Bezeichnung „The Gospel“ eingesetzt, das ein Informant als „Massenmordfabrik“ bezeichnete, bei der „die Betonung ... auf Quantität und nicht auf Qualität liegt“. Der Guardian erklärte in seiner Berichterstattung, das Programm sei „geschaffen worden, um ein chronisches Problem der IDF zu bewältigen: Bei früheren Operationen in Gaza gingen der Luftwaffe wiederholt die Angriffsziele aus.“
Zu Beginn des Kriegs betonte der Befehlshaber der israelischen Luftwaffe ausdrücklich, dass „rund um die Uhr Luftangriffe“ geflogen werden. „Wir gehen nicht chirurgisch vor.“
Das Massaker im Gazastreifen wird mit der anhaltenden Unterstützung des amerikanischen und des Weltimperialismus fortgesetzt. US-Außenminister Antony Blinken unterstützte bei einer Rede in Dubai Israels Lüge, die Pause sei „beendet worden, weil die Hamas ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen ist“. Er bekräftigte Washingtons „starke Solidarität mit Israel bei dessen Selbstverteidigung“ und betonte zynisch, es tue „alles Menschenmögliche, um Zivilisten zu schützen“.